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AUGUST 2017

Cow in the City

Bauern in Innsbruck erinnern uns an eine Tatsache, die bei den Ablenkungen des Stadtlebens oft in den Hintergrund gerät: Nämlich daran, dass unsere Nahrungsmittel nicht vom Himmel fallen.

Fotos: Axel Springer
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ie tauchen regelmäßig in der warmen Jahreszeit auf und wirken wie Fremdkörper im städtischen Straßenbild: Traktoren, Heuwägen, Mähwerke. Sie sind die auffälligsten Hinweise dafür, dass es sie noch gibt, die Bauern in Innsbruck. Historisch betrachtet waren die meisten ihrer Höfe bereits vor der Stadt da und wurden mit der Zeit vom wachsenden urbanen Raum geschluckt. Mit der Stadt kamen auch neue Herausforderungen auf die Landwirte zu, sodass sich ihre Sorgen heute in gewissen Punkten von jenen ihrer Kollegen am Land unterscheiden.

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Das bestätigt auch der Innsbrucker Gebietsbauernobmann Franz Abenthum, der am Fürstenweg einen Milchviehbetrieb führt: „Ich versuche, meinen Kollegen bei Problemen behilflich zu sein. Das ist am Land genauso, nur, dass die Probleme in der Stadt anders gewichtet sind. Wir haben hier zum Beispiel ständig mit Hundekot in den Feldern zu kämpfen. Wenn unser Vieh diese Exkremente mit dem Futter aufnimmt, drohen schwere gesundheitliche Schäden. Darauf muss leider immer wieder hingewiesen werden, das Problem wird offenbar nicht kleiner.” Abenthum, der in seiner Funktion auch die Arbeit der sieben Ortsbauernobleute in Hötting, Mühlau, Arzl, Amras, Igls, Vill und Wilten koordiniert, versucht, Bewusstseinsarbeit zu leisten und die Anliegen der Stadtbauern nach außen hin zu artikulieren.

„Die Innsbrucker wissen die Qualität unserer Produkte zu schätzen.“

Franz Abenthum

Es werden weniger.

Wie auch sonst überall im Land werden die Bauern in Innsbruck immer weniger. Gab es um das Jahr 2000 herum noch rund 120 Betriebe (davon waren etwa 80 bis 90 Viehhalter), sind es heute nur noch etwa 80 (davon 60 Viehhalter). „Dazu muss man sagen, dass die Viehhaltung, vor allem die Rinderhaltung, die arbeitsintensivste Form der Landwirtschaft ist. Und da fragt sich natürlich die junge Generation, ob sie sich das noch antun will mit dem frühen Aufstehen, der körperlich anstrengenden Arbeit und das quasi ohne Aussicht auf Urlaub”, sagt Franz Abenthum. Er selbst hat Glück, sein Sohn ist bereits in die Fußstapfen des Vaters getreten und wird den Hof weiterführen. „In diesem Punkt unterscheiden sich die Innsbrucker Bauern aber nicht von den Kollegen am Land.

Was wir hier in der Stadt stärker spüren, ist der steigende Freizeitdruck und die damit verbundenen Einflüsse auf unsere Wirtschaftsflächen: Das Gras wird flachgetreten, Menschen picknicken auf unseren Feldern oder lassen ihre Hunde frei über die Äcker laufen”, erzählt Abenthum weiter. Außerdem sei über die Jahre der Flächenbestand stark zurückgegangen. Dazu muss man wissen, dass nur rund ein Viertel aller landwirtschaftlich genutzten Flächen in Innsbruck den aktiven Bauern selbst gehört. „Der Rest besteht aus Pachtflächen. Bei der gegenwärtigen Situation am Immobilienmarkt wägen die Eigentümer dann schon sehr genau zwischen kleinem Pachtzins und verlockenden Verkaufsangeboten ab”, so Abenthum.

Cow in the City

Im Westen: Der Hof von Franz Abenthum liegt am Fürstenweg.

Cow in the City

Gemeinsam: Abenthums Sohn wird den Hof weiterführen.

Sonntagsreden und Flächenfraß.

Im Großen und Ganzen sieht Franz Abenthum die Zukunft der Innsbrucker Landwirte aber weniger optimistisch. „Langfristig gesehen sind der Flächenfraß und die Bodenversiegelung die größten Bedrohungen. In politischen Sonntagsreden wird wohl immer wieder die Wichtigkeit der Bauern in der Stadt betont – und zwar zu Recht. Man denke beispielsweise an den Almbetrieb und seine Bedeutung für den Tourismus, aber auch für Lawinenschutz und Wasserspeicherung. Wenn es dann aber um konkrete Entscheidungen geht, muss man immer wieder feststellen, dass es sich dabei nur um Lippenbekenntnisse handelt”, gibt sich Abenthum ernüchtert.

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Ein konkretes Beispiel sieht er bei den landwirtschaftlichen Flächen zwischen Hötting West und Kranebitten. „Diese wurden von Seiten der Stadt nie als solche in Frage gestellt. Nun, unter dem Druck des stärker werdenden Zuzuges, sollen diese Felder in drei Etappen verbaut werden und die Stadtteile sollen zusammenwachsen. Ich habe diesbezüglich einem der beauftragten Planer die Frage gestellt, warum diese wertvollen Anbauflächen der Bautätigkeit geopfert werden sollen und weshalb man die Stadtteile nicht zum Beispiel auf Höhe der Peerhofsiedlung zusammenschließen könne. Zur Antwort bekam ich, dass man die teure Verlängerung der Straßenbahnlinie 3 nicht verwirklicht habe, um damit Ausflüge zu Erdäpfeläckern zu machen.” Für Abenthum fehlte hier der politische Weitblick, und zwar nicht nur, was den Fortbestand der Bauern in Innsbruck betrifft. Es handle sich schließlich um ein gesamtgesellschaftliches Thema und es könne leicht sein, dass man den besagten Erdäpfeläckern einmal nachtrauert: „Ein durch Betonfundamente versiegelter Boden ist für die Landwirtschaft auf Generationen hinaus verloren. Und unsere Nahrungsmittel fallen nicht einfach von Himmel.”

Landwirtschaft in Innsbruck

Im Innsbrucker Stadtgebiet gibt es derzeit nach Auskunft der Landwirtschaftskammer noch rund 80 landwirtschaftliche Betriebe, etwa 60 davon halten Nutztiere. Am stärksten vertreten sind Rinder und Schafe (jeweils ca. 1.000 Stück) sowie Geflügel (ca. 2.000 Stück). Die gesamte bewirtschaftete Fläche beträgt in etwa 1.300 Hektar, davon sind 700 Hektar Almflächen und 350 Hektar Wiesen.

Franz Abenthum