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OKTOBER 2020

Der Tiefstapler

Wie im falschen Film: Corona-bedingt musste Harald Windisch heuer bis Mitte August auf seinen ersten Drehtag warten. Jetzt pendelt der Innsbrucker Schauspieler, der einst von James Bond eine gewischt bekam, zwischen drei Sets und weiß oft nicht mehr, wo er umgeht.

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erade noch steckte Harald Windisch in der Zillertaler Bergwelt der 1960er-Jahre. Und in einem Bauernjanker. In Adrian Goigingers Kinofilm „Märzengrund“, der auf dem Theaterstück von Felix Mitterer basiert, stand der Innsbrucker als Großbauer, der mit dem Lebensentwurf seines Sohnes Elias wenig anfangen kann, vor der Kamera. Schließlich ist dem Buam seine Freiheit lieber als eine in die Wiege gelegte Karriere. Deshalb tauscht der Eigenbrötler die Zivilisation im Tal gegen die Einsamkeit in den Bergen. Und nimmt den Kauzstempel in Kauf.

„Ich muss aufpassen, dass ich nicht in Bescheidenheit versinke.“

Harald Windisch

Zu nett für diese Welt.

Auch Windisch hat einen Stempel: Er gilt nicht nur als äußerst wandelbar, sondern auch als außergewöhnlich nett. Letzteres Etikett geht ihm allerdings schön langsam auf die Nerven. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht in Bescheidenheit versinke“, sagt er, wäh-
rend er in seinem Lieblingscafé am Franziskanerplatz „sein“ Karohemd für die Fotos zurechtzupft. „Das hab ich extra vom Vater ausgeliehen“, gesteht er. Wie nett! Irgendwie kommt der 54-Jährige aus dieser Nummer nicht mehr raus. Dafür muss er bald raus aus Innsbruck. Das nächste Set ruft.

 

In Bozen dreht Windisch noch bis Ende Oktober den Zweiteiler „Il Pastore“, eine Koproduktion von ZDF und Servus TV. Erzählt wird die Geschichte des Südtiroler Weinbauern Matteo (Tobias Moretti), der eines Tages von seiner Mafiavergangenheit eingeholt wird. Und von Commissario Erlacher, der auf der Winzer-weste nicht nur Wein-, sondern auch Blutflecken vermutet.

 

Für den Part des mürrischen Ermittlers muss Windisch auch seine Italienischkenntnisse ins Spiel bringen, was ihn ob der Wortkargheit seines Alter Egos nicht weiter peinigt. „Non c‘è problema“, meint er pragmatisch, ehe er zum dritten Projekt zappt. Denn parallel zum Südtiroldreh entsteht in Wien gerade die dritte Staffel der ORF-Serie „Walking on Sunshine“, wo der Hüne erneut als schmieriger Lobbyist Karl Czerny-Hohenburg zu sehen ist. Läuft doch wie am Schnürchen, oder?

Die Klappe halten.

Der Schein trügt. Die ersten acht Monate des Jahres war Windisch nämlich zum Nichtstun verdammt. Einen Dreh in München schlug er im Feber noch aus – in der Meinung, dass sein Terminplan ab April eh voll sei. „Doch dann kam Corona: Und alles stand still“, erinnert er sich ans Lockdown-drama, das die Filmbranche bis Juli zum Erliegen brachte.

 

Dabei hatte er als bis dahin äußerst gefragter Mime noch Glück im Unglück. „Ich hatte vom letzten Jahr einen finanziellen Polster und konnte mir die Schmach ersparen, meine Mama um Geld anzupumpen“, erzählt Windisch lachend. Doch zwischendrin verging auch ihm die gute Laune. Schließlich war klar, dass die Drehtage irgendwann nachgeholt werden müssen.

Passt in keine Schublade: Harald Windisch ist froh, dass er nicht ständig dieselben Typen spielen muss. Und will auch weiterhin „mehrfach einsetzbar“ bleiben.

„Ich hatte vom letzten Jahr einen finanziellen Polster und konnte mir die Schmach ersparen, meine Mama um Geld anzupumpen.“

„Die Branche ist da skrupellos: Jetzt drehen alle gleichzeitig, aber wir Schauspieler können uns ja nicht teilen, sondern müssen Aufträge absagen“, so Windisch. Er spricht aus Erfahrung: Die Fortsetzung der BBC-Produktion „Vienna Blood“ ging sich für ihn nicht mehr aus. „Aber umso schöner ist es, dass es nach wie vor Projekte gibt, bei denen ich dabei sein kann“, sagt der Schauspieler, der sich daran gewöhnt hat, mindestens einmal pro Woche auf Corona getestet zu werden. Und Drehpausen nicht nur in der Maske, sondern auch mit der Maske zu verbringen. Das gehört nun eben zum Business, zu dem sich Windisch übrigens nicht immer berufen fühlte.

Kalte Füße.

Als 17-Jähriger begann er mit der Schauspielausbildung am Innsbrucker Kellertheater und arbeitete danach in Wien, ehe ihn Ruth Drexel ans Volkstheater nach München holte. Ein fixes Engagement lehnte er jedoch ab. „Mir ging das alles zu schnell: Die Vorstellung, dass ich von einem Haus zum nächsten wechsle und irgendwann in Berlin lande, hat sich falsch angefühlt. Ich hab kalte Füße bekommen “, erinnert sich Windisch, der in der Folge mehr als zwei Jahre in Tirol als Skilehrer arbeitete. Auf der Piste wünschte er sich dann aber wieder auf die Bühne zurück und klopfte noch einmal bei Drexel an, die ihn mit offenen Armen aufnahm. Aber durch die Pause war alles etwas ins Stocken geraten, auf größere Rollen wartete Windisch eine Zeit lang vergeblich.

 

Ein Knackpunkt in seiner Karriere war die Geburt von Sohn Fedor im Jahr 2004. „Diese neue Verantwortung hat mir auch neue Energie gegeben. Ich habe gelernt, dass Arbeit weitere Arbeit anzieht“, sagt der Vielspieler, der plötzlich das Gefühl hatte, immer mehr Schritte nach vorne zu machen. Und keinen mehr zurück.

„Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.“

Alles richtig gemacht.

In Windischs Augen hat ihn aber auch „der Zufall“ weitergebracht. 2009 sah ihn Theaterlegende Claus Peymann in einer Inszenierung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ am Tiroler Landestheater und holte ihn ans Berliner Ensemble. Viel Wind will Windisch darum aber nicht machen: „Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Und Peymann halt auch.“ Dieser tiefstaplerische „Zufall“ zog bald Hauptrollen nach sich: In Innsbruck gab Windisch den „Othello“, im Theater an der Josefstadt war er in „Kasimir und Karoline“ zu sehen. Mittlerweile ist die Bühne aber nur noch eine Randnotiz: Im Werk X in Wien spielt Windisch zwar seit 2004 in der Bühnenfassung von Fatih Akins Filmdrama „Gegen die Wand“ mit, Zeit für andere Theaterprojekte will er sich vorläufig aber keine nehmen. „Dann wäre ich noch öfter von daheim weg: Das will ich meiner Familie nicht antun.“

„James Bond hat mir eine reingesemmelt: Das war schon sehr nett.“

Berühmt sein ist nicht alles.

Hin und weg war Windisch dafür, als er 2015 einen Miniauftritt im 007-Abenteuer „Spectre“ ergatterte. „James Bond hat mir eine reingesemmelt: Das war schon sehr nett“, denkt er an Daniel Craigs Handschlagqualität zurück. Großes Trara um die kleine Rolle will er aber wieder keines machen. Wobei er es durchaus lässig fand, eine Woche lang am Bond-Set in London Blockbusterluft schnuppern zu können. Ein Schaden für seine Karriere war die Erwähnung im Abspann natürlich auch nicht. Castinganfragen für internationale Serien waren die Folge. Wäre das der nächste Schritt? Ein Engagement in einer weltweit ausgestrahlten Produktion? Und dann der Starstempel?

 

Windisch winkt ab. „Ich würde nicht mit jemandem tauschen wollen, der wirklich bekannt ist. Es kann doch kein Ziel sein, berühmt zu sein“, sagt er bestimmt. Und merkt, dass er schon wieder in die Bescheidenheitsfalle getappt ist, aus der er zu entkommen versucht. „Ich bin schon auch ehrgeizig und freu mich über jede größere Rolle. Nur würde ich dafür nie zur Weißwurstparty nach Going fahren: Dafür bin ich nicht der Typ“, stellt er mit ernster Miene klar. Um dann laut zu lachen. „Als ob die mich einladen würden.“

Steckbrief

Harald Windisch (geb. 1966) lebt mit seiner Freundin und seinen zwei Kindern in Innsbruck. Nach Theater-Engagements in Innsbruck, Telfs, Wien, Bregenz, München und Berlin war er in den letzten Jahren vermehrt in nationalen und internationalen Film- und Fernsehproduktion, wie dem Kinofilm „Der stille Berg“, dem Südtirol-Landkrimi „Endabrechnung“, dem historischen TV-Dreiteiler „Maximilian“, oder dem ZDF-„Ostfrieslandkrimi“ zu sehen. Seit zwei Jahren führt er auch beim kabarettistischen Jahresrückblick von Markus Koschuh Regie.