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JÄNNER 2017

Hart, aber fair

Von weitem sieht es fast aus wie eine Bundesheerübung. Auf einem Gelände in Patsch sind jedes Wochenende Airsoft-Spieler unterwegs und frönen ihrem oft mit Vorurteilen behafteten Hobby. 6020 hat sich umgesehen.

Fotos: Emanuel Kaser
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ist ein kalter Sonntagmorgen, kurz vor 9 Uhr auf einem großen Gelände unterhalb der Europabrücke. Verschiedene Gebäude, einige Ruinen, mit und ohne Graffiti, eine Ansammlung von Baucontainern und ein großes Zelt prägen das Bild. Ein Auto nach dem nächsten fährt über den kleinen Waldweg auf das Gelände. Ich registriere Autokennzeichen aus ganz Tirol, außerdem einige Kennzeichen aus Deutschland.

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Vorwiegend Männer, aber auch einige Frauen steigen aus den Autos. Viele scheinen sich zu kennen und begrüßen sich lautstark und lachend. In einem kleinen Haus ist zunächst Umziehen angesagt: Tarnkleidung, Stiefel, Helm, Funkgeräte, Schutzbrillen und Schutzmasken werden angelegt, zusätzlich die Waffen aus den mitgebrachten Taschen geholt.

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Stimmt der Begriff Waffen überhaupt? „Nein, das sind Spielgeräte und als solche werden sie auch von uns Airsoft-Spielern bezeichnet“, erklärt mir Manuel Kuen, er ist der Chef der 24.000 m2 großen Airsoft-Anlage. Ich frage nach dem teuersten Spielgerät. „Das kostet knapp über 1.000 Euro“, so Manuels prompte Antwort. Die Pistolen, Gewehre und Granaten sehen echten Waffen zum Verwechseln ähnlich, Realismus ist den Airsoft-Spielern wichtig. „800 bis 1.000 Euro kostet die Grundausrüstung“, erklärt mir Manuel.

„Airsoft ist der fairste Sport, den es gibt.“

Manuel Kuen, Betreiber

 

In seinem Shop ist alles erhältlich, was das Airsoft-Spielerherz begehrt. Anfänger können sich eine Ausrüstung ausleihen. Geschossen wird mit sogenannten „Bio-BBs“, 6-Millimeter-Kugeln aus Stärke. Plastikmunition ist verboten, weil sie nicht verrotten kann.

Fairness und Taktik.

Die rund 50 Spieler teilen sich in zwei Gruppen auf und der Schiedsrichter hält eine Eröffnungsansprache. Dass es so viele Regeln gibt, die noch dazu strengstens überwacht werden, hätte ich nicht gedacht. Als der Schiedsrichter erklärt, dass die Airsoft-Ausrüstung nur am Gelände getragen werden darf, um in den benachbarten Tankstellen und Fast-Food-Restaurants niemanden zu erschrecken, kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

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Das erste Spiel heißt „King of the hill“, es geht darum, eine Fahne in der Mitte des Geländes zu erobern oder für eine bestimmte Zeit zu „halten“, also zu verhindern, dass jemand aus dem gegnerischen Team sie berührt.

Martialisches Kampfgeschrei? Fehlanzeige. Außer ganz vereinzelten Kommandos ist nichts zu hören. „Airsoft ist der fairste Sport, den es gibt“, erklärt mir Manuel. Da man Treffer oft nicht erkennen kann, sind sie vom Getroffenen selbst anzusagen. Wer getroffen wird, geht mit erhobener Waffe vom Feld und muss pausieren. Spieler, die „abgeschossen“ wurden und trotzdem weiterkämpfen, werden als „Highlander“ bezeichnet und sind äußerst unbeliebt.

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„Schmerzhaft sind die Treffer aufgrund der Schutzbekleidung kaum“, versichert mir Manuel und beobachtet das Spielgeschehen. Der Innsbrucker hat früher selbst gespielt, auf einem Airsoft-Gelände im Zillertal, 2012 kam dann die Idee, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Der Park ist ein voller Erfolg: „Bis zu 165 Spieler im Sommer.“ Seinen Job als Baggerfahrer hat der 32-jährige Familienvater deshalb vor einem Jahr an den Nagel gehängt. 

Vorurteile.

8.500 registrierte Spieler gibt es mittlerweile im Airsoft-Park Tirol, darunter immer mehr Frauen. IT-Techniker Manu aus Aldrans spielt jedes Wochenende und erklärt mir, dass Airsoft mit Kriegspielen eigentlich nichts zu tun hat: „Es geht nicht ums wilde ‚Drauflosballern’. Den wenigsten geht es darum, andere abzuschießen. Uns gefällt das Taktieren im Team.“

„Es geht nicht ums wilde ‚Drauflosballern‘. Den wenigsten geht es darum, andere abzuschießen.“

Manu, Spieler

 

Ich beobachte die Spieler. Aggressivität oder Kampfgehabe kann ich nicht erkennen, alle wirken konzentriert.

Sportfreunde.

In einer kurzen Pause entdecke ich zwei junge Frauen. Tina, Sekretärin aus Kematen, und Magdalena, Werbeexpertin aus Hall. Ich frage sie nach den Gründen für ihr ungewöhnliches Hobby. „Es ist das Zusammenarbeiten. Das Taktieren macht großen Spaß.“ Zum Airsoft gekommen sind sie durch den Freund bzw. durch Kollegen. Die Sonne verschwindet langsam hinter den Bergen und Manu ist es noch wichtig, mir vom Zusammenhalt der Spieler zu erzählen: „Viele sind befreundet, vor kurzem hat einer seinen Job verloren, da haben wir uns sofort überlegt, wie wir helfen können.“

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Der Schiedsrichter pfeift das letzte Spiel ab und Joschi und seine Freunde packen eilig die Ausrüstung ein. Sie kommen aus Niederbayern und sind regelmäßig in Patsch. „So etwas gibt es bei uns nicht.“

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Eine andere Gruppe versichert mir, dass Airsoft ein ziemlich anstrengender Sport ist, man ist entweder in Bewegung oder verharrt in der Deckung: „Da brennen die Oberschenkel.“ Der Muskelkater am nächsten Tag ist also fix – so wie für die meisten ein Wiederkommen am nächsten Wochenende.

Das Spiel

 Airsoft stammt ursprünglich aus Japan und ist ein taktisches Geländespiel, bei dem mit Softair-Waffen ausgerüstete Teams in verschiedenen Szenarien gegeneinander antreten. Ziel eines Spiels kann das Halten einer Flagge oder die Eroberung eines Objektes sein. Ein Spieler kann mit einem Treffer auf den Körper aus der Partie befördert werden. 

 

Der Airsoftpark in Patsch ist einer der größten im deutschsprachigen Raum. Die Tageskarte für den Airsoftpark Tirol kostet 30 Euro, die Anmeldung erfolgt online.

 

Weitere Infos:

airsoftpark.tirol