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JÄNNER 2015

„Weil i wü Schifoan“

Was erleben Schilehrerinnen im Laufe ihres Berufslebens? Was hat sich
auf unseren Pisten verändert? Ein ehrliches Interview mit überraschenden
und oft amüsanten Antworten.

Fotos: Emanuel Kaser

„Die Ansprüche sind enorm gewachsen. Unser Aufwand ist viel größer geworden.“

Elisabeth (Name von der Redaktion geändert) ist seit vielen Jahren Skischullehrerin im Großraum Innsbruck. Um ihre Gäste nicht zu brüskieren, hat sie uns einen Tag nach dem Interview gebeten, auf die Veröffentlichung ihres Namens und eines Fotos zu verzichten.
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Ihr seid beide schon viele Jahre als Schilehrerinnen tätig, was hat sich im Laufe der Jahre verändert? Elisabeth: Die Gäste sind viel zielstrebiger geworden. Sie wollen möglichst viel haben für ihr Geld und in kurzer Zeit so viel wie möglich lernen. Viele Eltern sind in Bezug auf die Schierfolge ihrer Kinder überehrgeizig. Es kommt vor, dass Vierjährige schon ein Renntraining bekommen.

 

Petra: Ein großer Teil der Arbeit einer Kinderschilehrerin besteht darin, die Kinder zu motivieren und bei Laune zu halten. Die Kinder sind ja oft nicht so ehrgeizig wie ihre Eltern und erzählen uns das auch, sobald die Eltern außer Hörweite sind.

 

Wie macht sich der zunehmende Ehrgeiz der Eltern genau bemerkbar? Elisabeth: Das beginnt bereits am ersten Tag bei der Einteilung der Kinder in die Gruppen. Viele Eltern haben Angst, dass ihr Kind in eine zu leichte Gruppe kommt. Da gibt’s dann oft Diskussionen mit uns. Meistens einigen wir uns darauf, dass das Kind am Vormittag in dieser Gruppe bleibt und wir am Nachmittag neu entscheiden. Den Kindern gefällt es dann meistens eh so gut, dass ein Gruppenwechsel kein Thema mehr ist.

 

Welche Anekdoten gibt es sonst aus dem Leben einer Schilehrerin? Petra: Einmal ist ein Vater zu mir gekommen und hat gemeint, er habe gehört, es gibt eine Renngruppe, wa-rum sein Kind nicht in dieser Gruppe sei. Ich hatte keine Ahnung, dass wir eine Renngruppe haben, und habe mich schlau gemacht. Dabei habe ich herausgefunden, dass eine Kollegin von mir zu den Kindern immer spaßeshalber sagt: „Hey, wir sind die Renngruppe!“ Das hat sich herumgesprochen und diesen Vater scheinbar nervös gemacht (lacht).

 

Wie groß ist der Ehrgeiz bei den Rennen am Ende des Schikurses? Elisabeth: Da herrscht eine große Konkurrenz, bei den Erwachsenenrennen und genauso bei den Kindern.

Den meisten Eltern ist es sehr wichtig, dass es einen Trainingslauf für ihr Kind gibt. Das ist bei vielen Gruppen mit insgesamt 300 Kindern ein zeitliches Problem. Beim Rennen selber braucht es eine Zeitmessung wie bei einem Weltcuprennen, auf die Hundertstel genau.

 

 

Petra: In einer Schischule in der ich früher gearbeitet habe, war es so: Wenn die Kinder keine Pokale gewinnen, dann kaufen viele Eltern die Pokale im Shop der Schischule.

 

 

Elisabeth: Deswegen bekommt bei uns jedes Kind eine Medaille, das beruhigt die Gemüter ein wenig. Wir hatten auch schon mal einen Vater, der wollte bei den Hundertsteln ein bisschen schummeln, damit das größere Kind und nicht das kleinere gewinnt. Es gibt bei den Gästerennen eigentlich nichts, dass es nicht gibt.

 

 

Macht sich der Ehrgeiz bemerkbar? Sprich: Fahren die Kinder heutzutage besser als früher? Petra: Nein. Die Kinder von heute haben oft kein gutes Körpergefühl, bei einigen merkt man, dass sie unterm Jahr nicht viel Bewegung haben.

 

 

Wie sehr sind die Ansprüche an eine Schischule gewachsen? Elisabeth: Die Ansprüche sind enorm gewachsen. Unser Aufwand ist viel größer geworden. Wir haben vier Arbeiter, die jeden Morgen unser Kinderland aufbauen. Kinderanimation wird von den Gästen inzwischen schon fast vorausgesetzt. Jeden Tag tritt unser Maskottchen auf: Lieder singen, Spiel und Spaß muss sein. Es ist auch schon passiert, dass Eltern bei uns im Büro stehen und fragen: „Wo bleibt denn heute das Maskottchen?“

 

 

Was hat sich sonst noch für die Schilehrerinnen in den letzten Jahren geändert? Petra: Das Trinkgeld ist gesunken und die Gäste sind internationaler geworden.

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Petra

ist 36 Jahre alt und wohnt in Absam. Sie ist seit acht Jahren als Schilehrerin tätig und war in dieser Zeit in Seefeld, Achenkirch und am Stubaier Gletscher beschäftigt. Zurzeit arbeitet sie als Privatlehrerin bei „snowsport Igls“ am Patscherkofel. Im Sommer ist sie als Berg- und Wanderführerin unterwegs, außerdem ist sie Fitnesstrainerin und Nordic-Walking-Trainerin. Ihr erster Beruf nach der Sporthauptschule war landwirtschaftliche Facharbeiterin.