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NOVEMBER 2019

An jedem verdammten Freitag

AAA meets FFF: Anna, Alex und Anna-Lena gehören zum Kernteam der Innsbrucker „Fridays for Future“-Bewegung. Mit 6020 sprechen sie über ihre Ängste, Forderungen und Wünsche und erklären, worauf sie im Kampf gegen den Klimawandel verzichten.

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he Whole Damn System Is Wrong.“ Eh. „There Is No Time Left.“ Jessas. „Let‘s Save Our Planet.“ Guter Plan. Diese und unzählige andere anklagende, apokalyptische und anspornende Botschaften stapeln sich in Form von Plakaten und Transparenten in einem Kellerabteil nahe der Maria-Theresia-Straße. Man könnte es die unterirdische Message-Zentrale der Innsbrucker „Fridays For Future“-Bewegung nennen, die seit 8. Feber 2019 für ihre Ziele auf die Straße geht. Nach den Klimaaktivisten kann man die Uhr stellen: Immer freitags um 5 vor 12 wird – nach dem Vorbild von Greta Thunberg – vor der Annasäule zwei Stunden für eine bessere Klimapolitik gestreikt. Waren es anfänglich gerade einmal 30 Leute, die mobilisiert werden konnten, schlossen sich beim weltweiten Earth Strike Ende September in Innsbruck satte 20.000 Teilnehmer der friedlichen Protestbewegung an – nach Wien die zweitgrößte Teilnehmerzahl.

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Organisiert werden die Innsbrucker Aktionen von einem fünf- bis siebenköpfigen Kernteam, das mit den anderen österreichischen Regionalgruppen vernetzt ist, die allesamt parteiunabhängig und selbstorganisiert sind.

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Der nächste globale Klimastreik ist für den 29. November angesetzt. Und es wird nicht der letzte Marsch durch Innsbruck sein: „Wir streiken, bis ihr handelt“, lautet das Motto der Bewegung. Mit „ihr“ ist die Politik gemeint, von der die Aktivisten unter anderem die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens sowie das Erreichen einer globalen Klimagerechtigkeit fordern.

Mehr dazu auf www.fridaysforfuture.at

„Ich wünsche mir ein gemeinsames, nachhaltiges Leben mit neuen Technologien und zukunftsorientierten Strukturen.“

Anna: 21, Graphikerin

Anna ist seit Stunde eins dabei: Am 8. Feber 2019 war sie eine von jenen 30 Klimaaktivisten, die vor der Annasäule zusammen kamen, um die Zukunft in die Hand zu nehmen. Die „Fridays for Future“-Bewegung gehört seither zum Alltag der 21-jährigen Graphikerin, die offen zugibt, dass sie hin und wieder „Angst hat, traurig und wütend ist“, weil von politischer Seite „so gut wie nichts in Sachen Klimaschutz passiert.“ Bei ihr und ihren Mitstreitern, zu denen nicht nur Schüler und Studenten, sondern auch Arbeiter und Pensionisten zählen, ist hingegen viel passiert: Die Grüppchen-Tage sind gezählt, die Sorge vor den Folgen des Klimawandels lässt mittlerweile die Massen auf die Straße gehen. „Ich bekomme oft von Leuten zu hören, dass sie es voll cool finden, dass sich endlich auch bei uns was rührt“, sagt Anna, die nicht im Traum daran denkt, den freitäglichen Protest ad acta zu legen. „Sonst würden wir ja unseren eigenen Untergang akzeptieren“, sagt die Neovegetarierin, die symbolisch mit ihrer Keramikkuh winkt.

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Vor knapp einem Jahr hat sie Fleisch von ihrem Speiseplan gestrichen: Anfänglich fiel ihr der Verzicht noch schwer, doch der Gedanke daran, dass wegen ihres eigenen Genusses ein Lebewesen sterben muss, hat sie in ihrer Entscheidung bestärkt. Ihren Lebensstil aufzwängen will sie niemandem. Anna: „Das muss jeder für sich entscheiden: Aber sich über seine Ernährung bewusst zu werden, würde sicher keinem schaden.“

„Ich wünsche mir ein faires und ethisches Wirtschaften, DAS nicht nur der Klimakrise, sondern auch globalen Konflikten ent­gegenwirken könnte.“

Alex: 26, Physik-Student

Von politischen „Larifari-Scheinlösungen“ hat Alex die Schnauze voll. „Seit Ewigkeiten passiert nicht das, was passieren müsste“, ärgert sich der 26-jährige Physik-Student. Und zitiert aus einer Studie, die besagt, dass bis zum Jahr 2060 durch den Anstieg des Meeresspiegels bis zu 1,4 Milliarden Menschen obdachlos sein werden. Unserem Planeten steht das Wasser also bis zum Hals. „Deshalb war ich voll froh, als ich von ‚Fridays for Future‘ erfahren habe: Endlich konnte ich damit anfangen, etwas zu tun“, sagt Alex, dem bewusst ist, dass ein paar Protestierende nur wegen des Eventcharakters mitmarschieren. „Aber das stört mich nicht, denn auch sie helfen unserer Bewegung“, ist er überzeugt. Apropos: Mittlerweile gibt’s vermehrt Events, die sich das „For Future“-Etikett umhängen – obwohl sie mit Klimaschutz nichts am Hut haben. Alex: „Was sollen wir machen, außer zu sagen, dass das nichts mit uns zu tun hat?“     

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Mit einer bestimmten Partei will die FFF-Community auch nichts zu tun haben – selbst wenn es schon etliche Versuche der politischen Vereinnahmung gab. Doch es fällt nicht schwer, hier die kalte Schulter zu zeigen. Denn, so Alex: „Keine einzige Partei wird unseren Forderungen auch nur annähernd gerecht.“ Alex‘ Forderung an sich selbst: Auf Einweg-Plastik verzichten und das Konsumverhalten einschränken. Alex: „Ich brauche nicht drei Flachbildfernseher und zwei Handys. Und meine Klamotten trage ich so lange, bis sie auch nicht mehr zum Flicken gehen. Schwer fällt mir das nicht.“

„Ich wünsche mir, dass die Menschen auf­hören, in Grenzen zu denken und stattdessen global und vernetzt handeln.“

Anna-Lena: 23, Jus-Studentin

Eine „Tiroler Greta“ will Anna-Lena nicht sein. „Mir geht es um die Sache – also um den Kampf gegen den Klimawandel“, sagt die 23-jährige Jus-Studentin. Die Strahlkraft von Greta Thunberg, die „die Sache“ ins Rollen gebracht hat, will sie aber nicht in Frage stellen. „Nur hab ich oft das Gefühl, dass sich die Medien gern auf diese eine Person konzentrieren und das eigentliche Thema außer Acht lassen“, gibt Anna-Lena zu bedenken. Wie viele Kilometer sie im Dienste des Klimaschutzes bislang heruntergespult hat, weiß sie nicht. Klar ist für sie aber, dass noch viele weitere folgen werden. Denn erst wenn ein politisches Umdenken einsetzt, will sie damit aufhören, auf die Straße zu gehen. „Die nächsten zehn Jahre sind für unsere Zukunft entscheidend“, meint sie nüchtern.

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Was es dringend bräuchte, sei eine Balance aus politischer Verantwortung und Eigenverantwortung. Blöd bloß, dass die Politik diese Balance bislang konsequent aus der Waage bringt und „uns Menschen alle Pflichten umhängt“. Doch ohne dementsprechende Rahmenbedingungen sei es utopisch, klimafreundlich zu handeln. „Die Politik muss es ermöglichen, dass wir Fair-Trade-Lebensmittel kaufen, zu Biobaumwolle greifen oder aufs Auto verzichten“, sagt die führerscheinlose Öffinutzerin. Dass sie ihren Alltag ohne Auto bestreiten kann, hält sie für ein „Privileg“. Anna-Lena: „Ich wohne mitten in der Stadt, wo der öffentliche Verkehr super funktioniert. Das macht es leicht für mich. Am Land würde das sicher anders ausschauen.“