och ist nichts zu sehen oder riechen vom Brokkoli, den Tomaten, Zwiebeln oder Salatköpfen. Doch der sandige, einst vom Inn überschwemmte Boden soll in nur wenigen Monaten Hobbygärtner mit Frischem beglücken. Der 6.500 Quadratmeter große Acker am Ende des O-Dorfs ist bereits bestellt. In Kürze setzt ein Bauer die Pflanzen und sät die Samen aus. Für Extranährstoffe in der Erde soll Kompost aus einem Tiroler Bio-Champignonbetrieb sorgen. Dann kann das Jäten, Gießen und Ernten losgehen.
//Das Tiroler Gemeinschaftsgartenprojekt ermöglicht es heuer erstmals 90 Städtern, sich als Selbstversorger zu versuchen. „Im Sommer 2015 trifft man sich am Feld anstatt in einer Bar“, zeigt sich Berthold Schwan, Gründer des Gartenprojekts, optimistisch. Das Prinzip hinter der gemeinsam genutzten Anbaufläche ist einfach:
Ein Bauer stellt ein Feld zur Verfügung, bearbeitet es im Herbst und Winter, teilt es – im Falle von Neu-Rum – in 50 Quadratmeter große Parzellen und bepflanzt diese mit verschiedenen Gemüsesorten. Interessierte können sich die fix und fertigen Beete für 150 Euro im Jahr über ein Online-Formular anmieten. Ein Pachtvertrag regelt das Verhältnis zwischen Bauer und Mieter. Anfang Mai erfolgt dann die Übergabe. Von da an kümmern sich die „Nützlinge“ um das Gemüse.
Bewusstsein schärfen.
Die Idee zum Gemeinschaftsgarten schwirrte Berthold Schwan schon länger im Kopf herum. Der 45-Jährige hat jahrelang in der Lebensmittel-Branche gearbeitet und will sich nun im Nachhaltigkeitsbereich neu orientieren. „Ich möchte den Bauern und Konsumenten zeigen, dass es eine Alternative zum Supermarkt gibt“,
sagt Schwan. Er selbst bezeichnet sich zwar nicht als Öko, findet aber, dass „wir es uns ernährungstechnisch zu bequem machen“ und „wir uns bewusst werden sollten, dass wir im Stande sind, uns selbst zu versorgen“.
//Anfangs erwies sich besonders die Standortsuche als schwierig. „Manche Bauern konnten sich nicht wirklich vorstellen, dass plötzlich Leute auf ihren Feldern herumwühlen.“ Neben dem Menschenauflauf löste auch Parkplatzmangel Skepsis aus.
//Über die Tiroler Landwirtschaftskammer, die sich im vergangenen Jahr sofort für das Projekt begeisterte, lernte Schwan den Bauern in Neu-Rum kennen. Offen für Neues, stellte dieser eines seiner Felder bereit. Anbindungstechnisch liegt sein Besitz östlich von Innsbruck ideal: Der Acker ist sowohl mit den Öffis als auch mit dem Rad gut zu erreichen.
„Wenn plötzlich fünf Zucchini zugleich reif sind, ist natürlich Kreativität in der Küche gefragt.“
Berthold Schwan
Wertvolle Bauernschläue.
Gewinnbringend ist das Projekt für alle Beteiligten: Der Bauer verschafft sich mit den Einnahmen ein zweites Standbein. Denn der Gesamterlös der Mieten ist weitaus höher als die herkömmliche Pacht für dieselbe Fläche oder Erträge aus dem Gemüseanbau. „Zudem hat er kein Ernterisiko und kann sein Wissen weitergeben“, erklärt der studierte Betriebswirt. Schwan selbst fungiert als Schnittstelle zwischen Landwirt und Mieter, erhält auch einen Anteil und kümmert sich um die Kommunikation, Koordination und Organisation. Auch der Gärtner selbst genießt selbstverständlich Vorteile: Anders als bei den meisten Gemeinschaftsgärten besitzt er sein eigenes Beet. Karotte und Co. gehören also ihm. Platz für persönliche Wunschsorten ist auch vorhanden.
Arbeitsgeräte gibt es am Feld zum Ausleihen. Die Teller von durchschnittlich zwei bis drei Personen können mit der Ernte günstig gefüllt werden. Der Arbeitsaufwand hält sich mit ein bis zwei Stunden pro Woche in Grenzen. Obendrein isst man regional und saisonal. „Wenn plötzlich fünf Zucchini zugleich reif sind, ist natürlich Kreativität in der Küche gefragt“, meint Schwan, was aber zusätzlich den bewussten Umgang mit Lebensmittel fördere.
//Damit sich das Feld aber nicht alsbald in einen Pflanzenfriedhof verwandelt, bieten Anbau-Profis fachliche Unterstützung an. Über einen Newsletter will Schwan die Gärtner über Betreffe wie „Was tun bei Schneckenplage“ informieren. Eine persönliche Beratung ist ebenso vorgesehen: „Alle zwei Wochen soll es eine Art Sprechstunde geben, bei der der Bauer vor Ort Tipps gibt“, ergänzt Schwan.
Tirol als Modell.
Das Projekt hat bereits großen Anklang gefunden. Die Hälfte der Gartenbeete ist schon vergeben, auch eine Schule in Neu-Rum zeigte Interesse – und immer mehr Bauern möchten ein Feld zur Verfügung stellen. Zudem hat das Projekt „Tiroler Gemeinschaftsgarten“ 2014 beim Tiroler Gründerinnen-Wettbewerb den Sonderpreis für Nachhaltigkeit gewonnen.
//Schwan, der sich derzeit selbst landwirtschaftlich ausbilden lässt, träumt von einem eigenen Feld und Nachahmeffekten im ganzen Land: „Vielleicht gelingt es Tirol ja, sich zur Vorzeigeregion zu entwickeln.“ Ob er bis dahin Auf- oder Gegenwind bekommt, wird sich zeigen. In Neu-Rum liegt jedenfalls schon frühlingshafter Duft frischer Erde in der Luft.
„Wir sollten uns bewusst werden, dass wir im Stande sind, uns selbst zu versorgen.“
Berthold Schwan
Kontakt: www.gemeinschaftsgarten.eu