„Ich erwarte mir beim Thema Wohnen langsam wirklich, dass die Wirtschaftsvertreter mich bei diesem Kurs unterstützen.“
Herr Bürgermeister, wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit in der Koalition? Georg Willi: Ich bin im Kern sehr zufrieden mit der Arbeit in der Koalition. Ich weiß natürlich, dass der eine oder andere Koalitionspartner auch mal ein Problem hat und sagt: „Seht bitte ein, dass ich hier eine Initiative setzen muss oder gegen diesen Antrag stimme.“ Ich sehe das in der Zwischenzeit entspannter als am Beginn. Und ich finde, dass wir immer besser verstehen, wie der andere tickt. Ich komme aus dem grünen Kulturraum, und der ist für jemanden aus dem schwarzen oder roten Kulturraum halt auch gewöhnungsbedürftig. Daher braucht es hier eine Anpassungszeit.
Wie sieht dieser grüne Kulturraum aus? Wo ist er, wie Sie sagen, gewöhnungsbedürftig? Ich glaube, es ist gewöhnungsbedürftig, dass ich kein Problem damit habe, meine Position zu ändern, weil bessere Argumente mich überzeugen. Andere haben oft das Gefühl, als wankelmütig oder schwach wahrgenommen zu werden, wenn sie ihren Standpunkt ändern. Wir haben in der Gruppe auch einen Spruch: Wichtig oder wurscht? Also: Lohnt es sich, dafür zu kämpfen, dass ein Entscheidungsprozess exakt so verläuft, wie ich es mir vorstelle? Oder gibt es Dinge, die man „laufen“ lassen kann, weil es relativ wurscht ist, ob man auf diesem oder einem etwas anderen Weg zu einer Lösung kommt.
//Ich finde auch, es fällt keinem ein Stein aus der Krone, wenn er sagt: ‚Entschuldigung, ich habe einen Fehler gemacht.‘ Wir brauchen eine neue Fehlerkultur.
War der Sondergemeinderat zu den Vorbehaltsflächen ein Fehler? Es ist nichts rausgekommen, außer eine bürgerliche Mehrheit – mit FI und ÖVP – gegen Sie und die SPÖ. Das war strategisch bewusst so gesetzt und zwar aus folgendem Grund: Wir brauchen, um ein Umdenken in den Köpfen herbeizuführen, eine längere Diskussion über die Frage, wie stark man politisch in den Grundstücksmarkt eingreifen darf. Meine Position ist: Für Leute, die viel Grund und Boden haben, ist es zumutbar, dass sie einen Teil ihrer Flächen zu einem günstigeren Preis hergeben. Es gibt kein Menschenrecht auf den maximalen Grundstückspreis. Wenn ein Grundstücksmarkt so verrückt spielt wie in Innsbruck, müssen wir eingreifen. Ich erwarte mir langsam wirklich, und da werde ich auch langsam bockig, dass mich die Wirtschaftsvertreter bei diesem Kurs unterstützen. Und ich spüre schon ein Umdenken – auch bei den Parteien, die jetzt bei jedem Projekt nach dem Anteil für die Allgemeinheit fragen.
Grüne, SPÖ, Liste Fritz und ALI wollten das Instrument der Vorbehaltsflächen, sind damit aber im Gemeinderat abgeblitzt – FI, ÖVP, FPÖ und Neos waren dagegen.
Causa Mentlvilla: Hier haben Ihnen Teile Ihrer Regierung – FI und ÖVP – mit der FPÖ eine Petition überreicht. Hat Sie das irritiert? Es war jedenfalls ein unfreundlicher Akt. Es war strategisch auch nicht sehr klug. Ich ordne das ein in die Kategorie: Wir müssen alle erst lernen, wie wir gut miteinander umgehen. Zur Sache will ich den Menschen dort sagen: Wir haben die Problemlage erkannt, gebt uns jetzt in der kalten Jahreszeit, wo sich diese Menschen weniger im öffentlichen Raum aufhalten werden, die Zeit, dass wir etwas tun können. Aber mir ist klar, so geht es nicht weiter.
Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zum angedachten Suchtraum? Zum Suchtraum ein klares Ja! Wir müssen, und da bin ich Vizebürgermeister Franz Gruber dankbar für die Klarheit in der Aussage (Gruber hatte den Suchtraum in einer Aussendung als „alternativlos“ bezeichnet, Anm.), solche Räume schaffen. Einerseits aus Respekt vor den kranken Menschen, die einen Ort haben sollen, wo sie unter medizinisch einwandfreien Bedingungen Drogen nehmen können, aber vor allem aus Gründen der Sicherheit, dass das nicht irgendwo im öffentlichen Raum und unter unkontrollierbaren Bedingungen passiert. Alle, die eins und eins zusammenzählen können, vertreten diesen Standpunkt, das wird auch von den Fachleuten unterstützt.
Und das Alkoholverbot? Was das Alkoholverbot betrifft, ist Franz Gruber zum Glück so ehrlich zu sagen, dass wir damit das Problem nur verschieben. Jetzt verschieben wir aber schon die ganze Zeit. Die Alkoholverbote in Innsbruck gelten genau in diesen Räumen, in denen sich Menschen aufhalten. Das ist der Plan von FI, ÖVP und FPÖ – die finden das gut. Aber was tun wir damit? Wir verdrängen die Menschen nur woandershin, und irgendwann haben wir ein Alkoholverbot in der ganzen Stadt – ist das unser Ziel? Es gibt auch Anrainerinnen und Anrainer, die dafür sind, die Verbote wieder aufzuheben, damit es sich besser in der Stadt verteilt.
FI, ÖVP und FPÖ hatten Willi zur Causa Mentlvilla eine Petition überreicht und ihn so zum Handeln aufgefordert.
„Lohnt es sich, dafür zu kämpfen, dass ein Entscheidungsprozess exakt so verläuft, wie ich es mir vorstelle?“
Als Nächstes steht die Erstellung des Budgets an. Wo wird gespart, wo sagen Sie: „Da müssen wir Geld in die Hand nehmen“? Am meisten Geld müssen wir in die Hand nehmen, um das, was im Bildungs- und Sozialbereich notwendig ist, abzudecken. Wir haben uns im Koalitionsabkommen darauf verständigt, dass wir 15 Prozent einsparen – außer im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich. Das haben wir uns am Papier vorgenommen. In einigen Bereichen haben wir aber nun höheren Bedarf, zum Beispiel beim Personal, und das hauptsächlich durch Landesgesetze, die wir einhalten müssen. Das heißt, wir müssen in einigen Bereichen sogar überkompensieren.
Das heisst konkret? In Summe führt das dazu, dass wir im außerordentlichen Haushalt im Plan sind. Da haben wir die Einsparziele erreicht – es wird im kommenden Jahr in Innsbruck weniger investiert.
//Im ordentlichen Haushalt haben wir unser Einsparziel derzeit nicht erreicht, haben uns aber auf folgende Vorgehensweise verständigt: dass, ausgenommen im Personalbereich, überall eine Ausgabendecke von 95 Prozent eingezogen wird. Zum Beispiel: Für einen Budgetposten sind 100.000 Euro vorgesehen, dann dürfen 95.000 in jedem Fall ausgegeben werden, die letzten 5.000 aber nur, wenn es angemeldet und begründet wird. Wenn jeder mit 95 Prozent auskommt, dann schaffen wir auch im ordentlichen Haushalt das Einsparziel. Einen anderen Weg haben wir nicht gefunden bzw. haben wir es bei vielen Positionen nicht geschafft, dass die einzelnen Ressorts punktuell heruntergehen mit dem Budget. Das würde mittlere oder größere Aufstände auslösen.
Bei einer Klausur im Juni hatte sich die Koalition auf Einsparungen von 15 % bzw. 18 Mio. geeinigt.
Bürgermeister Willi glaubt, viele müssten sich noch gewöhnen an die Kultur der Grünen.
„Es wird wertgeschätzt, dass ich in der Stadt sichtbar bin.“
Sie betonen immer, Wohnen sei Chefsache – was tut sich hier? Viele Projekte sind in der Umsetzung oder zumindest in der Wettbewerbsvorbereitung. Das Jahr 2019 wird eher ein Baujahr, 2020 und 2021 gehen dann viele Projekte in die Fertigstellung. Hier sprechen wir von rund 1.000 Wohnungen – das ist dann schon ganz gut. Das sind auch nur die Projekte von gemeinnützigen Wohnbauträgern, dann gibt’s noch die am freien Markt – für eine bestimmte Gruppe, die sich diese leisten kann. Aber auch da sind geförderte und förderungsnahe Wohnungen dabei. Weil auch private Wohnbauträger nur Bebauungspläne bekommen, wenn ein gewisser Prozentteil gefördert ist und die Stadt ein Zuweisungsrecht hat. Aber richtig ist, wir müssen Gas geben.
Und ausserhalb der Politik – wie läuft’s mit den Innsbruckern, wie begegnen Ihnen die Menschen? Sehr freundlich! Es ist toll, wie die Leute mich grüßen. Kritik kommt schon auch, und dann versuche ich, meine Sicht zu erklären, und das gelingt auch ganz gut. Viele wissen auch, dass speziell die finanzielle Lage nach den großen Investitionen keine einfache ist. Aber es wird wertgeschätzt, dass ich sichtbar bin. Das kommt, weil ich mit dem Radl fahre – ganz simpel. Und es wird auch geschätzt, dass ich manche Dinge entspannt angehe. Ein Lieblingstermin von mir sind inzwischen übrigens die Ehejubiläen. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, den Jubelpaaren mit einem Quartett einen musikalischen Gruß zu überbringen. Es ist nichts Besonderes, aber etwas, das Bürgermeister üblicherweise nicht machen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Im Gemeinderat hat Bürgermeister Willi zwar den Vorsitz, auf eine demokratische Mehrheit kann aber auch er nicht immer setzen.