n Linz beginnt’s nicht, sondern endet es. Der regionale Wahlreigen startet am 25. Jänner in Niederösterreich, wo die Gemeinderäte für 570 Kommunen vor der Neubestimmung stehen. Nur die Statutarstädte St. Pölten, Krems und Waidhofen an der Ybbs sind davon ausgenommen. Im März folgen Gemeinderatswahlen in Vorarlberg, Kärnten und der Steiermark – exklusive Graz. Ende Mai steht der burgenländische Landtag auf dem Kalender. Mit einem Wonnemonat-Termin spekuliert auch Wien, das bis Oktober warten kann. Wohl wirklich erst im September sind die Landtage der Steiermark und von Oberösterreich dran, wo am gleichen Tag (wahrscheinlich dem 27.) alle Gemeinderäte zur Wahl stehen.
Die nationale Politik auf der Regierungsseite braucht dieses regionale und lokale Mammutprogramm allerdings weniger zu kümmern, als es den Anschein hat. Rote wie schwarze Bundespolitiker gelten in ihren jeweiligen Parteiprovinzen eher als Spaßbremsen denn als Wahlhelfer. Bei den Grünen dagegen ist die Nachbarschaftshilfe vor allem von ihren Landesregierenden aus Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und Wien gefragt. Den einstigen Ökopaxen fehlen auf ihrem Zug zur Mitte – von der Opposition zum Juniorpartner der Macht – nur noch Niederösterreich, Burgenland und die Steiermark. Unterdessen stehen Heinz-Christian Strache und Matthias Strolz als One-Man-Shows vor wahren Zerreißproben. Ohne Einsatz ihrer Bundesspitzen gewinnen Blau und Pink keinen Blumentopf.
Die trügerische Ruhe vor dem Föhn.
Nur Salzburg und Tirol können sich die Politiktouristen sparen. Hier stehen außer den Neuwahlen von Wirtschaftskammern und Hochschülerschaften im März und Mai keine Abstimmungen an. Es sei denn, die Bundesregierung verliert den Restbestand an Vernunft und vergisst, dass ihre Zwangsehe für SPÖVP wirklich „alternativlos“ ist, falls sich die Gesinnungskonglomerate kein blaues Auge einhandeln wollen. Angesichts der Häufigkeit, mit der manche Spitzenvertreter der einstigen Großparteien dieses Synonym für Gestaltungsunfähigkeit blauäugig verwenden, ist zwar sogar solch ein Crash nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Denn eine Neuwahl bedroht vor allem jene, die sich als „alternativlos“ wähnen.
Ohne Einsatz ihrer bundesspitzen gewinnen blau und pink keinen blumentopf.
Doch es ist nicht bloß die Ruhe vor dem Föhn der Tiroler Gemeinderatswahlen 2016, die trügerisch ist, obwohl Innsbruck wie das Land erst 2018 folgt. Und es ist auch nicht die „Evolution Volkspartei“, die als zumindest mehrheitliche Perspektive der schwarzgrünen Regionalregierung herhalten kann. Was sich einst aufgrund eines verbuchten „Nachdenkens über Tirol“ dann „Wir Tiroler“ nannte, braucht ebenso eine eigene Vision für sich wie die ungeliebte Bundespartei. Eine solche haben die Grünen zwar national zumindest in Sachen eines Stimmenpotenzials von bis zu dreißig Prozent, das sie langfristig ausschöpfen möchten, doch regional verlieren sie in der Koalition zwangsläufig an Profil. Wenn aber einerseits die unterschiedliche Positionierung der Regierungspartner immer schwerer erkennbar wird und andererseits noch immer das scharfe Zukunftswunschbild für das Land fehlt, entsteht ständig mehr Platz für andere und vor allem neue Gruppierungen – und seien es bloß die üblichen Abspaltungen.
Gemeinsam vorwärts für Tirol.
„Vorwärts“ war als politischer Gedanke so wenig eine Schnapsidee wie die bürgerlichen Renegaten vom TAB über die Liste Fritz bis zu „Für Innsbruck“ keine Eintagsfliegen sind. Das Projekt scheiterte bloß an einigen handelnden Personen. Die Wahrscheinlichkeit, dass für die Wahlen 2018 etwas im Sinne von „Für Tirol“ entsteht, wächst mit der sinkenden Strategiefähigkeit der alteingesessenen Parteien. Das wird am Zustand jener Sozialdemokratie nur besonders deutlich, die 2013 den historischen Tiefpunkt erreicht hat, ohne den Talboden zu erahnen. Bei der heimischen Volkspartei sorgt die ungefährdete Führungsrolle für eine trügerische Sicherheit. Auch ihr fehlt der große Zukunftsplan für ein Land, das nicht nur auf Gedeih‘ dem Wohl des Tourismus ausgeliefert ist. Es gibt keine Vorsorge gegen den Verderb‘ durch den Fremdenverkehr. Das eint die Koalition im Land. Sie ist nicht alternativlos, doch sie entwickelt keine Alternativen. Diese aber bilden die Grundlage moderner konstruktiver Politik.
2015 ist die beste Zeit dafür. Anders als 2017, das schon im Zeichen der Wahlkämpfe in Stadt und Land stehen wird, beeinträchtigt keine geplante Auseinandersetzung die Gestaltungskraft der Parteien und somit die gesellschaftlich wichtigste Funktion von Politik. 2015, wenn die neue EU-Kommission in Brüssel und die alte Bundeskoalition in Wien endlich von der Selbstbeschäftigung in den Machermodus wechseln müssen, eignet sich wie kaum ein anderes Jahr zur Neudefinition der Landesposition, zur Identitätsbildung der Europaregion, zur Schaffung einer detaillierteren Vision. Denn immerhin: Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern ist zumindest eine grobe Skizze erkennbar, wohin die Reise gehen soll. Doch der durch eine Fülle von Aktionen dies- und jenseits des Brenner immer besser unterfütterten Schlagzeile „Gemeinsam“ mangelt es noch an den strukturierenden Zwischentiteln und jenen Kapiteln, die auch ein Sachbuch zum Bestseller machen können. Die Europaregion wirkt noch zu technokratisch. Sie ist eine Kopfgeburt mit zu wenig emotionalem Kitt für die betroffenen Bürger.
Das Projekt „Vorwärts“ war keine schnapsidee, es scheiterte bloss an einigen handelnden personen.
Mandl und Weibl: ’s isch Zeit.
Das aber ist die vornehmliche Aufgabe von Landespolitik, dies entspricht ihren wahren Möglichkeiten: Identität sichern, Gefühle festigen, Horizonte erweitern. Aber ausgerechnet in diesem Bereich haben Günther Platter und Ingrid Felipe, die ansonsten durchaus populär das Klischee vom Trachtenpärchen bedienen, auch nach eineinhalb Jahren im Amt noch viel Luft nach oben. Ein Paradoxon: Denn diese Denklücke schließen zu lassen oder ihre Überwindung zuzulassen, wäre einfacher als die Lösung vieler Probleme aus dem politischen Tagesgeschäft. Für das entsprechende „Look & Feel“ wären die beiden ohnehin ideale Repräsentanten. Insbesondere Platter wirkt aber wie ein gebranntes Kind, das das Feuer der positiven Utopie scheut, seit er im Gedenkjahr 2009 für seine Forderung nach Italienisch-Unterricht schon im Kindergarten heftig gescholten wurde. Dass ausgerechnet die Grünen als Juniorpartner, im Selbstbild wohl die Partei der besonders Gescheiten, auch keine Initiativen setzt, um das Land über den Prophezeiungszeitraum einer Piefke-Saga hinaus zu bringen, wirkt als zweites hemmendes Paradoxon.
//Nun lässt sich bis zum Jahreswechsel kaum noch etwas bewegen, doch der einzig wirkliche Landesheilige Andreas Hofer weist auch hier den Weg. Sein „Manda, ’s isch Zeit“ übersteht sogar den Gender-Wahn. Also eignet sich der 205. Jahrestag der Hoferschen Erschießung am 20. Feber 2015 als bester Startpunkt für eine neuerliche Tirol-Offensive, die der mittlerweile erstmals über eine Volkswahl gestützte Landeshauptmann durchaus wagemutiger angehen könnte als das banale Spektakel von 2009. Es muss ja nicht gleich der Bezug zu China sein, das am Vorabend sein Neujahr mit dem Wechsel in den Tierkreis der Ziege feiert. Aber wer Bezüge sucht, findet sie auch dort: Platter und Felipe sind nach chinesischem Horoskop Pferde. Für sie wird das Jahr der Ziege angeblich „sehr holprig“. Vor allem am Arbeitsplatz. Doch die Astrologen orten auch Lichtblicke: „In den gesellschaftlichen Aktivitäten und dem Sozialleben sollte hingegen nichts zu befürchten sein.“ Differenzierter heißt es dann: Für den Zwillinge-Hengst wird es ein sehr gutes, für die Löwin-Stute nicht das beste Jahr. Klingt nach unterschiedlichem Tempo der ungezügelten Zugpferde. Ist aber nur ein Horoskop. Das glaubt niemand.