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AUGUST 2014

Legal oder Egal

Cannabis, Hanf, Marihuana, Dope, Gras: Viele Namen, ein bislang in Österreich verbotenes Rauschmittel. Doch die Stimmen, die Legalisierung fordern, werden lauter – weltweit und seit Neuestem auch in der Tiroler Politik.

E

nde Juni sorgte die Tiroler SPÖ für Aufsehen. Auf ihrem Parteitag stimmte die Mehrheit der „Roten“ für eine Legalisierung von Cannabis. Erwartungsgemäß schlug die Forderung kräftige Wellen auf politischer Ebene. Die Reaktionen der anderen Landtagsparteien fielen gemischt aus. Der Ruf nach einer Entkriminalisierung wird weitgehend unterstützt, mit der Forderung nach Legalisierung steht die SPÖ allerdings eher alleine da.

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Doch egal, wie die Politik es sieht: Cannabiskonsum ist eine Realität in unserer Gesellschaft, wie Ekkehard Madlung-Kratzer erklärt. Dem Leiter der Drogentherapiestation in Hall zufolge zeigt die Statistik, dass rund 30 bis 40 Prozent der Bewohner westlicher Länder zumindest einmal im Leben Kontakt mit dem Rauschmittel hatten. Zu regelmäßigen Konsumenten wird aber nur ein Teil davon – im Schnitt weniger als zehn Prozent der Bevölkerung. Dennoch ist „Gras“ damit die hierzulande am weitesten verbreitete illegale Droge.

Theoretisch entkriminalisiert.

Und genau dort setzen Legalisierungsbefürworter den Hebel an. „Österreichs repressive und

restriktive Drogenpolitik hat auf ganzer Linie versagt“, meint Gerhard Jäger, Suchtberater im Z6 in Innsbruck. Zwar sieht das Suchtmittelgesetz seit 1980 den Grundsatz „Therapie statt Strafe“ vor – der Gesetzestext wird dem aber bis heute nicht gerecht. „Anstatt einer klaren Regelung geht das Gesetz nicht auf den Konsum ein. So ist ‚nur’ Erwerb und Besitz strafbar. Ohne diese ist Konsum aber nicht möglich und Konsumenten machen sich weiter strafbar“, beschreibt er das Dilemma.

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Als Resultat werden in Österreich jährlich rund 18.000 Anzeigen wegen Cannabis erstattet. Und auch wenn ein Großteil davon ohne Verurteilung bleibt, so bringen die strafrechtliche Verfolgung und das Verfahren großen Aufwand für Polizei, Gerichte und Amtsärzte mit sich. All das kostet Zeit und Geld, die anderweitig besser investiert wären, ist sich Jäger sicher. Und auch für „Täter“ können die Folgen dramatisch sein: „Strafrechtliche Verfolgung stigmatisiert Betroffene“, meint Jäger. „Die Konsequenzen einer Anzeige können bis hin zum Führerscheinverlust, Schulausschluss oder Berufsverbot gehen.“ Dadurch laufen besonders Jugendliche Gefahr, dass ihnen die Chance auf eine Zukunft verbaut wird. 

„Ein Verbot trägt nur dazu bei, dass denen Hilfe verwehrt wird, die sie wollen und brauchen.“

Gerhard jäger

Legalisierung ohne Boom.

Dass konsequente Entkriminalisierung funktionieren kann, zeigt sich in Portugal. Dort ist seit 2001 der Besitz von Drogen zum Konsum nicht mehr strafbar. Festgelegte Mindestmengen sorgen dafür, dass nur der gewerbsmäßige Handel strafrechtlich verfolgt wird. Erstaunlicherweise ist dort laut Jäger die Zahl der Konsumenten nicht gestiegen, sondern eher leicht zurückgegangen. Als wirkliches Argument für die Entkriminalisierung sieht er allerdings die Therapiebereitschaft. Diese hat sich in Portugal seit der Gesetzesänderung verdoppelt. „Damit zeigt sich, dass ein Verbot nur dazu beiträgt, dass Hilfe denen verwehrt wird, die sie wollen und brauchen“, erklärt er.

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Auch einen Schritt weiter, bis hin zur kompletten Legalisierung, zu gehen, würde laut den Experten positive Aspekte mit sich bringen. „Wenn Cannabis illegal ist, ist es keine kontrollierte Substanz“, erklärt Madlung-Kratzer. Ohne staatliche Kontrolle ist es deshalb nahezu unmöglich, im Vorhinein zu wissen, wie hoch der Gehalt an psychotropen Substanzen in einem Joint ist. 

„Alleine dadurch steigt die Gefahr einer zu hohen Dosierung und damit die von Psychosen unnötig“, meint der Psychiater.

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Hinzu kommt der Jugendschutz, wie Gerhard Jäger erklärt. „Legalisierung bedeutet keinen offenen Handel im Supermarkt. Vielmehr wären staatlich regulierte Ausgabestellen nötig.“ So könne der Erwerb an Personen ab 18 gewährleistet werden. Und schlussendlich würde auch der Staat profitieren. Alleine im Colorado (USA), wo Cannabis seit diesem Jahr legal erwerbbar ist, wird für 2014 mit zusätzlichen Steuereinahmen von rund 67 Millionen US Dollar (knapp 50 Millionen Euro) gerechnet.

Streitpunkt Suchtgefahr.

Darüber, dass es auch bei Cannabis problematischen Konsum gibt, sind sich die Experten einig. Wie hoch die Suchtgefahr ist, ist jedoch strittig. „Von bedenklichem Konsum sprechen wir, wenn es zu einem Kontrollverlust bei der Einnahme kommt. Das zeigt sich vor allem daran, dass Alltag, soziale Kontakte und nicht zuletzt Ausbildung und Karriere dem Verlangen nach der Substanz untergeordnet werden“, sagt Jäger. Sowohl er als auch Madlung-Kratzer schätzen das Suchtpotenzial von Cannabis niedrig ein. Es bestehe keine oder kaum eine Gefahr von körperlicher Abhängigkeit. Ihrer Meinung nach

„Egal, wie man es dreht und wendet: Es darf nicht ignoriert werden, dass es sich bei Cannabis um ein Suchtmittel handelt.“

Wolfgang Fleischhacker

 

„Verlässlich sind aber nur messbare Zahlen. Besonders dort, wo Cannabis illegal ist, sind Aussagen von Konsumenten nicht verlässlich genug, um die Gefahren objektiv einzuschätzen.“ 

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Zum anderen haben sich Marihuanapflanzen in den letzten Jahrzehnten stark verändert. „Der Gehalt von THC, der aktiven Hauptsubstanz in Cannabis, ist seit den 1960er- und 1970er-Jahren dank neuer Züchtungsmethoden drastisch gestiegen“, erklärt Fleischhacker. „Betrug der Gehalt früher rund drei Prozent, haben aktuelle Proben zehn bis 15 Prozent und manchmal mehr.“ Damit gehen größere gesundheitliche Gefahren und schwerwiegendere Langzeitfolgen einher – besonders für Jugendliche, deren Gehirn sich noch entwickelt.

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Wie andere Suchtmittel führt auch Cannabis zu messbaren Veränderungen im Körper. Am drastischsten davon betroffen sind das Vorderhirn und das limbische System, die unter anderem für planendes Denken, emotionale Wahrnehmung und Gedächtnisbildung verantwortlich sind. Dadurch entstehen Defizite, die die Motivation und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beschreibt Fleischhacker auch ein deutlich höheres Risiko für Menschen, die in ihrer Jugend regelmäßig Cannabis konsumiert haben, im späteren Leben an psychiatrischen Erkrankungen zu leiden. 

 

Vorsicht besser als Nachsicht.

Dem Ruf nach einer Entkriminalisierung von Drogendelikten für Konsumenten schließt sich 

 

 

Ekkehard Madlung-Kratzer

„Weil Cannabis illegal ist, ist es keine kontrollierte Substanz. Dadurch steigt das Risiko einer zu hohen Dosierung mit allen ihren Folgen unnötig.“

Die politische Seite des Hanfblatts – Statements der Tiroler Politik

 

Tiroler SP, Ingo Mayr:

"Ich stehe zu 100% hinter dem am Landesparteitag demokratisch gefassten Beschluss zur Legalisierung von Cannabis. In meiner Arbeit beim AMS habe ich erlebt, dass Menschen, die einmal einen Joint geraucht haben und erwischt wurden, ins kriminelle Eck gestellt werden."

 

Tiroler Grüne, Georg Willi:

"Ich begrüße den Vorstoß der Tiroler SPÖ in Sachen Cannabis. Wir Grüne erwarten uns, dass die heftig geführte Diskussion wenigstens zu einer Entkriminalisierung von Cannabis führt. Die Erfolge dieses Schritts werden den Umgang mit Cannabis weiter entkrampfen."

 

Liste Fritz, Andrea Haselwanter-Schneider und Andreas Brugger:

"Eine Freigabe ohne Begleitmaßnahmen ist für uns problematisch. Schon derzeit verursachen legale Drogen wie Alkohol vielen Menschen in Tirol riesige Probleme. Andererseits lehnen wir es aber auch entschieden ab, dass Cannabis-Konsumenten kriminalisiert werden."

 

Tiroler Volkspartei:

"Für die Tiroler Volkspartei sind Prävention und eine breit vernetzte Sozialarbeit der richtige Weg, generell dem Drogenkonsum entgegenzuwirken. Außerdem ist Cannabis im Großteil Europas verboten. Das heißt, es würde zu einem regelrechten Kiffer-Tourismus in unserem Land kommen."

 

Die Tiroler Freiheitlichen, Markus Abwerzger:

"Die SPÖ hat am Parteitag ja nicht nur die Freigabe von Cannabis, sondern auch die Entkriminalisierung von harten Drogen beschlossen. Jeder, der solche Forderungen vertritt, hat den Bezug zur Realität verloren. Wir sagen klar NEIN, denn es gibt keinen Drogenabhängigen weniger, wenn legalisiert wird, zudem sind die negativen Auswirkungen von Cannabis bekannt, aufgrund des immer höheren THC-Gehaltes."

 

Vorwärts Tirol, Hans Lindenberger:

"Der SP-Vorstoß findet von uns keine Unterstützung, im Gegenteil, wir lehnen ihn entschieden ab. Eine Legalisierung von Cannabis ebnet den Einstieg in eine Szene, die niemand braucht. Die Idee an sich hat Entsetzen in unseren Reihen ausgelöst."