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MAI 2017

Gib (wieder) Gas

Viele Menschen lieben es, Auto zu fahren. Doch manchen bereitet es enormen Stress. Dagegen kann man etwas tun.

Illustration: Monika Cichoń
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aut Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) leiden schätzungsweise 100.000 Menschen in Österreich an Panikattacken, die mit dem Autofahren einhergehen. Für sie bedeutet Autofahren nicht Freiheit, sondern Furcht. Oft reicht der Gedanke daran, sich hinters Steuer zu setzen aus, um Herzrasen, Händeschwitzen, Zittern und ähnliche Symptome auszulösen. Ein Viertel der Betroffenen hatte einen schweren Verkehrsunfall.

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Barbara Eigenstiller, Geschäftsführerin der Fahrschule Tirox in Innsbruck, hat am eigenen Leib Freud und Leid des Autofahrens kennengelernt. Die Fahrschullehrerin mit 27-jähriger Erfahrung war vor vielen Jahren selbst in einen schweren Unfall verwickelt. Es passierte an einer Stelle, an der bereits zahlreiche Autofahrer verunglückt waren. Ihr selbst war zum Glück nichts geschehen, doch ihr Fahrzeug war stark beschädigt. Drei Monate nach diesem Vorfall musste sie über den Zirler Berg von Seefeld nach Innsbruck fahren. 

Talwärts auf der Seefelder Straße, die für ihr extrem starkes Gefälle bekannt ist, passierte es: „Ich bin plötzlich heulend im Wagen gesessen“, erinnert sich Eigenstiller zurück. Seither weiß sie, wie es Menschen mit Angstzuständen hinterm Lenkrad geht. 

Die Gründe.

Regelmäßig suchen Führerscheinbesitzer, die sich nicht mehr zu fahren trauen, die Innsbrucker Fahrschule auf. Nicht immer steckt ein tatsächlicher Unfall hinter der Fahrangst und nur selten leiden die Betroffenen unter heftigen Panikattacken. „Den meisten fehlt das Vertrauen darin, mit dem Autofahren klarzukommen. Es bestehen Unsicherheiten, die die Verkehrsregeln, Gefahreneinschätzung und das Auto selbst betreffen“, erzählt Eigenstiller.

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Mal sind es Studenten, die vom Land in die Stadt ziehen und plötzlich mit dem Verkehr überfordert sind. Mal sind es junge Lenker, die nach der Führerscheinprüfung kaum gefahren sind, weil sie entweder nicht mussten oder einfach keine Gelegenheit dazu hatten.

Barbara Eigenstiller

„Je älter und erfahrener man wird, desto mehr ist man sich der Gefahren, die es auf der Straße gibt, bewusst.“

Barbara Eigenstiller

 

Viele Frauen sagen sich: ‚Bevor ich mir diesen Stress im Auto antue, lasse ich ihn fahren’.“ Es kommt zum Vermeidungsverhalten und die Routine, die erforderlich ist, um entspannt fahren zu können, kommt nie auf. 

Neustart.

Meistens geben Wiedereinsteiger, die noch ein paar Stunden nehmen wollen, ein bestimmtes Problem an, zum Beispiel Angst vor Geschwindigkeit. Während der Fahrstunde würde sich jedoch in den meisten Fällen herausstellen, dass es bereits an den Basics fehlt.

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Um diese wieder zu erlernen und Selbstvertrauen zu gewinnen, ist es wichtig, dass die Chemie zwischen Fahrlehrern und -schülern stimmt. Das gilt umso mehr für ängstliche Fahrer oder Lenker mit negativen Erfahrungen. „Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Ruhe und eine entspannte Atmosphäre im Auto herrschen, damit gar nicht erst Panik aufkommt“, sagt Eigenstiller. Den Betroffenen soll vermittelt werden, dass sie Fehler machen dürfen, ihnen dabei aber nichts passiert, und dass sie sich nicht schämen müssen, weil es viele Personen gibt, denen es ähnlich geht. Die Expertin rät, sich bei der Wahl der Fahrschule ausreichend Zeit zu nehmen und nicht zu zögern, nach einem anderen Lehrer zu fragen.

Je älter, desto schwieriger.

Wie viele Fahrstunden es braucht, um wieder Sicherheit beim Autofahren zu gewinnen, ist sehr individuell. Manchmal sind es nur zwei, drei Stunden, Eigenstiller hat jedoch auch schon einen Fall erlebt, der 40 Stunden benötigte. „Es war eine ältere Dame, die in ihrer Pension eine neue Herausforderung suchte. Mit der Zeit fand sie immer mehr Gefallen an den Fahrstunden. Irgendwann wurde das Üben mit dem Lehrer ein Hobby für sie“, erzählt Eigenstiller lachend.

„Viele Frauen sagen sich: ,Bevor ich mir diesen Stress mit Auto antue, lass ich ihn fahren'.“

Tipps für Wiedereinsteiger

 

Für Führerscheininhaber mit Fahrangst haben der KFV und die Fahrschule Tirox folgende Tipps:

 

Perfektionsstunden nehmen, um die Fahrtechnik und Verkehrsregeln aufzufrischen.

 

Einzelstunden Doppelstunden vorziehen – nach einer halben Stunde lässt anfangs die Konzentration nach.

 

Bei Bedarf Fahrsicherheitstrainings nehmen.

 

Mit einer Vertrauensperson regelmäßig üben – zunächst auf verkehrsberuhigten Straßen und mit zunehmender Praxis auch auf anspruchsvolleren Strecken.

 

Sich bewusst sein, dass man selbst viel zur eigenen Sicherheit beitragen kann. Nach dem Motto: Man muss nicht überholen oder schnell fahren, wenn man nicht möchte.

 

Wenn man plötzlich Unruhe bemerkt, tief einatmen. Wird es nicht besser, an die Seite fahren und eine Pause machen.

 

Mit anderen über die Fahrangst sprechen – es gibt viele Leidensgenossen.

 

Bei heftigen Panikattacken professionelle Hilfe aufsuchen.

 

Auch wenn es einfacher klingt, als es ist: Versuchen, cool zu bleiben.