Die Aufgabe
Mit jeweils 30 Euro soll auf jedem Flohmarkt Folgendes gekauft werden:Ein Bilderrahmen, eine Lampe, eine Vase, ein Buch (oder mehrere) und eine Schallplatte (oder mehrere).
Der Neue
Der Tivoli-Flohmarkt, Stadionstraße 1,
jeden Samstag von 6 bis 12 Uhr, seit 2019
(Ersatz für den Hafen-Flohmarkt)
Auf der Schnapsflasche sind zwei Hochzeitsringe abgebildet, darüber steht: Brigitte und Peter. Ich frage Brigitte, ob es Peter noch gibt. Brigitte muss sehr lachen und flüstert dann etwas verschämt: „Nein.“ Ich kaufe bei ihr für drei Euro einen verschnörkelten Bilderrahmen. Brigitte braucht in ihrem neuen Haus mit ihrem neuen Ehemann mehr Platz, deswegen steht sie am Flohmarkt und verkauft, was sich über die Jahre angesammelt hat.
Ein paar Stände weiter steht Christian aus Kitzbühel, er ist Maler und hilft nebenbei zu entrümpeln und Häuser abzureißen. Über einen Kunden, der heute schon im Morgengrauen da war und ihm, ohne irgendetwas genau anzuschauen, gleich alle Messingsachen abkaufen wollte, hat er sich ein wenig geärgert. „Flohmarkt gehen“ soll doch nur ein nettes Hobby sein, meint er. Ich kaufe bei ihm eine bunte Vase für sechs Euro, die mir ausgesprochen gut gefällt.
Die guten alten Zeiten.
Ich treffe Gabriel und seinen Sohn Karl aus Völs. Gabriel ist 91 Jahre alt und verkauft seit 40 Jahren am Flohmarkt. Gabriels Frau teilt sein Hobby nicht und hat ihn kein einziges Mal am Flohmarkt besucht. „Jetzt ist es zu spät, meine Frau kann nicht mehr richtig gehen“, erzählt mir Gabriel betrübt.
//Früher war vieles besser, meint er. Da gab es Tage, an denen ist er mit 2.000 Schilling Gewinn heimgefahren. Das gibt es jetzt nicht mehr. Gut gefällt ihm, dass auch immer mehr junge Leute am Flohmarkt zu finden sind. „Die Jungen kommen wegen des Nachhaltigkeitsgedankens“, erklärt er und setzt sich wieder auf seinen Klappstuhl. Bei Gabriels Sohn Karl kaufe ich für zwei Euro eine Schallplatte des kürzlich verstorbenen Schlagersängers Karel Gott.
Der Aufsteiger
Der Greif-Flohmarkt, Andechsstraße 85,
jeden Sonntag von 7 bis 13 Uhr, seit 2018
Standbetreiberin Evi aus Telfs erzählt mir, dass sie im Jahr rund 35.000 Kilometer fährt, um Flohmarktsachen abzuholen. Sie sei seit 18 Jahren mit dem „Flohmarktvirus infiziert“. Als ich sie frage, wie sie es platzmäßig schafft, die ganzen Flohmarktsachen unterzubringen, meint Evi lachend, dass sie Gott sei dank keinen Mann habe. Um einen guten Standplatz zu ergattern, war sie heute schon um 4.40 Uhr da. Neben ihr am Stand steht Rosmarie. Die beiden sind aufgrund ihrer Flohmarktleidenschaft schon viele Jahren befreundet und Evi kann und will sich keine andere Flohmarktstand-Nachbarin vorstellen.
Skurrile Ballerina.
Die meisten Flohmarkthändler sind etwas älter, daher sticht mir eine junge Frau ins Auge. Sie heißt Lilly, ist 27 Jahre alt, kommt aus Innsbruck und studiert Religionspädagogik. Sie habe zurzeit eine minimalistische Phase, erklärt Lilly, gebe gerade vieles her und merke, wie ihr das Ruhe und ein gutes Gefühl gibt.
//Bei Rosi aus Aldrans finde ich eine ziemlich skurrile Lampe: eine rosa Ballerina. Mir gefällt der Preis von zwei Euro. Rosi steht seit 15 Jahren am Flohmarkt. „Ich habe 40 Jahre im Gastgewerbe gearbeitet, ich brauche Menschen um mich rum“, erklärt Rosi. Den Greif-Flohmarkt findet sie gut, sie mag die familiäre Atmosphäre. Was sie nicht mag, ist, dass die Tankstelle nebenan für die Benützung der Toilette Geld verlangt, und das obwohl sie einen Kaffee und ein Gebäckstück gekauft hat. Wir sind da nicht willkommen, mutmaßt sie, das Gefühl hätten andere Standbetreiber auch. Ansonsten kann an diesem Sonntagvormittag nichts ihre Laune trüben. Einen Teil ihrer Flohmarkteinkünfte spendet sie an den Tierschutz.
Hafen-Nostalgie.
Am nächsten Stand treffe ich auf das junge Pärchen Manu und Daniel aus Angath. Sie erzählen mir, dass heute schon um 5 Uhr, während alle noch aufgebaut haben, die ersten Interessenten da waren. Ein Käufer habe eine Stirnlampe getragen, um im Morgengrauen genau zu sehen, was die beiden aufbauen. Sie erzählen, dass frühmorgens immer wieder Leute da sind, die den ganzen Platz mit Lampen ausleuchten. „Wonach suchen die denn so gierig“, will ich wissen. „Vor allem Smartphones zu Spottpreisen, am besten geschenkt.“
//Pensionist Johann aus Rietz ist ein Flohmarkt-Urgestein. Der frühere Wirtshausbesitzer verkauft seit 30 Jahren am Flohmarkt. „Warum gerade am relativ neuen Greif-Flohmarkt“, will ich von ihm wissen. Am Cyta-Flohmarkt sei es nicht so familiär, erklärt mir Johann. Er war lange Zeit am Hafen-Flohmarkt Aussteller. Zum Ende des Hafen-Flohmarkts in diesem Sommer hat er sogar ein Fotobuch mit den besten Erinnerungsfotos zusammengestellt. Er zeigt mir das Buch stolz und ich kaufe bei ihm einige 80er-Jahre Schallplatten für elf Euro.
Der Klassiker
der Cyta-Flohmarkt, Cytastraße 1, 6176 Völs,
jeden Sonntag von 6.30 bis 15 Uhr,
seit 2002, seit August 2019 verkleinert: zwischen Lidl und M-Preis
Ich entdecke den Stand von Rene und Marco aus Landeck. Die beiden sind Brüder und finden bei Entrümpelungen immer wieder schöne Flohmarktgegenstände. Fotograf Franz Oss entdeckt am Boden stehend das Bild „Der Kuss“ von Gustav Klimt. Eigentlich geht’s ja nur um den Bilderrahmen, überlege ich zögerlich. Mein Fotograf, Rene und Marco erklären mir, dass das ein wunderschönes Bild sei. Bei so viel romantisch gesinnten Männern willige ich schließlich ein, das Bild samt goldenem Rahmen um 15 Euro zu kaufen.
Kein Hobby, eine Sucht.
Bei Erika aus Tösens entdecke ich eine türkise Vase für zwei Euro. Ob der Flohmarkt ihr großes Hobby sei, frage ich sie. „Der Flohmarkt ist meine Sucht“, erklärt sie lachend. Dass Erika gern am Flohmarkt verkauft, ist in ihrem Heimatort wohlbekannt: „Es kann passieren, dass ich heimkomme, und in meiner Garage stehen plötzlich vier vollgefüllte Schachteln.“
//Den größten Stand am Cyta-Flohmarkt hat Wolfi aus Innsbruck. „15 Meter lang“, erklärt er mir stolz. Sollte es regnen, habe er auch zwei große Zelte. Dennoch findet er es blöd, dass die Cyta-Tiefgarage seit kurzem nicht mehr als Ausstellungsort zur Verfügung steht. „Wenn’s regnet, sind jetzt keine Leute mehr da“, erklärt er verärgert. Wolfi kennt sich bestens aus, er verkauft seit drei Jahrzehnten am Flohmarkt. Er hat eine Entrümpelungsfirma und ist bei Räumungen ständig auf der Suche nach Flohmarktutensilien.
//Ob er bei Entrümpelungen ab und zu auch etwas Wertvolles findet, will ich von ihm wissen. „Die Zeiten echter Schnäppchen sind vorbei. Inzwischen kann sich jeder im Internet über Preise informieren.“ Wolfi hat auch viele Schallplatten an seinem tipptopp geordneten Stand. Bei der Schallplatte „Kuhstallparty“ kann ich nicht nein sagen. Als Freundin klarer Worte gefällt mir, dass der erste Song auf der Platte den Titel „Geh Alte, schau mi net so deppert an“ trägt. Begeistert ob der Kuriosität zeige ich Wolfi mein Fundstück. „Die Platte ist von den Kern-Buam, die sind Legenden aus der Steiermark, haben sich aber aufgelöst“, erklärt Wolfi mit Kennerblick.
Fazit
Flohmarktgehen ist zwar auch weiterhin kein Hobby von mir, aber die herzliche und familiäre Atmosphäre am Flohmarkt wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Am Wochenende nach meinen Flohmarktbesuchen ertappe ich mich frühmorgens bei dem Gedanken, ob wohl alle wieder da sind und schon aufgebaut haben: Evi, Rosi, Johann und wie sie alle heißen. Die 30 Euro haben übrigens bei jedem Flohmarktbesuch gereicht.