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MAI 2017

FOLLOW THE FLOW

Seine Neugierde und die Sehnsucht nach außergewöhnlichen Erfahrungen bringen Harald Philipp an die schönsten Ziele nah und fern. Immer mit dabei: sein Mountainbike. Bei der Alpinmesse Innsbruck erzählt er am 20. Mai über den Flow.

Interview: Asia Kornacki
Fotos: Stefan Voitl (2), Manfred Stromberg

„Ist man zu kämpferisch oder verbissen, kommt man nicht in den Flow.“

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Was bedeutet für dich der Begriff „Flow“? Harald Philipp: Im Grunde ist es nichts Mountainbike-Spezifisches. Der reinste Flow ist mit dem Moment zu vergleichen, wenn das Kind im Sandkasten oder mit seinen Lego-Steinen spielt. Der Augenblick, wenn man völlig drin ist in seiner Tätigkeit und der Sandkasten oder die Legos zum Universum werden. Ich erreiche diesen Zustand auf dem Fahrrad. Für mich bedeutet es, eins zu werden mit meinem Bike und dem Weg, den ich befahre.

 

Erreichst du diesen Zustand nur beim Biken? Nein, dieses Gefühl kommt in vielen verschiedenen Situationen vor. Ich denke, wenn man eine gewisse Virtuosität in etwas entwickelt, kann man diesen Zustand besser herbeiführen und auch länger darin verweilen. Es braucht eine Herausforderung, die genau zu den eigenen Fähigkeiten passt. Ist man zu kämpferisch oder verbissen, kommt man nicht in den Flow. Es braucht außerdem eine gewisse Komplexität. In den wirklich intensiven Flow komme ich hauptsächlich bei den Abfahrten. Es ist komplex und ich bin fokussiert. Bergauf ist es nicht kompliziert genug.

 

Du hast auch deine Vortragsreihe „FLOW“ genannt. Ist dieser Zustand in gewissem Sinne auch eine Lebenseinstellung? Die Ursprungsidee für die Vortragsreihe war die Frage, warum das Mountainbiken eigentlich so lässig ist und eine so coole Sportart ist. Auf der Suche nach der richtigen Antwort bin ich auf das Flow-Phänomen gestoßen. Das ist die Essenz. Das Mountainbiken macht mir so viel Spaß, weil ich darin den Flow erlebe. Zusammen mit einem Wissenschaftler habe ich untersucht, was „Flow“ in den verschiedensten Fachbereichen eigentlich bedeutet. Dabei habe ich so vieles entdeckt, das über das Radfahren hinausgeht, und dabei für mich herausgefunden, wie ich teilweise bei ganz alltäglichen Dingen den Flow erreichen kann.

 

Wie können andere diesen Zustand erreichen? Ein wesentliches Element ist die Muse. Sich die Zeit zu nehmen und sich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren, das ist wichtig. Die Fähigkeiten sind dabei gar nicht so entscheidend, vielmehr eine gewisse Stressfreiheit. Also, Störfaktoren auszuschalten, die eigenen Erwartungen niedrig zu halten und einfach mal Dinge auf mich wirken zu lassen. Allerdings gibt es für den Flow keine Standardformel. Es ist wie eine Meditation. Die kannst du auch nicht erzwingen. 

 

„Ich habe Höhen­angst und empfinde sie viel stärker beim Gehen als beim Radfahren.“

 

Deine Projekte sind außergewöhnlich und es geht dabei nicht um Rekorde oder Superlative. Was reizt dich an deinen Projekten am meisten? Für mich geht es um Kreativität und zunehmend auch um den künstlerischen Anspruch. Das ist vielleicht frech zu sagen, dieser Weg auf dem Berg ist eigentlich nicht für Fahrräder gedacht, aber ich möchte ihn befahren. Es ist eine Interpretation. Das Ganze dann in einem Projekt umzusetzen und es in einer Geschichte oder einem Film zum Ausdruck zu bringen, finde ich besonders spannend.

 

Welches deiner Projekte hat am meisten Eindruck hinterlassen? Das beste Projekt ist das, was ich noch nicht gemacht habe.

 

Du sagst, dir gelingt es, Angst auf Distanz zu bringen. Wie schaffst du das? Ich habe Höhenangst und empfinde sie viel stärker beim Gehen als beim Radfahren. Das liegt vor allem daran, dass ich beim Gehen einen recht breiten Fokus habe und stets in den Abgrund hinunterschaue. Dieser saugt mir das ganze Selbstbewusstsein weg. Beim Radfahren ist es grundsätzlich anders, weil ich mit der Zeit und Tausenden Stunden auf dem Bike mir angewöhnt habe, immer optimistisch zu schauen, also nicht in den Abgrund hinunter.

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Ich blicke auf die mögliche Lösung des Problems und wenn ich es zunehmend löse, wird es weniger beängstigend. Wenn man es schafft, sich von der Angst zu befreien und sie auf Distanz zu bringen, ist es ein tolles Erlebnis. Dazu gehört meiner Meinung nach auch eine Mischung aus Frechheit und Demut. Frechheit zu sagen, hey, das traue ich mich jetzt, und Demut, wenn es zu dem Punkt kommt, wo man akzeptieren muss, dass es eine Grenze gibt. Es ist ein Prozess. Ein Hin und Zurück und in der Mitte davon liegt der Flow.

Was genau reizt dich am Risiko? Genau dieser Prozess. Der Reiz des Risikos ist der Zugewinn an Freiheit. Das Risiko musst du eingehen, und wenn du es schaffst, die Angst auf Distanz zu halten, gewinnst du Freiheit. 

 

Wie viele Bikes besitzt du? Eins.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

„FLOW“

Am Samstag, 20. Mai um 19 Uhr spricht Harald Philipp auf der Alpinmesse Innsbruck über seine Flow-Erlebnisse.

 

Tickets gibt‘s auf sommer.alpinmesse.info

 

Alpinmesse Sommer

20.–21. Mai, Innsbruck, Messe, 9 Uhr

 

Heuer findet – zusätzlich zum traditionellen Termin Ende Oktober – erstmals eine Alpinmesse mit Schwerpunkt Sommer statt. Bei dieser Alpinmesse stehen vor allem die Themen Bergsport, Klettern, Mountainbiken und Reisen im Mittelpunkt. Knapp 70 Aussteller sind vor Ort und zeigen neue Produkte und Innovationen, außerdem wird in den Vorträgen und Workshops sowie beim Alpinforum jede Menge Fachwissen vermittelt. 

 

Weitere Infos und das detaillierte Programm gibt es auf: www.alpinmesse.info