C Wacker steht in grüner Schrift auf dem Gipsfuß, daneben Mama und darunter Doris. Schüler Daniel aus Oberperfuss liegt im hellen Gipszimmer auf der Liege und beobachtet, was passiert. Gipser Karl-Michael Mühlbacher beugt sich im weißen Kittel über ihn und schneidet mit einer oszillierenden Säge den Gips auf. „Da passiert nichts“, beruhigt Karl-Michael. Sobald er mit der mit hoher Drehzahl vibrierenden Säge auf weichen Untergrund wie Haut stößt, merkt er das sofort. „Der Rest ist wie das Gipsen selbst eine Mischung aus Gefühl und Routine.“
Handwerkliches Geschick.
Seit fast drei Jahrzehnten arbeitet der 53-jährige Karl-Michael, der von allen Michl genannt wird, an der Innsbrucker Klinik. Begonnen hat der kräftige, groß gewachsene Völser als Stationsgehilfe. „Als der damalige Chef der Gipsstation eine Gipsallergie bekommen hat, bin ich gefragt worden, ob ich das Team nicht unterstützen möchte.“ Seit 20 Jahren ist der Diplompfleger jetzt selbst Chef und hat die Leitung der Gipsabteilung inne. Das Zählen der Gipsverbände, die er angelegt hat, hat er längst aufgegeben: einfache Verbände aus weißem Mineralgips, bunte Verbände aus Kunststoff, unterschiedlichste Gipsschienen, große Beckenbein-Gipse oder aufklappbare Gipsschalen bzw. Spezialverbände, bei denen Gelenke oder großflächige Wunden ausgespart werden können.
//Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr: Insgesamt zehn Gipser arbeiten in den vier Gipsräumen der Innsbrucker Klinik. „Ausschließlich Männer“, lacht Michl, „warum, keine Ahnung!“ Viele der Gipser hatten zuvor Handwerksberufe. „Wir haben mehrere ehemalige Mechaniker hier, einen Spengler, einen Installateur und auch einen Bäcker.“ Ein guter Gipser braucht handwerkliches Geschick, dazu ordentlich Kraft, um die Patienten hochheben zu können und viel Einfühlungsvermögen. Schmerzen machen dünnhäutig. „Auch ein bissl Schmäh muss sein, wir möchten den Patienten die Angst nehmen.“
„Wir haben mehrere ehemalige Mechaniker hier, einen Spengler, einen Installateur und auch einen Bäcker.“
Fast im Minutentakt.
30.000 Leistungen hat das Gipsteam an der Innsbrucker Klinik 2014 erbracht. „Zu den Leistungen zählt alles, was wir machen. Gipsverbände anlegen, Gipsabnahmen und so weiter.“ Ein „Klassiker“ ist der Unterarmgips. Michl holt einen Zettel und liest nach: „Um die 5.000 Unterarmgipse haben wir letztes Jahr angelegt, mit Kunststoffgipsen waren es über 9.000.“
//Daniels alter Gips ist entfernt, der neue bereits am Trocknen. „Ich hatte in St. Anton einen Skiunfall, den Gips brauche ich noch mehrere Wochen“, meint er gefasst. Früher war bei den Gipsern während der Wintermonate deutlich mehr los als im Sommer, inzwischen ist das nicht mehr so. „Auch im Sommer gibt’s viele verschiedene Sportarten, bei denen Brüche passieren können, Fußballspielen, Inlineskaten und noch einiges mehr“, erklärt Michl.
Der nächste Patient ist Markus aus Hatting. „Ich bin beim Einkaufen ganz blöd umgeknickt, erzählt er betrübt, „bitte den Gips nicht ganz hinauf bis zum Knie!“, meint er zu Michl. Praktikant Michael darf helfen. In ein Edelstahlbecken mit warmem Wasser taucht er die langen Gipsbinden kurz ein, dann legt er sie rasch in gleichmäßigen runden Bewegungen um den Fuß. Faltenfrei und straff, lautet die Devise. Melanie sieht zu, gemeinsam absolvieren die beiden derzeit die zweijährige Ausbildung zum Medizinischen Fachassistenten. Dazu zählt auch ein mehrwöchiges Gips-Praktikum. Seit kurzem bietet das Ausbildungszentrum West (AZW) auch die Ausbildung zum Gipsassistenten an. Ob Melanie die erste Frau in der Innsbrucker Gipsabteilung wird, weiß sie noch nicht genau. „Mich würde eher der OP-Bereich interessieren.“
//Gipsen ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit. „Knochen heilen ja nicht besonders schnell. Wenn sie aber durch wirklich passgenaue Schienen und Gipsverbände ruhig gehalten werden, fördert das die Genesung. Wenn das Repertoire des Chirurgen erschöpft ist, kann ein guter Gipser noch eine Menge tun, und das sogar ohne Nebenwirkungen“, erklärt Michl und holt den nächsten Patienten rein.
