s war – wieder einmal – ein Sommer der verfrühten Wahlumfragen. Doch ein Trend bleibt historisch sicher bestehen: Weg von der Partei, hin zur Bewegung. Worauf der böse Donald Trump von der Tea Party (noch mit dieser unschicken Kategorisierung) bis zu den Alt-Rights (der irreführenden Alternativ-Rechts-Namenspaarung) ins Weiße Haus segeln konnte und was den guten Emmanuel Macron per La République en Marche (dem neuen Prototyp des nationalen Polit-Start-ups) in den Élysée-Palast befördert hat, soll auch am Ballhausplatz für weitere Veränderungen sorgen. Dort, wo auf der einen Seite erstmals ein grüner Präsident eingezogen ist – offiziell auch als überparteilicher Kandidat.
//Wer am 15. Oktober eine Partei wählen will, für den wird es eng. Statt der alten ÖVP verknappt sich die neue Volkspartei auf ein Team Kurz, und diese Shortlist füllt ihr Namensgeber, „der Sebastian“, schneller mit Namen als durch Inhalte. Was ein Minister kann, vermag der Kanzler schon lang. Christian Kern vereinnahmt zwar auch zur Festspielzeit nicht Jedermann per Du, replizierte aber vorerst, die SPÖ sei schon „seit 128 Jahren eine Bewegung“ – bis zur rhetorischen Kehrtwende samt Retro-Bekenntnis. Die Jungspund-Konkurrenz agiert spezifischer: „Bürgerinnen_Bewegung“ – weder mit linkem Binnen-I noch mit rechtem Schrägstrich gegendert – nennt Matthias Strolz sein Projekt. Im Wahlbündnis für ältere Zielgruppen braucht es dazu allerdings viel Erläuterung: „NEOS – Das Neue Österreich gemeinsam mit Irmgard Griss, Bürgerinnen und Bürger für Freiheit und Verantwortung“.
Prototyp der Namensweglegung.
So viel Worte macht ein wahrer Altspatz nicht. Peter P. tritt als „Liste Pilz“ an, nachdem er verkündet hatte: „Meine Grünen sind eine Altpartei geworden.“ Die Diktion ist von der FPÖ bekannt. Sie verfügt über prototypische Erfahrung mit Namensweglegung.
Wer am 15. Oktober eine Partei wählen will, für den wird es eng.
Nach fast vier Jahrzehnten als „Freiheitliche Partei Österreichs“ wurde sie 1995 auf Wunsch von Jörg Haider zur F-Bewegung. Heute bekennen sich – von den Listen mit Mandatschance – lediglich Sozialdemokraten und Grüne noch ungeniert zur eigenen traditionellen Konstitution und Konstruktion. Es sind jene Gesinnungskonglomerate, die von den sommerlichen Umfragen als herbstliche Verlierer gesehen werden – die Bundeskanzler- und die Bundespräsidentenpartei. Trotz des Beharrens auf ihrer Breite durch Mitglieder, Funktionäre und Mandatare pflegen aber auch sie letztlich die Ein-Personen-Orientierung. Die neue alte Dreiteilung grüner Letztverantwortung hat seit den Wahlplakaten mit Ulrike Lunacek Kommunikationspause.
//Nun ist zwar unklar, ob Kurz oder Pilz den Vogel abschießt, wenn sie ihre ausschließliche politische Herkunft ins Abseits bugsieren – wollen. Denn Parteien bleiben die Mauern der parlamentarischen Demokratie, wie wir sie auf dem Fundament der Gewaltenteilung kennen. Ihre Selbstinfragestellung ist Populismus. Die Verdrossenheit der Bürger gilt nicht Parteien, sondern ihren Fehlentwicklungen, und der jüngste Anstrich „Bewegung“ bewirkt noch keine Verhaltensänderung. Bei Kurz ist „die neue ÖVP“ bloß Ablenkung von jahrzehntelanger Mitverantwortung der alten Volkspartei, bei Pilz die zur Tugend erhobene Not, keine Organisation mehr hinter sich zu haben. Exakt eine solche Struktur gilt aber ungeachtet aller Social-Media-Möglichkeiten immer noch als ausschlaggebend für Wahlerfolge.
Das Tun dahinter heißt paradoxerweise „Mobilisierung“, also die Bewegung der eigenen Leute. Sie sollen laufen und werben – für ihre Partei, für die Bewerber im Wahlkreis, für den Spitzenkandidaten.
Sommerprognosen und Herbstergebnisse.
Diese wahre Bewegung beginnt erst mit Schulstart, denn die Kräfte der Funktionäre und Mitglieder wollen geschont werden. Deshalb sind alle das Sommerloch füllenden Marktforschungen der institutionalisierten Bewegungsmelder Makulatur. 2013 sahen solche Umfragen das Team Stronach doppelt so stark und Neos nicht im Nationalrat. 2008 ergaben die Hitzeerkundungen durchwegs die ÖVP auf Platz 1. 2006 hatte sie in Ferragosto-Prognosen sechs bis acht Prozentpunkte Vorsprung. Im Sommer 2005 verbuchten die deutschen Meinungsforscher für Gerhard Schröder und die SPD sogar 15 bis 20 Prozentpunkte Rückstand, doch Angela Merkel und die CDU siegten bloß mit 35,2 % : 34,2 %.
//Im Herbst kann alles anders sein. Das liegt nicht an allfälliger Unfähigkeit der Fragensteller, sondern einer ständig wachsenden Quote an spätentschlossenen Wählern und – den Bewegungen. Allerdings nicht jenen, die sich so nennen, sondern an Mobilisierung und Demobilisierung. Zu letzterem kann auch allzu große Siegessicherheit führen. Das landläufigste Beispiel dafür lieferten Herwig van Staa und die Tiroler Volkspartei bei der Landtagswahl 2003.
Im Sommer gehandelt auf über 60 Prozent, überschritt im Herbst nur die Wahlbeteiligung knapp diesen Wert, und die VP landete bei 49,9 Prozent.
Von der Abspaltung zur Bewegung zur Partei.
Van Staa steht auch für ein prototypisches kommunales Beispiel der Etikettierung als Bewegung. Ungeachtet aller anders lautenden Selbstdefinitionen war sein 1994 etabliertes „Für Innsbruck“ eine Abspaltung von der städtischen VP. Dass es nach ihm und Hilde Zach mit Christine Oppitz-Plörer bereits seit 23 Jahren den Bürgermeister stellt, liegt aber an der kontinuierlichen Entwicklung eigener Parteistrukturen. Auf regionaler Ebene vollzieht das Bürgerforum Tirol seines ewigen Rivalen Fritz Dinkhauser mit Andrea Haselwanter-Schneider einen solchen Prozess. Die Bewegung als Ego-Projekt ist schon wegen der weiteren Egos langfristig zum Scheitern verurteilt. Nicht von ungefähr nutzt Sebastian Kurz das gesamte engmaschige Netz seines vermeintlich überholten politischen Stalles.
//Abgesehen von der Langwierigkeit ihrer internen Entscheidungsprozesse – oder gerade deswegen – ist die Partei immer noch die wirkungsvollste Form der politischen Organisation. Und wo bleibt dann die Bewegung? Schon 1996, nur ein Jahr nach ihrer Mutation, legten die Freiheitlichen unter dem Motto „Vorwärts in die Vergangenheit“ den Retourgang ein und wurden von der F wieder zur FPÖ.