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NOVEMBER 2019

Die Kostenfrage der Kommunalpolitik

Das Urteil gegen den Salzburger Ex-Bürgermeister Heinz Schaden wirft ebenso wie die Absetzung von Innsbrucks Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer Fragen auf, ob Kommunalpolitiker ihrer finanziellen Verantwortung überhaupt gewachsen sein können – im Dickicht von seriöser Verwaltung und Parteipolitik.

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rei Millionen Euro Schaden sollen dadurch entstanden sein, dass 2007 sechs negativ bewertete Zinstausch-Geschäfte von der Stadt an das Land Salzburg ohne entgeltliche Gegenleistung übertragen worden sind. Ausgemacht hatten sich das Bürgermeister Heinz Schaden und Landesrat Othmar Raus. Sie wurden nun in letzter Instanz unter anderem zu unbedingten Haftstrafen verurteilt.

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Neben den Trümmern seiner politischen Karriere steht Schaden aufgrund von Prozesskosten und Beamtenpensionsverlust vor dem materiellen Ruin. Er war 18 Jahre Bürgermeister. Sein größtes Verdienst ist die finanzielle Konsolidierung der einst hoch verschuldeten Stadt, die heute wirtschaftlich solide wie kaum eine andere dasteht. Das Land Salzburg soll unterdessen 340 Millionen Euro verspekuliert haben. Dieser Ende 2012 aufgeflogene Finanzskandal sorgte für Neuwahlen, durch die nach dem Intermezzo mit Gabi Burgstaller von der SPÖ seit 2013 wieder die ÖVP mit Wilfried Haslauer den Landeshauptmann stellt.

Milliardengräber in Wien und Berlin.

825 Millionen Euro sollte das Wiener Krankenhaus Nord kosten. So war die Planung bei Baubeginn 2012 für eine Fertigstellung 2016. Mittlerweile heißt das Ganze Klinik Floridsdorf, ist erst seit September in Vollbetrieb und hat zumindest 1,3 Milliarden Euro gekostet. Die Ungereimtheiten pflastern vom Zuschlag für den Rohbau bis zum Engagement eines esoterischen Energetikers um fast 100.000 Euro die Errichtung des 800-Betten-Komplexes auf rund 50.000 Quadratmetern, wo 2.500 Mitarbeiter jährlich 250.000 Ambulanzbesuche und beinahe 50.000 stationäre Aufnahmen bewältigen sollen. Die nachträglichen Transparenzversuche reichen vom Untersuchungsausschuss bis zu Anzeigen bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Gesundheitsstadträtinnen Sonja Wehsely und ihre Nachfolgerin Sandra Frauenberger sind vor allem wegen der Fehlentwicklungen beim KH Nord zurückgetreten. Anfang Oktober nahm der Verwaltungsdirektor der Klinik Floridsdorf seinen Hut.

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2,4 Milliarden Euro sollte noch 2008 zum Start der Terminalerrichtung der Flughafen Berlin kosten, dessen Betriebsbeginn für Ende 2011 geplant war. Inzwischen liegen die Schätzungen bei 7,3 Milliarden Euro für den Finanzrahmen und gilt der Herbst 2020 als Zeitfenster für die Eröffnung. Der deutsche CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat aber im Sommer schon Zweifel auch an diesem Termin an­gemeldet. Immerhin gilt die gefühlt ewige Baustelle des Flughafens Berlin Brandenburg „Willi Brandt“ auch als Friedhof politischer und Management-Karrieren. Der SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit ist 2014 nach über 13 Jahren im Amt auch deshalb zurückgetreten. Seine Kritiker warfen ihm als Aufsichtsratsvorsitzendem des Monsterprojekts Mitverantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen vor. Die Hauptangriffspunkte dabei waren, er habe vorhersehbare Probleme ignoriert und das Aufsichtsorgan mit Freunden statt Fachleuten besetzt.

die Ab­setzung von Christine Oppitz-Plörer hingegen ist pure Parteipolitik.

Parteipolitik und Patscherkofelbahn.

Gegen diese gigantischen Summen wirkt der Neubau der Patscherkofelbahn in Innsbruck sowohl in seiner geplanten Dimension von 41 Millionen Euro als auch mit seinen wahrscheinlichen Kosten von fast 70 Millionen Euro geradezu wie Kleingeld. Um Missverständnissen vorzubeugen: Jeder Cent unnötig vergeudete Steuereinnahmen ist einer zu viel. Doch je größer die Verwaltungsebene, desto weniger planbar wirken die Kosten insbesondere von umfangreichen Bauprojekten. Schon dass Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer die Wahl verloren hat, war dennoch auch ein Abschiedsgruß vom Patscherkofel. Ihre Absetzung als Vizebürgermeisterin hingegen ist pure Parteipolitik. Ein Ablenkungsmanöver von der Faustregel Mitgegangen-Mitgefangen samt Spekulation auf die mittelfristige Vernichtung einer Liste, die fast ein Vierteljahrhundert ununterbrochen den Bürgermeister oder die Bürgermeisterin gestellt hat. Kommunalpolitik ist kein Ponyhof.

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Dass diese banale Einsicht insbesondere bei Heinz Schaden zur bitteren Erkenntnis im Herbst eines politischen Lebens wird, schreit aber nach mehr als der Rechtfertigung des höchstrichterlichen Urteils durch Juristen sonder Zahl. Denn diese trockenen Verweise auf die Gesetzeslage lassen den Faktor Mensch zu sehr außer Acht, dem letztlich auch die Justiz zu dienen hat. Das Urteil gegen den ehemaligen Bürgermeister raubt vielen Amtskollegen den Schlaf. Da steht einer vor den Trümmern seines Lebens, der seiner Wirkungsstadt über Jahrzehnte vor allem genutzt hat. Also fordert der Städtebund eine Änderung des Untreue-Paragrafen, wenn politische Entscheidungen zum Wohl der Allgemeinheit zum Ruin der persönlichen Existenz führen können. Der Vorschlag lautet, für Strafbarkeit müsse ein Vorsatz gegeben sein und sich jemand unrechtmäßig bereichern.

Persönliche Haftung und Privatvermögen.

Dennoch bleibt die Frage, wer sich angesichts solcher persönlicher Bedrohungspotenziale künftig noch das Amt eines Bürgermeisters antun will. Um mit einem Fuß im Kriminal zu stehen, wie die landläufige Job Description längst lautet, benötigt es weder komplizierte und hochspekulative Finanzgeschäfte wie in Salzburg (und damals zuhauf in anderen Städten) noch Großprojekte wie einen Flughafen in Berlin, ein Krankenhaus in Wien oder eine Seilbahn in Innsbruck. Der Bürgermeister ist als Tier- und Wegehalter, als Bau- und Veranstaltungsbehörde, als Sicherheitsverantwortlicher und Geschäftsführer ausgelagerter Gesellschaften haftbar – mitunter persönlich und mit dem privaten Vermögen. Diese Funktion braucht bessere Auffangnetze und tauglichere Begleitorgane, damit sie auch künftig von fähigen Personen ausgeübt wird. Und dafür darf weder ein Studium der Rechtswissenschaften noch der Betriebswirtschaft Voraussetzung sein.

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Der legendäre Landeshauptmann Eduard Wallnöfer hatte noch – wohl scherzhaft – gemeint, Tirol könne nur mit einem täglichen Gesetzesbruch regiert werden. Die Toleranz dafür hat sich zum Glück geändert. Um die Herausforderungen und Zwangslagen insbesondere der kommunalen Verwaltung zu beherrschen, müssen sich aber auch die Rahmenbedingungen für die Verantwortlichen ändern.