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MAI 2019

„Auch dein Nachbar fährt sein Bike“

Verena Böhm-Hennes und Dominik Bösch sind Teil von MTB Innsbruck. Seit eineinhalb Jahren gibt der lose Zusammenschluss den Bikern der Stadt ein Gesicht und setzt sich für saubere Trails, rücksichtsvollen Freizeitspaß und den Nachwuchs ein.

Foto: Axel Springer, Stefan Voitl, 2017 MorisLauinger – Got It! (2)
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er Hungerburg-Trail mündet unauffällig in eine Straße in Mühlau. Unauffällig deshalb, weil sein Ende aussieht wie ein Trampelpfad für Wanderer – sauber, relativ eben, „geshaped“, wie Verena Böhm-Hennes erklärt. Sie ist Teil der Gruppe MTBInnsbruck, einer Vereinigung von Mountainbike-Vereinen und Menschen, die ihren Lieblingssport nachhaltiger und sicherer machen wollen. Zusammen mit Dominik Bösch, einem weiteren Gründungsmitglied der Initiative, führt Verena durch die Kurven des bereits auf Vordermann gebrachten Hungerburgtrails.

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Mit Rechen und Schaufeln ausgestattet haben die Mitglieder von MTB Innsbruck Winterschäden ausgebessert, Herbstlaub gekehrt, Steine und Holz ins Dickicht befördert. Ist die Strecke einmal in Schuss, kann die Saison losgehen. „Letztlich braucht man ein Fahrrad und einen Helm“, weiß Verena.

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Die Leidenschaft für den Sport auf zwei Rädern teilt sie mit einer immer größeren Community. Durch MTB Innsbruck bekommen die Biker der Stadt, die sonst individuell oder in Vereinen fahren, ein Gesicht – etwa vor der Gemeinde oder den Anrainern der Strecken. „Wir werden in der Stadt als ‚die Szene‘ wahrgenommen, und nicht mehr als der wilde Haufen“, meint Dominik, der sich seit Jahren in der Szene engagiert. Ob man den Berg rauf, runter oder beides fährt, ist den Initiatoren von MTB Innsbruck egal – Dominik und Verena fahren lieber Trails abwärts ins Tal. 

„Wir werden in der Stadt als‚ die Szene‘ wahrgenommen, und nicht mehr als der wilde Haufen.“

Dominik Bösch, MTBInnsbruck

 

"Zusammen vorwärtsbringen".

Seit der Rad-WM im letzten Jahr sind Touristiker stärker interessiert, Österreich als Bike-Nation darzustellen. Elisabeth Köstinger, die Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, hat vor Kurzem eine Kampagne mit dem Slogan „You like it? Bike it!“ gelauncht. Damit sollen Touristen auf den Mountainbike-Urlaub gebracht werden. Für Verena entspricht das Angebot nicht ganz dem, was Köstinger verspricht. Das Ausleben von „Bike it!“ ist in Österreich nämlich nur „mit Erlaubnis des Waldeigentümers bzw. Forststraßenerhalters gestattet“, wie es auf der Website des Tourismusministeriums heißt. „Wir hätten lieber, dass man mehr Geld ins Produkt steckt als ins Marketing“, denkt Dominik über die Kampagne.Trotzdem ist er froh, dass Mountainbiken damit als Breitensport wahrgenommen wird.

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Das Platzproblem ortet er eher im Osten Österreichs. Durch das „MTB Modell 2.0“, das Waldbesitzern für Mountainbike-Strecken Förderung und Versicherungsschutz garantiert, hat man in Tirol bereits 5.900 km an Mountainbike-Routen und mindestens 300 km an Single-Trails erschlossen. 

„Das Ausleben von ‚Bike it!‘ ist in Österreich nämlich nur mit Erlaubnis des Waldeigentümers bzw. Forststraßen-
erhalters gestattet.“

Verena Böhm-Hennes, MTBInnsbruck

 

 

MTB Innsbruck arbeitet eng und erfolgreich mit der Stadt, dem Tourismusverband, dem Sport- und Forstamt zusammen. Bei den regelmäßigen Treffen gesellen sich oft Experten aus den Einrichtungen dazu, um Fragen zu beantworten. Umgekehrt wird MTB Innsbruck bei den Trail-Errichtungen konsultiert. „Wir schauen, dass wir’s zusammen vorwärtsbringen“, sagt Dominik. 

Nutzungskonflikte.

Extremsport und Ballungszentren sind zwei Dinge, die scheinbar schwer zusammenpassen. Rund um den Trail in Mühlau sind Jogger, Spaziergänger und Leute mit Hunden unterwegs. Damit sich Nutzer des Naherholungsgebietes und Biker nicht zu nahekommen, fährt man am Hungerburg- und Arzleralm-Trail getrennte Wege. Weil es für Behörden und Interessenten nicht einfach ist, neue Trails zu schaffen, ist die Zahl der Strecken rund um die Stadt begrenzt. „Es ist, als ob es nur einen Wanderweg gibt und alles andere für Wanderer gesperrt ist“, denkt Dominik.

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Trotzdem sind die beiden Biker froh, dass das legale Trail-Angebot genutzt wird. Der stadtnahe Arzleralm-Trail wurde seit Beginn der Aufzeichnungen mindestens 84.000 Mal befahren. Verena vertraut auf die Stadt, die gerade um neue Mountainbike-Strecken verhandelt – aber: „Es ist ein langer, schwieriger Weg.“ Dominik freut sich, dass man mit gekennzeichneten Wegen auch Leute, „die das vorher nicht gemacht haben“, in die Natur und auf die Trails bringt. Der Weg vom Nischen- zum Breitensport soll auch ein vermeintliches Hooligan-Image der Biker-Community aus dem Weg räumen. „Auch dein Nachbar fährt sein Bike. Wir sind keine Rowdys“, meint Dominik. 

 

„Wir hätten lieber, dass man mehr Geld ins Produkt steckt als ins Marketing.“

Dominik Bösch, MTBInnsbruck 

Hoch hinaus.

Wie bei fast jedem Sport gibt es auch im Umfeld von MTB Innsbruck den Wettbewerbsgedanken. So ist die Idee, sich als Biker-Community Innsbrucks zusammenzuschließen im Rahmen des Mountainbike-Events Crankworx entstanden, bei dem regelmäßig Sportler der MTB-Innsbruck-Community an den Start gehen. Auch der Tiroler Mountainbike-Nachwuchs (siehe links) ist dank der Arbeit von Vereinen wie „Downhill Verein Tirol“ gut aufgestellt.

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Verena bietet als „Specialized Women’s Ambassador“ Kurse nur für Frauen an, die den eher männerdominierten Sport in Ruhe testen wollen. Mit Events, Info-Veranstaltungen und einem Biker-Ehrenkodex bringt MTB Innsbruck Mountainbiker zusammen und begeistert die Anfänger auf zwei Rädern. In Innsbruck geht es immer mehr Menschen wie Dominik, als er den Weg in den Bikesattel gefunden hat: „Ich habe nach dem Winter die Skier gegen das Fahrrad getauscht, und dann bin ich hängengeblieben.“

Biker von Morgen 

Innsbrucks Nachwuchs im Downhill ist gut aufgestellt. Die Mädchen und Jungs fast aller Altersklassen nehmen mittlerweile an Wettbewerben teil und zeigen, dass Innsbruck tatsächlich Bike City ist. 

 

Hier sind vier Nachwuchs-Sportler, die man sich merken sollte. 

 

Paula Zibasa (18): 

Die ursprünglich aus Lettland stammende Sportlerin ist die große Hoffnung des Downhill Vereins Tirol. Bei Nachwuchsrennen fuhr sie bereits starke Ergebnisse ein (z. B. 2. Platz im World Cup Junioren 2018, 4. Platz 2019). Jetzt will sie als Teil des Erwachsenen-Teams „Sram Young Guns“ durchstarten. 

 

Dominik Windisch (15): 

Dominik ist nicht nur Downhill-, sondern vor allem Trial-Fahrer. Als Teil des „Sick Series“-Teams rund um Mountainbike-Profi Fabio Widmer ist er bei den besten Trick-Fahrern des Landes mit dabei. Auf Instagram hat der Nachwuchs-Fahrer mit seinen Stunts bereits 12.000 Follower.