as alles entscheidende Gespräch zwischen den Eheleuten liegt eineinhalb Jahre zurück. „Ich habe meiner schockierten Ehefrau erklärt, dass sich eigentlich nicht viel ändern wird. Meine Hülle wird sich ändern, aber ich als Mensch bleibe gleich“, erzählt Lisa und schaut nachdenklich in ihren Garten. Die Frage nach einer Trennung stand nie im Raum.
„Offensichtlich bin ich lesbisch“, lacht Lisa, „ob sich an meiner sexuellen Orientierung nach der Geschlechtsumwandlung etwas ändert, kann ich nicht sagen – muss nicht sein.“ Auf dem Gartentisch liegen verschiedene Zettel: psychologische Gutachten, Urkunden, Meldezettel. Seit kurzem ist der neue Name amtlich, Lisa kommt beim Aufzählen noch ein wenig ins Stocken: „Ich heiße jetzt Lisa Julia Laura Sigrid Pedross.“ Warum kam der Wandel zur Frau der transsexuellen Innsbruckerin so spät? „Die Zeit war einfach noch nicht reif. Ich wollte warten, bis meine Frau von ihrer Krebserkrankung vollständig genesen ist.“
//Orange ist momentan ihre Lieblingsfarbe, einkaufen gehen und endlich in Damenkleidung unterwegs zu sein ihr großes Vergnügen. Stolz präsentiert sie ihre neueste „Shopping-Eroberung“: eine orangefarbene Hotpants und ein dazugehöriges Spaghettitop. An heißen Sommertagen hat die 65-Jährige auch kein Problem damit, sich in ihrem Arzler Garten im Bikini zu zeigen.
Im Fremd-Körper.
Nicht nur als Erwachsene, bereits als Kind hat Lisa heimlich Frauenkleider anprobiert, bevorzugt Unterwäsche und Nylonstrümpfe. In der Kindheit war sie am liebsten mit Mädchen unterwegs, zur Verärgerung ihres Vaters im Fasching auch immer als Mädchen verkleidet. Der einsetzende Bartwuchs wurde ihr als Teenager zur Qual: „Ich habe mich oft zweimal am Tag rasiert.“ Im jungen Erwachsenenalter fügte sie sich widerwillig den Wünschen ihres dominanten Vaters: Statt zu studieren, erlernte sie den Beruf des Automechanikers, heiratete und gründete eine Familie. „Meine Töchter sagen immer noch Papa zu mir, das irritiert andere Kunden beim Einkaufen oft sehr.“ An bohrende Blicke hat sich Lisa inzwischen gewöhnt.
„Wenn das Glotzen zu penetrant wird, frage ich denjenigen einfach, ob er ein Foto von mir haben möchte. Das hilft“, lacht Lisa und streicht ihren kurzen Jeansrock zurecht.
Aufbruchstimmung.
Noch im Sommer startet die Hormonbehandlung, die geschlechtsangleichende Operation könnte noch bis Ende des Jahres stattfinden. „Besser heute als morgen“, sagt die 65-Jährige, die kurz vor dem Abschluss ihres Psychologie-Studiums steht. Lisa erzählt, dass derzeit etwa 100 Transsexuelle auf eine Operation in Innsbruck warten. Zum Erfahrungsaustausch besucht Lisa einmal im Monat eine Transgendergruppe der HOSI Tirol (Homosexuellen Initiative Tirol).
//Auch ihre Frau geht seit kurzem mit. Nach ihrer Operation möchte sie eine Selbsthilfegruppe für operierte Transsexuelle gründen. „Ansonsten wird sich nach der OP in meinem Alltag gar nicht so viel ändern, pinkeln im Stehen geht halt nicht mehr.“ Lisa zwinkert und trinkt einen Schluck Eistee.
Das neue Leben.
Die Ehe ist seit dem Wandel zur Frau besser geworden. Nicht nur, weil sich Lisa seit eineinhalb Jahren viel ausgeglichener und entspannter fühlt: „Wir nehmen uns jetzt jeden Tag viel Zeit zum Reden. Wir schauen uns auch sehr gern gemeinsam Damenmode-Kataloge an und überlegen, was mir stehen könnte.“ Bei 1,79 m Körpergröße und Schuhgröße 43 ist die Outfitsuche nicht immer einfach. Vor kurzem hat sich Lisa ein Schuster-Gerät gekauft, mit dem sie zu kleine Schuhe größer machen kann. „Was nicht passt, wird eben passend gemacht.“ Lisa lacht und winkt zum Abschied an ihrem Gartentürchen mit ihren perfekt manikürten, orangefarbenen Fingernägeln.
Transsexualität
Transsexuelle fühlen sich im falschen Körper geboren und streben danach, das biologische Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzugleichen. Transsexualität hat nichts mit Sexualität, sexueller Orientierung oder der Lust am Verkleiden zu tun. Schon als Vorschulkinder empfinden viele Transsexuelle das schwer zu artikulierende Gefühl, dass „etwas nicht mit ihnen stimmt“. Sie fühlen sich dem anderen Geschlecht zugehörig und äußern diese Zugehörigkeit beispielsweise im Spiel, wenn geschlechtsuntypische Rollen und Verhaltensweisen gezeigt werden. Wie viele Transsexuelle es im Vergleich zum Rest der Bevölkerung gibt, ist unklar. Manche Statistiker gehen davon aus, dass auf 30.000 Personen ein Transsexueller kommt, andere gehen von deutlich niedrigeren oder höheren Werten aus. Allerdings scheint festzustehen, dass es circa dreimal so viele Männer gibt, die sich als Frau fühlen, als dies andersherum der Fall ist. Transfrauen bemühen sich häufig zunächst darum, dem klassischen Bild eines Mannes zu entsprechen. Es ist keineswegs selten, dass sie zunächst heiraten und eine Familie gründen, insbesondere dann, wenn ohnehin Frauen als Partner bevorzugt werden. Oft gibt es eine ausgesprochene „männliche“ Berufswahl. Die Ursachen für Transsexualität liegen im Dunkeln. Die meisten Mediziner und Psychologen sehen Transsexualität als Störung der Geschlechtsidentität. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Fötus im Mutterleib durch gegengeschlechtliche Hormone beeinflusst wird, andere sehen Veränderungen der Hirnstruktur als Auslöser. Auch soziale und psychodynamische Faktoren sollen eine Rolle spielen; etwa dann, wenn Eltern lieber ein Kind des anderen Geschlechts gehabt hätten und dies das Kind bewusst oder unbewusst spüren lassen. Hinreichend belegt ist keine dieser Thesen.
Die Wurst
Seit Conchita Wurst „uns den Schas gewonnen hat“, ist die Geschlechterfrage zum vielbeachteten Thema geworden. Travestiekünstler wie der Songcontest-Gewinner Tom Neuwirth schlüpfen auf der Bühne vorzugsweise in weibliche Rollen und leben im Alltag in ihrer Männerrolle. Das Wort Travestie beinhaltet den lateinischen Wortkern „vestire“ (kleiden) und bezeichnet meist einen Mann, der sich temporär als Frau verkleidet, es muss aber keine sexuelle Komponente haben. Tom Neuwirth trägt seit seiner Kindheit gerne Frauenkleidung, ist aber nicht transsexuell.