on den Vorsorgeuntersuchungen und medizinischen Überwachungsinstrumenten über Geburtsvorbereitungskurse und pränatale Screenings bis hin zum möglichen (Wunsch-)Kaiserschnitt in der Klinik stehen einer schwangeren Frau heutzutage als Wahlmöglichkeiten zur Verfügung. Die Schwangerschaft wird von einem Gynäkologen betreut – seit der Einführung des Mutter-Kind-Passes im Jahr 1974 hat man die Schwangerschaft an die ärztliche Betreuung gebunden. Und das Baby kommt in den meisten Fällen in einer Klinik oder Hebammenpraxis auf die Welt. Was heute so alltäglich erscheint, war nicht immer so.
Geburt war reine Frauendomäne.
Im Gegensatz zu heute waren Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett über viele Jahrhunderte eine reine Frauendomäne. Bei den Hausgeburten waren neben der Hebamme meistens noch die weiblichen Familienangehörigen anwesend. Der Beruf der Hebamme gilt als ältester Frauenberuf und war hoch geschätzt. „Die Hebammen in den Tiroler Dörfern waren sehr angesehen und etabliert. Es gab den Pfarrer, den Bürgermeister, den Dorfarzt und die Hebamme. Das geht zum Teil aus der Literatur hervor, die es in Tirol von den Hebammen gibt“, erzählt die Hebamme Kathrin Schwarzenberger.
//Die Hebamme war nicht nur Geburtshelferin, sondern auch die erste Ansprechperson, wenn es um Themen wie Ehe, Verhütung, Schwangerwerden oder Kindererziehung ging. Die Ärzte kamen erst Jahrzehnte später zur Geburt hinzu. „Erst im Zuge der Professionalisierung der Ärzte wurde die Geburtshilfe und Gynäkologie als ein Fachbereich der Medizin etabliert und als ein Betätigungsfeld für Mediziner entdeckt. Diese Verdrängung am medizinischen Markt erfolgte nicht plötzlich, sondern war ein schleichender Prozess, der vor allem von der Politik gefördert und gelenkt wurde“, erklärt die Historikerin Marina Hilber.
ZUR PERSON
Kathrin Schwarzenberger wurde 1979 in Innsbruck geboren. Sie diplomierte 2002 an der Hebammenakademie Innsbruck und ist seit 2006 auch als freiberufliche Hebamme tätig. Im Feber 2013 eröffnete sie gemeinsam mit drei weiteren Hebammen die Hebammenpraxis in Innsbruck. Kathrin Schwarzenberger ist verheiratet und hat vier Kinder.
„Im Laufe der Zeit hat sich der Gedanke in den Köpfen der Menschen manifestiert, dass Krankenhaus ‚sicher‘ bedeutet.“
Kathrin Schwarzenberger
Von der Hausgeburt in die Klinik.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in ganz Europa sogenannte Gebärhäuser oder Gebäranstalten – im deutschsprachigen Raum auch als Accouchierhäuser bekannt – eingerichtet. „Einerseits sollten darin in erster Linie bedürftige, ledige Frauen einen sicheren Zufluchtsort für die Zeit der Entbindung erhalten. Dies war nicht nur als sozialer Dienst an den Frauen zu verstehen, sondern man wollte dadurch Abtreibungen oder dem Kindsmord durch die Mutter vorbeugen. Andererseits fungierten die Gebärhäuser auch als praktische Ausbildungsstätten für Hebammen, später für Wundärzte und Mediziner“, erklärt Marina Hilber.
//Die erste Gebär- und Findelanstalt wurde 1833 in Alle Laste bei Trient eröffnet. Bis 1869 war sie die Hauptgebäranstalt für Tirol. Erst 1869 wurde die Gebäranstalt in die Landeshauptstadt übersiedelt und war im Stadtspital am Ende der heutigen Maria-Theresien-Straße untergebracht. Für die ledigen Frauen war die Situation einer Schwangerschaft meist prekär. Die soziale Stigmatisierung, der eine Frau mit einem unehelichen Kind im Bauch ausgesetzt war, war im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts immens groß. „So wie in anderen Gebärhäusern machten auch in Innsbruck die Dienstmägde den Hauptanteil der Klientel aus. Sie verloren meist mit Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft ihre Anstellung und die Schande der unehelichen Schwangerschaft verhinderte oft auch ihre Rückkehr in die Familie“, so die Historikerin.
Demgegenüber standen verheiratete Frauen, die ihre Kinder traditionell zuhause zur Welt brachten. In ländlichen Gegenden war die Hausgeburt sogar bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gang und gäbe. Erst um 1900 verlagerten sich die Entbindungen vom Zuhause in die Krankenhäuser. „Für die verheirateten Innsbrucker Frauen, die in dieser Zeit ins Gebärhaus kamen, standen vor allem die beengten und teils unhygienischen Wohnverhältnisse, der fehlende Familienanschluss sowie die Tatsache, dass man für den Fall einer Komplikation ein Team aus Experten greifbar hatte, im Vordergrund“, weiß Hilber. In gewisser Weise wurde aber auch Panikmache hinsichtlich der möglichen Komplikationen betrieben. „Im Laufe der Zeit hat sich der Gedanke in den Köpfen der Menschen manifestiert, dass Krankenhaus ‚sicher’ bedeutet. Heute wissen wir, dass Krankenhäuser und Kliniken nicht immer sicher sind, vor allem wenn man sich die Situation der Keimbelastung ansieht“, so Schwarzenberger.
Rückbesinnung auf Traditionen.
Zur Zeit der Verlagerung der Geburten in die Krankenhäuser ändert sich der Hebammenstand. Sie waren im Krankenhaus unter dem Einfluss der Ärzte und arbeiteten unter deren Anweisung. „Extrem wurde es vor allem in den 1970er Jahren, da sich die Geburtshilfe in Europa eher zu einer Geburtsmedizin verwandelte. Es gab eine hohe Rate an Interventionen die Geburt betreffend – die schlechteste Zeit für Hebammen. Die Medizin meinte, alles kontrollieren zu müssen, und die Frauen waren dem ausgeliefert. Geburt wurde als etwas Krankhaftes gesehen und daher war die Anwesenheit eines Arztes unabdingbar“, schildert die Hebamme Schwarzenberger.
In den 1970er Jahren war die Aufenthaltsdauer einer Frau nach der Geburt im Krankenhaus eine Woche. Mutter und Kind waren ganz strikt räumlich voneinander getrennt und das Kind wurde nur alle vier Stunden zum Stillen zur Mutter gebracht. „Das hat sich wieder gewendet“, sagt Schwarzenberger. Frauen wollen heute selbst entscheiden und über ihren Körper bestimmen.
//Der Trend geht in die Richtung, die Geburt wieder als etwas Natürliches und Normales zu sehen. „Was ich an der gesamten Sache sehr skurril finde, ist die Tatsache, dass die meisten Geburtshelfer heute Männer sind. Es gibt sehr viele Männer in der Profession des Gynäkologen, aber in Österreich keine einzige männliche Hebamme. In der Stadt Innsbruck ist es bezeichnenderweise so, dass bei den Kassenverträgen bei den niedergelassenen Gynäkologen alle Stellen bis auf eine einzige von Männern besetzt sind“, berichtet Schwarzenberger. „Die amüsanteste Geburtssituation, die ich erlebt habe, war jene, als ein männlicher Arzt kurz vor dem Dammschnitt zur Frau sagte: ‚Ja ich weiß, das spannt jetzt sehr.‘ Da muss man sich als Hebamme mit vier Kindern schon ganz fest auf die Zunge beißen.“
ZUR PERSON
Marina Hilber studierte Geschichte und Anglistik (Lehramt) sowie Volkskunde / Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck und seit 2008 Mitarbeiterin bei diversen sozial- und medizingeschichtlichen Forschungsprojekten an der Universität Innsbruck.
Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Geschichte der Geburts(hilfe), der Geschichte der Gebärhäuser und Geschichte der Hebammenausbildung sowie der Sozialgeschichte des Bergbaus in der Frühen Neuzeit. Derzeit befindet sie sich in Karenz mit ihrem zweiten Kind.