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MAI 2015

Interview

Das Tiroler „K“ sexy verwenden

Attwenger werden bald 25 und sind noch bälder (29. Mai) im Weekender Club zu Gast. 6020 hat den Drummer und Maultrommelboss Markus Binder zum Vorab-Gespräch über Tanzbarkeit und Rebellionspotenzial gebeten.

Fotos: Johannes Wegerbauer, Gerald von Foris
6020:

Das Faszinierende an Attwenger ist die Musikalität des Dialekts – und wie gut sie mit eurem Sound funktioniert, egal, ob mit Hiphop, Rock oder Polka. Aber wie reagiert das internationale Publikum bei euren Auftritten? Markus Binder: Wir wollen mit der Mischung aus Dialekt und Sound etwas Interessantes machen, was sich auch über den Dialekt hinaus entwickelt. Und der Klang des Dialektes hat ja schon einen hohen musikalischen Anteil, fast wie ein eigenes Instrument. Jemand hat mal über uns gesagt: „Wer die Sprache von Attwenger nicht versteht, kann trotzdem Attwenger verstehen.“


Ihr habt ja schon Bühnen in Sibirien, Mexico City oder New York bespielt. Ist es schwieriger, dort die Leute „nur“ mit eurem Sound zu fesseln? Eigentlich nicht, die Locations sind aber oft sehr unterschiedlich. Wir sind auch in Vietnam in Ho-Chi-Minh aufgetreten, wo das Publikum gesessen hat. Oder in Guadalajara in Mexiko, auf dem Hauptplatz dieser Millionenstadt, wo Tausende richtig schön und ausgelassen mitgetanzt haben. Es ist schon so, dass Musik nach wie vor als internationale Sprache funktioniert. Sie wird zwar ohne textlichen Vordergrund rezipiert, aber sie wird aufgenommen. Das ist auch für uns eine gewinnbringende Erfahrung, weil wir so unsere Musik anders verstehen lernen.

Ist es nicht ein bisschen schade, wenn die Leute die Texte nicht verstehen? Naja, als Textschreiber bin ich natürlich stolz auf meine Texte, aber das wäre jetzt Jammern auf hohem Niveau. Den textlichen Inhalt zu verstehen, ist schon ein Gewinn, darum haben wir sie auf unserem neuen Album „Spots“ auch extra abgedruckt. Man kann unverständliche Worte nachlesen, oder die Texte wie einen Gedichtband lesen, auch ohne Musik. Aber ich verlange nicht, dass man sich mit unseren Texten beschäftigt, wenn man nicht Deutsch spricht (lacht).

Eure Mundart lässt sich nicht in „traditionelle“ Ecken stellen, ihr werdet auch nie im Musikantenstadl auftreten. Ist das nicht schade? Ihr könntet doch das System von innen bekämpfen … Wir bekämpfen das System ja schon so von innen! (lacht) Aber Scherz beiseite, wir meiden die Bühnen, auf denen wir uns nicht wohlfühlen würden. Wir sind mit Attwenger schon seit 25 Jahren unterwegs, kooperieren mit Leuten, mit denen wir uns verstehen, weil es uns Spaß macht. Aber auf bestimmte Klischeehalden passen wir nicht.

Hattet ihr schon von Anfang an diesen Plan, den Dialekt vom verkitschten, erzkonservativen Mief zu befreien? Oder was können Dialekte besser als die Hochsprache? Ja, natürlich, den hatten wir: Dialekt-Texte als experimentelles Medium in die Popmusik zu bringen.

„Als wir anfingen, wurden wir gefragt: ‚Was habt ihr zu sagen?‘, und nicht: ‚Wie wollt ihr das finanzieren?‘“

 

In der „Wiener Zeitung“ hast du einmal bedauert, dass die österreichische Musikszene weniger ein Trägermedium für politisch und gesellschaftlich relevante Thematiken ist und sich eher in Richtung Selbstbedienungsbilligsupermarkt entwickelt. Warum? Wegen der Ökonomisierung, und das betrifft aber nicht nur Österreich. Als wir Ende der 1980er anfingen, wurden wir gefragt: „Was habt ihr zu sagen?“, und nicht: „Wie wollt ihr das finanzieren?“ Verkaufszahlen sind heute wichtiger, und das obwohl alle Tonträger jederzeit virtuell verfügbar sind. Wie Diskontware.

 

Und es gibt auch keine große Nachfrage nach politischen oder gesellschaftskritischen Inhalten. Dabei ist Popmusik seit den Anfängen auch Sprachrohr für Kritik alltäglicher Probleme, Trägerin politischer Inhalte. Das ist sehr ausgedünnt worden. Generell ist die Qualität politischer Grundsatzdiskussionen sehr verwässert: Information muss sensationell werden, damit sie überhaupt ankommt, dafür wird die Frage nach wahren Hintergründen marginalisiert. Man wird ständig mit einer dröhnenden Informationsflut versorgt, vor allem aus dem Netz, dafür ist es schwieriger, klare Positionen zu finden. Gute Bücher lesen wäre besser.

Live. Attwenger spielen am 29. Mai im Weekender Club.