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NOVEMBER 2017

Licht und Schatten

Haben die Nationalratswahlen Einfluss auf die Gemeinderatswahlen
in Innsbruck? Hoffentlich, sagen die ÖVP und Franz Xaver Gruber.
Hoffentlich nicht, sagen die Grünen und Georg Willi.

Foto: Fotowerk Aichner, Axel Springer

Auf der Habenseite?

Die ÖVP bzw. die Liste Sebastian Kurz ist der unumstrittene Sieger der Nationalratswahlen. Kann Spitzenkandidat Franz Xaver Gruber den Schwung mitnehmen – und wird er unter schwarzem oder türkisem Banner in die Schlacht ziehen?

 

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ie Liste Sebastian Kurz hat in Tirol bei der Nationalratswahl am 15. Oktober mit 38,43 Prozent das bundesweit beste Ergebnis auf Landesebene erreicht. In Innsbruck konnte man gegenüber 2013 um 6,10 auf 26,26 Prozent zulegen. Kann der Innsbrucker Spitzenkandidat Franz Xaver Gruber, aktuell Stadtrat für Tourismus und Integration, diesen Schwung mitnehmen? Er glaubt, ja. Aber: „Auf diesem guten Ergebnis können wir sicher aufbauen, aber jede Wahlentscheidung ist eigenständig zu betrachten. Wir werden uns daher selbst mit einem klaren Programm um das Vertrauen der Innsbruckerinnen und Innsbrucker bemühen.“

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Und in welcher Farbe wird Gruber diesen Wahlkampf bestreiten – tritt in Innsbruck die ÖVP an oder die Liste Sebastian Kurz? „Türkis steht für den neuen Weg der Volkspartei, den wir gemeinsam mit Sebastian Kurz gehen. Mir geht es aber vor allem um überzeugende Inhalte, nicht um Farben“, sagt der Spitzenkandidat dazu. 

Theoretisch gute Voraussetzungen. 

Bei den letzten Gemeinderatswahlen in Innsbruck 2012 war die ÖVP mit 21,9 Prozent knapp stimmenstärkste Partei vor Für Innsbruck mit 21 Prozent – was sie nicht davor bewahrte, erst einmal die Oppositionsbank drücken zu müssen. Bürgermeisterkandidat Christoph Platzgummer schaffte es gegen Amtsinhaberin Oppitz-Plörer in die Stichwahl und unterlag schließlich mit 44,2 Prozent. Für den aktuellen Spitzenkandidaten Gruber, der 2012 kurzfristig von Platzgummer als Nummer eins abgelöst wurde (nachdem die ersten Plakate mit Grubers Konterfei bereits gedruckt waren), stehen die Vorzeichen heuer – zumindest theoretisch – noch besser. Kann er das Ergebnis von 2012 toppen oder zumindest halten? In diesem Punkt ist Gruber zuversichtlich: „Wir werden alles geben, um wieder stärkste Kraft zu werden. Ich trete als Bürgermeisterkandidat an und sehe eine gute Chance, in die Stichwahl zu kommen.“

Übrigens ...

So dicht wie dieses Mal lagen Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahlen in der jüngsten Geschichte der Zweiten Republik noch nie beieinander. 2013 fanden zwar die Landtagswahlen am 28. April und die Nationalratswahlen am 29. September 2013 statt. Auf Gemeinderatsebene wurde aber bereits ein Jahr zuvor am 15. April  2012 gewählt.

Franz Xaver Gruber

„Ich trete als Bürgermeister­kandidat an und sehe eine gute Chance, in die Stichwahl zu kommen.“

Stadtrat Franz Xaver Gruber

Auf der anderen Seite?

Die eindeutigen Verlierer der Nationalratswahl sind die Grünen. Und Georg Willi, der vor wenigen Monaten noch als aussichtsreicher Herausforderer von Bürgermeisterin Oppitz-Plörer ins Rennen gegangen ist, steht plötzlich vor einer völlig neuen Situation.

 

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ie Grünen sitzen nicht mehr im Nationalrat – 3,8 Prozent sind zu wenig, knapp über 10.000 Stimmen haben am Ende gefehlt. Und jetzt? Wie viel Schaden kann das Desaster auf Bundesebene in der Stadt anrichten? Georg Willi dazu: „Ich weiß es nicht genau. Seit dem 15. Oktober weiß ich zwei Dinge: So etwas wie Stammwähler, auf die man sich verlassen kann, gibt es eigentlich nicht mehr. Abgesehen von einigen Wenigen. Im Kern ist die Wählerschaft sehr flexibel. Und die Lehre daraus ist für mich, dass wir bei jeder Wahl bei null beginnen.“

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Und genau dort – bei null – würden die Grünen gerade beginnen, so Willi. In einer ersten Phase ginge es nun erst einmal ums Zuhören: „Wir wollen ergründen, wieso die Leute uns dieses Mal nicht gewählt haben, damit wir es das nächste Mal besser machen.“ Die bisherigen Wahlkampfkonzepte habe man erst einmal zur Seite geschoben, erzählt Willi: „Wir müssen neu durchstarten.“

Tirol wählt noch vor Innsbruck. 

Die erste Prüfung steht den Grünen aber nicht erst am 22. April 2018 in Innsbruck bevor. Am 25. Feber 2018 wird auf Landesebene gewählt. Hier sitzen die Grünen – mit Ingrid Felipe als Stellvertretende Landeshauptfrau – aktuell gemeinsam mit der ÖVP in der Regierung. Kann sich die Partei bei dieser Wahl rehabilitieren, kann das gut sein – auch für Willi und die Stadt-Grünen. Aber potenziell genauso schädlich, sollte sie hier die nächste Watschen kassieren.

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Ob die Landtagswahlen Fluch oder Segen für ihn sein werden, auch das kann Willi aus heutiger Sicht nicht beantworten: „Ich weiß nur, dass noch niemand seine Stimme bei der Landtags- und auch noch niemand bei der Gemeinderatswahl abgegeben hat. Das heißt: Alle Wählerinnen und Wähler sind noch abzuholen.“ 

Weniger Budget. 

Die Grünen blicken also nach vorne, wollen zuhören, aus Fehlern lernen und es in den kommenden Wahlkämpfen – und die kommen bald – besser machen. Allerdings mit weniger Geld als geplant. Die Bundespartei sitzt nach dem Nationalratswahlkampf auf einem Schuldenberg von rund fünf Millionen Euro, der zum Großteil über die Landes- und Gemeindeebene getilgt werden soll, wie auch Willi bestätigt: „Wir werden sparen, werden das Budget zurückfahren, um solidarisch mit der Bundespartei sein zu können.“ Kompensieren will Willi die fehlenden Euros durch Kreativität.

Und die Bürgermeisterin?

Die Grünen leiden, die Schwarz-Türkisen feiern – und die Bürgermeisterin? Bei der letzten Gemeinderatswahl erreichte ihre Fraktion Für Innsbruck mit 21 Prozent knapp den zweiten Platz, verlor aber 5,8 Prozent­punkte gegenüber 2006. 

 

Allerdings ist ihr Hauptkonkurrent in Sachen Bürgermeistersessel Georg Willi eindeutig geschwächt. Muss sie sich jetzt vor Franz Xaver Gruber und der „neuen ÖVP“ fürchten? In jedem Fall steht auch sie vor einer neuen Ausgangslage, wenn auch einer potenziell bequemeren. 

 

Auf der anderen Seite hat sie selbst genug Probleme: Stichwort Kosten Patscherkofelbahn und Olympia-Befragung.  

 

Georg Willi, Bürgermeisterkandidat der Grünen

„Wir müssen neu durchstarten.“