an könnte es leicht übersehen, das „Oscar kocht“ in der Defreggerstraße. Wäre da nicht das große Fenster – und dahinter der junge Mann, der auf dem Fenstersims sitzt und gerade am iPad herumwischt. „Den Oscar“ kannten schon vor der Eröffnung seines Mini-Restaurants viele in Innsbruck, vor allem vom „Los Gurkos“-Kurzfilmfestival oder als Konzert-Veranstalter.
//Die Leidenschaft fürs Kochen hat Oscar Germes-Castro in seiner Studentenzeit entwickelt. „Damals habe ich in WGs gewohnt und hatte 1.300 Schilling pro Monat fürs Essen übrig. Da wird man kreativ“, erzählt der gebürtige Mexikaner. „Gleichzeitig hatte ich zu dieser Zeit einige spanische Freunde, die mehrmals pro Woche abends zu mir gekommen sind. So habe ich pro Woche sicher für 30 Personen gekocht und dabei meinen Kochstil entwickelt.“
//Diesen Kochstil stellte er 2010 und 2011 bei „Guerilla Cooking“-Events unter Beweis, wo an den unterschiedlichsten Orten gekocht und gespeist wurde. Der Name dieser Koch-Happenings für durchschnittlich zwölf bis 14 Personen: „The Food Conspiracy“. In dieser Phase entwickelte der heute 36-Jährige den Wunsch, sein eigenes kleines Lokal zu eröffnen.
Jedes Stück hat eine Geschichte.
Acht Personen – mehr Menschen haben an Oscars Tafel nicht Platz. Die Stühle sind zusammengewürfelt und restauriert, „einige hab ich aus Graz, ein paar aus Melk, einen vom Sperrmüll“.
Das Besteck kann ebenfalls Geschichten erzählen – der Großteil stammt von Oscars Mutter („ihr Hochzeitsgeschenk“), einzelne Stücke stammen aus den USA, aber auch aus Sheffield und aus Uruguay.
//Die Lokalität hat Oscar nach langer Suche ganz zufällig gefunden. „Ich wollte eigentlich zuerst in Dreiheiligen was machen, da wohne ich auch, aber es gab nichts Passendes.“ Auf dem Weg zur Arbeit fuhr er jeden Tag bei der Bäckerei Moschen in Pradl vorbei, um sein Frühstück zu kaufen. Von dort schickte man ihn weiter zum Metzger Hans, der gab ihm im Feber 2014 schließlich den Tipp, dass der Uhrenmacher in der Defreggerstraße 21 in zwei Wochen ausziehen würde – die Heimat von „Oscar kocht“ war gefunden.
Klein, aber fein.
Der Hauptraum ist bescheidene 22,5 Quadratmeter groß. Geplant und designt wurde „Oscar kocht“ von den Architekten Teresa Stillebacher („meine ehemalige Mitbewohnerin“) und Christian Dummer. In mühevoller Handarbeit wurde das Lokal über fünf Monate von Oscar, einigen befreundeten Handwerkern und vielen helfenden Händen restauriert. Nach zwei Monaten kamen unter den Tapeten an die Wand gemalte Frauenköpfe zum Vorschein – „keiner weiß, wo die herkommen, ich vermute, dass hier einmal ein Damenausstatter oder ein Friseur war“. Die Köpfe sind nun Teil des Raumdesigns.
Das Problem des geteilten Tischs.
Geöffnet hat „Oscar kocht“ von Dienstag bis Samstag. Zu Mittag gibt es ein Tagesgericht plus Salat („zwölf Portionen, dann ist Schluss“), am Abend gibt es sechs Gänge für fixe 27 Euro.
"Während meiner Studienzeit habe ich viel für Freunde gekocht. Da hat sich mein Stil entwickelt."
Der verhältnismäßig günstige Preis ist vor allem durch die Tatsache bedingt, dass Oscar zwar Fleisch isst, aber ohne Fleisch kocht. „In der Regel sind zwei Gänge vegetarisch und vier sogar vegan.“ Trotzdem hatte er in den vergangenen sieben Monaten gerade einmal sechs Veganer zu Gast. „Mir geht es nicht um eine Mode. Ich habe in meiner Zeit als Student so viel mit Gemüse gekocht, weil ich mir Fleisch nicht leisten konnte. Und seither liebe ich die Möglichkeiten, die mir zum Beispiel eine Zucchini bietet – scharf, süß, sauer, da kann man einfach kreativer sein.“
//Dass es im „Oscar kocht“ nur einen Tisch gibt und sich die Gäste mit anderen Menschen den Tisch teilen müssen, sorgte anfangs für einige Verwirrung. „Einmal gab es deswegen eine Absage, ein anderes Mal habe ich gehört, wie ein Mann beim Reinkommen zu seiner Frau gesagt hat: ‚Na Servus, da müssen wir mit den anderen reden.’ Nach zwei Gläsern Wein war aber er derjenige, der mit den anderen geplaudert hat.“ Für Oscar ist der gemeinsame Tisch ein zentrales Element seines Kochkonzepts – „so bin ich aufgewachsen, beim Essen geht’s um die Gemeinschaft“. Nach gut einem halben Jahr Erfahrungen kann er über die Tiroler sagen, dass sie „etwa nach einer Stunde auftauen und sich gegenseitig zuprosten.“ Als Kommunikationsvehikel würde der große Tisch nur dann nicht funktionieren, wenn vier Paare nebeneinandersitzen, so seine Beobachtung.
Saisonal und immer neu.
Die Produkte bezieht Oscar zu etwa 80 Prozent ohne Zwischenhändler. „Das Gemüse kaufe ich hinten in der Markthalle bei den Bauern, das Mehl ist vom Biobauern aus Tulfes, das Olivenöl von einer Genossenschaft in Spanien.“
Auch die Winzer, von denen er seine Weine bezieht, kennt er persönlich, „zwei waren auch schon bei mir im Lokal“.
//Verkocht werden nur saisonale Lebensmittel. Nach den Wintermonaten, die von Chinakohl, Roter Bete, Kartoffeln & Co. geprägt waren, freut sich der 36-Jährige nun schon auf die Frühlingsgemüse. „Ich bleibe aber auf jeden Fall bei meinem Konzept. Und ich versuche auch weiterhin, nichts zweimal zu kochen.“ Nur bei Desserts macht Oscar ab und zu eine Ausnahme – „den Cheesecake gab es schon dreimal, die Crème brûlée und den Karottenkuchen auch“. So weit, so gut gemerkt.
//Nachdem es für die Abende eine Wartezeit von bis zu sieben Wochen gab, ist Oscar Anfang des Jahres auf ein anderes Reservierungssystem umgestiegen: In der letzten Woche des Monats werden die Reservierungen für den kommenden Monat entgegengenommen. Über seine Klientel ist der Mexikaner durchaus glücklich: „Zu Mittag kommen sehr viele Pradler her, am Abend ist es total bunt, es kommen auch oft ältere Menschen, das freut mich. Heute Abend kommt zum Beispiel ein Herr, der das Lokal 1953 als Lagerfläche gemietet hatte. Danach habe ich sicher noch mehr Geschichten zu erzählen.“