Wir empfehlen
AUGUST 2014

Kinderbetreuung

Ein Kinderspiel

Private und gemeinnützige Vereine füllen in Sachen Kinderbetreuung dort Lücken, wo öffentliche Strukturen versagen. Warum sie, wie auch Eltern, sich dennoch oft in der Rolle des Bitterstellers wieder finden.

Fotos: Privat

 

V

ierzehn kleine Füße trappeln an diesem Freitagvormittag im Juli durch die private Kinderkrippe Max und Moritz. In der Urlaubszeit bleibt die Gruppe meist ein wenig kleiner. Für insgesamt 24 Kinder bietet die Krippe ganzjährig Platz. Sie beschäftigt sechs Mitarbeiterinnen und die Türen öffnen sich bereits um 7 Uhr. Die Krippe ist Mitglied im Dachverband Selbstorganisierter Kinderbetreuung Tirol und arbeitet wie alle Mitgliedervereine selbstständig. Die Warteliste für einen Platz ist lang, erst 2016 können neue Kinder aufgenommen werden. „Mütter rufen uns gegen Ende ihrer Schwangerschaft an, um für ihr Kind zu reservieren“, erzählt Birgit Bader, stellvertretende Obfrau der Kinderkrippe.

// 

Die beiden Betreuerinnen nehmen die sieben Kinder an die Hand und führen sie zu einem Spielplatz nebenan, der zu einer Wohnanlage gehört. „Wir haben hier mit der Frage, ob wir eine Sandkiste mit Sonnensegel bauen dürfen, an viele Türen geklopft. Solche Dinge erfordern oft eine Menge Arbeit, aber dafür können wir sie dann schnell umsetzen“, erzählt Bader und spricht damit einen Vorteil privater Anbieter an: Flexibilität und Vielfalt. Diese betrifft nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das pädagogische Konzept und das Tagesprogramm. In letzterem Fall positionieren sich nicht zuletzt die kleinen Hauptdarsteller des Öfteren als Regisseure. „Bei teils einjährigen Kindern hängt vieles in der Praxis einfach von ihrer Tagesverfassung ab“, bestätigt auch eine der Betreuerinnen.

„Mütter rufen uns gegen Ende ihrer Schwangerschaft an, um für ihr Kind zu reservieren.“

Birgit Bader

Aus der Not gegründet.

Vor 28 Jahren wurde der gemeinnützige Verein „Frauen im Brennpunkt“ gegründet. „Wie so viele andere Organisationen aus der Not heraus. Kinderbetreuungsplätze waren in den 1980ern mehr als nur Mangelware“, blickt Itta Tenschert, Geschäftsführerin des Vereins zurück. Zunächst spezialisierte man sich auf das Konzept der Tagesmütter. Von Beginn an wurden sie über den Verein ausgebildet. Mittlerweile sind sieben Kinderkrippen dazu gekommen, wo Kinder ab 18 Monaten aufgenommen werden. „Die Krippen bestehen meist aus zwei Gruppen. Da die Förderung ab der zweiten Gruppe von 50 auf 30 Prozent heruntergeschraubt wird, können wir uns eine dritte gar nicht leisten“, erklärt sie. Das Argument für dieses System liege darin, dass ab der ersten Gruppe die Infrastruktur bereits vorhanden sei. „Aber unser Personalbedarf verdoppelt sich mit einer zusätzlichen: zwei Betreuerinnen pro Gruppe, so lautet das Gesetz. Und die Personalkosten sind natürlich unser Hauptausgabeposten“, betont Tenschert und ergänzt: „Eine Inflationsanpassung gibt es bei den Förderungen übrigens nicht.“ Aus ihrer Erfahrung

 

weiß sie: Auch wenn Krippen flexibel sind, bleibt die Betreuung durch Tagesmütter am unabhängigsten. Diese Variante ist natürlich auch die teuerste und wird oft von jenen benötigt, die es sich am wenigsten leisten können. „Wir müssen nur auf die Arbeitszeiten in den frauentypischen Berufen schauen, wie im Handel, im Gastgewerbe oder im medizinischen Bereich. Dies sind keine Berufe, in denen frau immer pünktlich um 17 Uhr das Büro verlassen kann“, erklärt Itta Tenschert.

Bitte, Herr Bürgermeister.

Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2004 stehen viele Mütter, oft Alleinerziehende, vor einer speziellen Situation: Das Land übernimmt Förderungen für Tagesmütter, holt sich aber einen Teil von den Gemeinden zurück. Im Gegenzug wurde diesen ein Mitspracherecht bei der Genehmigung eingeräumt. Das bedeutet: Um eine Förderung für eine Tagesmutter zu bekommen, müssen die Eltern bei ihrer Gemeinde um Erlaubnis bitten. „Ich hatte einen Fall einer alleinerziehenden Mutter, die im Textilhandel tätig war und samstags arbeiten musste.

„In manchen Gemeinden hat man verstanden, dass Kinderbetreuung kein isoliertes Frauenthema ist.“

Itta Tenschert

 

Die vorhandene Kinderkrippe hatte am Wochenende geschlossen. Weil der zuständige Bürgermeister dennoch die Plätze seiner Krippe gefüllt wissen wollte, hat er das Ansuchen für eine Tagesmutter abgelehnt“, erzählt Tenschert, nicht ohne hinzuzufügen, dass es auch Vorzeigegemeinden in Tirol gäbe, die viel Unterstützung bieten. „Dort hat man verstanden, dass Kinderbetreuung kein isoliertes Frauenthema ist. Wenn sich junge Familien nicht organisieren können, wandern sie eben ab“, gibt Itta Tenschert zu bedenken.

// 

Nach wie vor bietet die Stadt Innsbruck keine eigene Kinderkrippe an. Diese Lücke füllen private Einrichtungen. Die wiederum sind auf Förderungen der öffentlichen Hand angewiesen und finden sich nicht selten in diesem

Zusammenhang in der Rolle des Bittstellers wieder. „Jedes Jahr aufs Neue müssen wir bangen, ob unsere Subventionen zumindest gleich hoch bleiben wie im Jahr zuvor. Wir sind ein gemeinnütziger Verein und nicht auf Gewinn aus. Wir wollen arbeiten und wir wollen helfen“, sagt Birgit Bader. Was Kinderkrippen anbelangt, glaubt sie: „Jetzt braucht die Stadt keine mehr zu eröffnen. Das kann sie gar nicht leisten. Nicht in einer realistischen Zeitspanne. Besser wäre Bestehendes durch mehr Förderungen auszubauen. So gewinnen beide Seiten. Das ist eine ganz einfache Rechnung.“ In Sachen Kinderbetreuung sei die Politik einfach ein wenig zu langsam, ist sie überzeugt. In manchen Fällen laufe sie sogar der Realität hinterher.

Dachverband

Im Dachverband Selbstorganisierter Kinderbetreuung Tirol sind aktuell 123 Kinderbetreuungseinrichtungen mit 2.335 Kindern und 439 BetreuerInnen organisiert. Der gemeinnützige Verein wurde 1990 gegründet, 1993 zählte der Verein 13 Mitgliedsgruppen, 2013 sind es 92 Träger. www.kinder-betreuung-tirol.at