ls der Wiener Hans Weigel 1977 „Wien ist anders“ veröffentlichte, hatte die Donaustadt mehr nötig als dieses literarisch meisterhafte Zurechtrücken gängiger Klischees. Erst der Weckruf der rotschwarzen Rivalen Helmut Zilk und Erhard Busek samt dessen Kulturturbo Jörg Mauthe holte das fadeste Großkaff (am Rande) des freien Europas aus seinem seit Kriegsende währenden Dornröschenschlaf. Dass „Wien ist anders“ dann ausgerechnet 1988 zum Werbeslogan des zentralen einstigen k.u.k.-Schmelztiegels geriet und an jedem seiner Einfahrten von riesigen Schildern prangte, wirkt im Nachhinein geradezu prophetisch – ein Jahr vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. Seitdem ist Österreichs Hauptstadt ins Zentrum der Europäischen Union gerückt – und ins Blickfeld der weltweiten Aufmerksamkeit.
Kein globales City-Ranking kommt ohne Lobpreis von „Good Old Vienna“ aus, das vor allem als vergleichsweise gemütliche Erfüllung neuer Multikultiträume punktet. Selbst systemimmanent Wasserkopf-kritische Bundeslandbewohner erkennen mittlerweile das Flair von Wien (an) – aber verkennen dessen Sogwirkung für die eigenen Regionen. Denn es ist wohl auch der Maßstab der Metropole, der die meisten Landeshauptstädte zu einer ähnlich positiven Entwicklung getrieben hat und sie nicht nur aufgrund von Digitalisierung wie Globalisierung entlüftet vom Mief der Provinz.
Erst Größe ermöglicht Größe.
Dies gilt am wenigsten für die Kleinste und die Jüngste im Oktett. Eisenstadt hat kaum mehr Einwohner als Hall oder Schwaz. Das ist ebenso zu wenig für den Anspruch von Weltläufigkeit wie jene dreißigjährige Geschichte als Verwaltungszentrum, die St. Pölten erst 2016 feiern darf. Doch der entscheidende Parameter ist wohl eine gewisse Bevölkerungsgröße, ohne die kaum gesellschaftliche Größe – im Sinne von einladender Offenheit – entstehen kann. Denn auch Bregenz fehlt ungeachtet der seit jeher internationalisierten Bodenseeregion und Einbindung in eine urbane Agglomeration jenes gewisse Etwas, das es trotz See und Berg in Spuckweite noch braucht.
der maßstab der metropole wien hat auch die meisten landeshauptstädte zu einer ähnlich positiven entwicklung getrieben.
Das trifft auch für Klagenfurt zu, das zwar schon an der 100.000-Einwohner-Schwelle kratzt, aber den Vergleich mit den vier größeren Landeshauptstädten scheuen muss. Hier allerdings ist es das Ergebnis langjähriger politischer Abschottung. Das Schild „nach Kärnten“ an der südlichen Autobahnausfahrt von Wien wurde noch von den roten Landeshauptleuten Leopold Gratz und Leopold Wagner errichtet. 2006 erhielt es übrigens für einen Tag die slowenische Zusatztafel „na Koroko“ – eine subversive Aktion kontra Jörg Haider.
//Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck hingegen ernten mehr internationale Beachtung, als ihre Größenordnung bedingt. Dabei haben insbesondere die steirische und die oberösterreichische Hauptstadt enorm aufgeholt – mit durchaus vergleichbaren Mitteln. Das verkehrstechnisch – wie ganz Südösterreich – benachteiligte Graz verfügt im Gegenzug über die zweitälteste und zweitgrößte Universität Österreichs. Mehr als 50.000 Studierende prägen die Stadt. Samt Lehr- und Verwaltungspersonal ist hier ein Viertel der 270.000 Einwohner an einer Hochschule beschäftigt.
Darin liegt auch der größte gesellschaftliche Unterschied zu Linz: Doch das traditionelle Industriezentrum vollzieht konsequent den Strukturwandel. Knapp unter der 200.000-Einwohner-Marke rangiert es mit fast 30.000 Studierenden als Hochschulstandort nur noch wenig hinter Innsbruck – und wird es quantitativ infolge seiner neuen Medizin-Universität wohl bald überholen.
Die Kulturhauptstädte Europas.
Wie die steirische forciert auch Oberösterreichs Landeshauptstadt den internationalen Imagewandel: Beide waren schon „Kulturhauptstadt Europas“. Graz (2003) und Linz (2009) zehren bis heute vom neu gewonnenen Ruf. Das hilft vor allem im Wettbewerb mit Salzburg, der wegen Mozart und „Sound Of Music“ nach Wien global am stärksten kulturell wirkenden Stadt in Österreich – allerdings mit weniger Studierenden. An der Salzach profitieren sie jedoch mittlerweile durch die Namensgleichheit von Stadt und Land. Einerseits Skistars, andererseits Dietrich Mateschitz und Red Bull als Big Spender sorgen für wachsendes sportliches Ansehen – eigentlich ein klarer Wettbewerbsvorteil von Tirol und Innsbruck.
Seit 13 Jahren schon behaupten wir uns mit dem Anspruch „Weltstadt“. Doch nie war er so wahr wie heute. Denn ungeachtet der genannten Vorzüge von Wien, Graz, Linz und Salzburg: Erst zwischen Patscherkofel und Seegrube verbindet sich das alles zur eierlegenden Wollmilchsau für die beherrschenden Trends unserer Zeit – die Quadratur des Kreises von Stadtkultur und Landlust, von Größe und Geborgenheit. Überschaubar, aber nicht bloß beschaulich. Vital, aber nicht zu hektisch. Jung, aber nicht gegen Alt. Während die internationale Popkultur der 1970er- und 1980er-Jahre immer noch stärker nostalgisch verbrämt wird, feiert der heimische Muff dieser Zeit hoffentlich keine fröhlichen Urständ. Innsbruck ist seitdem vom öden Provinzkaff zur hochattraktiven Kleinmetropole gewachsen.
graz, linz, salzburg und innsbruck ernten mehr internationale beachtung, als ihre größenordnung bedingt.
Die internationalsten Universitäten.
Es gibt keine lebenswertere Stadt. Nirgendwo sonst verbindet sich gebändigte Urbanität enger mit schroffer Natur. Doch wir brauchen erst staunende Besucher, um unsere Selbstverständlichkeit schätzen zu lernen. Wer seine Gäste an einem Tag Hafelekar und Bergisel, Ambras und Zentrum erleben lässt, erntet neidvolle Bewunderung. Und was dem Herz der Alpen an Weltstadt und Natur noch fehlt, ist bequem erreichbar. München, Zürich, Mailand, Wien – Gardasee und Mittelmeer. Innsbruck liegt am Mehr. Die Verkehrslage, deren Durchzugsreize wir daheim beklagen, nutzen wir für die eigenen Reisen intensiv. Doch umgekehrt zieht es andere aus immer vielfältigeren Gründen nach „Innsbruck – città aperta“ – um einen ursprünglich Rom geltenden Filmtitel von Roberto Rosselini abzuwandeln. Aber nicht nur zum Jahreswechsel und nicht nur die Italiener. Im renommierten Times Higher Education Index hat die Leopold-Franzens-Universität soeben wieder Platz 7 im Ranking „The 100 most international universities in the world“ erzielt – die Wiener Unis folgt als Zweitbeste in Österreich auf Rang 13, ihre Technik- und Medizinableger erst auf Position 80 und 90. Ansonsten schafft es keine heimische Hochschule in diese Hitparade der akademischen Weltoffenheit.
Als Hans Weigel über Wien geschrieben hat, war das dort wie hier noch nicht so. Sein „Wien für Anfänger“ stammt immerhin schon von 1957. „Tirol für Anfänger“ veröffentlichte er dann in einem Schlüsseljahr für die rasante internationale Öffnung von Stadt und Land. Nicht anlässlich, aber parallel zu Olympia 1964 schrieb er den Älplern ins Stammbuch: „Die Tiroler aber sind einzigartig. Sie sind kein Volk, sie sind keine Nation und keine Nationalität, sie sind keine Rasse, sie sind ein Menschenschlag.“ Je multikultureller Innsbruck und seine Bevölkerung gerät, desto weniger gilt diese Einschätzung für die Bewohner der Landeshauptstadt. Das ist kein Nachteil, denn erst dadurch wird Innsbruck wirklich mehr.Die internationalsten Universitäten.
//Es gibt keine lebenswertere Stadt. Nirgendwo sonst verbindet sich gebändigte Urbanität enger mit schroffer Natur. Doch wir brauchen erst staunende Besucher, um unsere Selbstverständlichkeit schätzen zu lernen. Wer seine Gäste an einem Tag Hafelekar und Bergisel, Ambras und Zentrum erleben lässt, erntet neidvolle Bewunderung. Und was dem Herz der Alpen an Weltstadt und Natur noch fehlt, ist bequem erreichbar. München, Zürich, Mailand, Wien – Gardasee und Mittelmeer. Innsbruck liegt am Mehr.
Die Verkehrslage, deren Durchzugsreize wir daheim beklagen, nutzen wir für die eigenen Reisen intensiv. Doch umgekehrt zieht es andere aus immer vielfältigeren Gründen nach „Innsbruck – città aperta“ – um einen ursprünglich Rom geltenden Filmtitel von Roberto Rosselini abzuwandeln. Aber nicht nur zum Jahreswechsel und nicht nur die Italiener. Im renommierten Times Higher Education Index hat die Leopold-Franzens-Universität soeben wieder Platz 7 im Ranking „The 100 most international universities in the world“ erzielt – die Wiener Unis folgt als Zweitbeste in Österreich auf Rang 13, ihre Technik- und Medizinableger erst auf Position 80 und 90. Ansonsten schafft es keine heimische Hochschule in diese Hitparade der akademischen Weltoffenheit.
//
Als Hans Weigel über Wien geschrieben hat, war das dort wie hier noch nicht so. Sein „Wien für Anfänger“ stammt immerhin schon von 1957. „Tirol für Anfänger“ veröffentlichte er dann in einem Schlüsseljahr für die rasante internationale Öffnung von Stadt und Land. Nicht anlässlich, aber parallel zu Olympia 1964 schrieb er den Älplern ins Stammbuch: „Die Tiroler aber sind einzigartig. Sie sind kein Volk, sie sind keine Nation und keine Nationalität, sie sind keine Rasse, sie sind ein Menschenschlag.“ Je multikultureller Innsbruck und seine Bevölkerung gerät, desto weniger gilt diese Einschätzung für die Bewohner der Landeshauptstadt. Das ist kein Nachteil, denn erst dadurch wird Innsbruck wirklich mehr.