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MÄRZ 2020

Grundrecht, Service oder doch ein Produkt? Die Frage, ob Leitungswasser in der Gastronomie etwas kosten darf oder nicht, ist kontrovers. 6020 nimmt die Pros und Kontras unter die Lupe. Spoiler Alert: Es ist kompliziert. Und eigentlich doch nicht.

Fotos: Axel Springer
I

n normalen Mengen sollte Leitungswasser gratis sein, da es sich doch um ein Allgemeingut handelt“, ist Julian Schöpf überzeugt. Er ist Mitbetreiber des Brennpunkt in den Viadukt­bögen und des Joul’s in der Universitätsstraße. In beiden Lokalen liegt der Angebotsfokus auf dem Kaffee aus der eigenen Rösterei, es gibt kleine Snacks, aber keine Speisen wie in einem Restaurant. Dass dort Wasser in Halbliterkaraffen zum Kaffee serviert wird, sieht Julian als Zeichen der Gastfreundschaft.

Doch gibt es auch Momente, in denen Gäste ihre eigene, zu kreative Auffassung normaler Gratistrinkwassermengen haben? Gab es da je Probleme? „Wir klären natürlich auf, dass wir mit lauter solchen Leuten nicht lange existieren können“, grinst Julian. „Probleme machen würde ich das aber nicht nennen“, sagt er noch abschließend.

 

„In normalen Mengen sollte Leitungswasser gratis sein, da es sich doch um ein Allgemein­gut handelt.“

Julian Schöpf, Joul’s, Brennpunkt

 

Keine Ware.

Gratis Leitungswasser ist freilich nicht nur in Cafés, sondern auch in der gehobenen Gastronomie ein strittiges Thema. Im Restaurant Die Wilderin inmitten der Innsbrucker Altstadt sorgt es manchmal auch im Team für Diskussionen, erzählt Restaurant­leiterin Claudia Kogler. Wie gehen sie damit um? „Ich bin starke Verfechterin des Grundidee, dass es immer und überall gratis Leitungswasser geben soll“, stellt sie klar. Zudem wäre sie auch für mehr Trinkwasserbrunnen in der Stadt, wo alle Wasser zum Abfüllen und Mitnehmen bekommen. „Aber ich muss auch zugeben, dass es manchmal auch irgendwie nervig ist, wenn Gäste nur Wasser bestellen“, gesteht sie. „Das tun allerdings nur Touristen“, fügt sie noch hinzu.

 

„Wasser ist ein Menschenrecht.“

Claudia Kogler, Die Wilderin


Zusätzlich zu den Nur-Wasser Trinkern gebe es auch solche, die zwar ein Getränk bestellen, dann aber nur mehr Wasser. „Damit bleiben sie noch stundenlang sitzen, lassen sich auch immer wieder die Krüge auffüllen.“ Ebendiese bieten Stoff für Diskussionen: Warum sollte man in solchen Fällen nichts verrechnen? „Ich finde es problematisch und auch ein bisschen unfair den Touristen gegenüber. Konsequenter wäre es also, allen Gästen das Wasser zu verrechnen, und zwar immer“, sinniert Claudia. Sie habe volles Verständnis für Gastrobetriebe, die aus einer solchen Überlegung das Leitungswasser entweder bepreisen, eine Art Upgrade wie Grander- oder Wellwasser oder sogar gar keines anbieten.

„Nur-Wasser-Gäste wird es immer geben. So viele, dass ihr Wasser­konsum uns wirtschaftlich schadet, sind es aber bei weitem nicht.“

Claudia Kogler, Die Wilderin

 

Und trotzdem: „Obengenannte Nur-Wasser-Gäste wird es immer geben. So viele, dass ihr Wasserkonsum uns wirtschaftlich schadet, sind es aber bei weitem nicht.“ Darum wird es in der Wilderin so bleiben, wie es schon seit der Eröffnung 2012 war, betont Claudia: „Wasser ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht. Und es bleibt kostenlos!“

Wasser to go

Die Initiative „Water for Zero“ ermöglicht Menschen mit eigenen Getränkeflaschen ein kostenloses Nachfüllen von Leitungswasser, wodurch auch der Plastikverbrauch reduziert werden soll. Unter den teilnehmenden Betrieben sind diverse Bars und Geschäfte in und um Innsbruck zu finden.

Man erkennt sie an ihrem Sticker. Auf der Homepage www.water­forzero.at gibt außerdem eine Karte Auskunft über die Standorte der Partnerbetriebe und mehrerer Trinkwasserbrunnen in der Stadt.

Gratwanderung.

Szenenwechsel zum Planötzenhof, einem Bauernhof mit Landgast­haus oberhalb von Sadrach. Hier finden sich hauptsächlich untertags Wanderer und Familien zu gutbürgerlichem Essen, Kaffee und Kuchen ein. Die Wirte Paula und ihr Sohn Andreas wissen genau, wie emotional das Thema diskutiert wird. Trotzdem hat man sich dafür entschlossen, das servierte Leitungs­wasser je nach Mengen in Rechnung zu stellen. Wie hoch die Beträge ausfallen, sei aber unterschiedlich: „Wenn eine Mutter ein Gläschen Wasser für ein Kind möchte, bringe ich es ihnen natürlich kostenlos“, nennt Paula ein Beispiel. Oder: „Wer zum Essen eine Flasche Wein bestellt, bekommt einen Wasserkrug gratis dazu. Der Kaffee kommt auch inklusive Gläschen daher“, fährt Andreas fort.

 

„Lieber Wasser bepreisen, statt Speisen verteuern.“

Paula und Andreas Heis, Planötzenhof


Da aber immer mehr Gäste zum Kuchen lieber pures Wasser haben möchten, stand das Planötzenhof-Team immer öfter vor einer neuen Rechenaufgabe: „Jede Bestellung muss serviert werden, Gläser müssen abgespült werden, die Kosten für Personal und Infrastruktur hinter diesem Service müssen auch irgendwo gedeckt werden“, nennen die Wirte die gewichtigen Faktoren. Eine weitere Herausforderung stellte überhaupt die Wasserversorgung dar: „Wir hatten jahrelang eine eigene Quelle, doch die ist versiegt. Also mussten wir uns ans städtische Versorgungsnetz anschließen“, erzählen sie. Für die lagebedingt umfangreichen Arbeiten gab es zwar Fördergelder, den Rest mussten sie allerdings aus eigener Tasche finanzieren. Dazu gehören auch die allgemeinen Kosten für das Wasser, Abwasserkanäle, die eigene notwendige Pumpstation etc.

 

Ist Wasser ein Grundrecht oder doch ein Produkt?

 

„Wir wissen, dass es Kunden gibt, die eine Bepreisung von Leitungswasser für eine Unverschämtheit halten. Aber das sind Kosten, die jeder zuhause im Kleinen tragen muss.“

Paula Heis, Planötzenhof


„Es ist leider eine Gratwanderung. Wir wissen, dass es Kunden gibt, die eine Bepreisung von Leitungswasser für eine Unverschämtheit halten. Aber das sind Kosten, die jeder zuhause im Kleinen tragen muss. Die auch alle Gastronomen irgendwo einkalkulieren müssen“, gibt Paula zu bedenken. Also gibt’s den Preisaufschlag eben beim Leitungswasser statt bei den Speisen.

Wasser ist in.

Dipendra Himalaya Karki, Inhaber zweier nepalesischer Restaurants – in St. Nikolaus und im Sillpark – sieht das genauso: Wasser, Service etc. kriege man als Gastronom nun mal nicht geschenkt. „Wir wollen nicht die Speisen verteuern, darum sind die Einnahmen durch Getränke wichtig für uns“, sagt er. Und bricht eine Lanze für jene, die heute zum Leitungswasser stehen: „Früher hätte sich niemand getraut, nur Wasser zu bestellen, man nahm und zahlte lieber Mineral­wasser. Obwohl die Wasserqualität in Tirol bekanntlich spitze ist.“

 

Als Gastronom bekommt man nichts geschenkt.

Dipendra Himalaya Karki, Everest Inn


Heute müsse man sich dafür längst nicht mehr schämen, im Gegenteil, das höhere Gesundheitsbewusstsein sei begrüßenswert: „Wasser ist natürlich gesünder als übersüßte Softdrinks und Co. Es passt auch besser zu unseren Speisen und neutralisiert die Würze“, sagt Dipendra. Darum würde er Leitungswasser niemals vom Menü streichen. 0,3 Liter Wasser kosten 50 Cent, wenn Gäste noch ein weiteres Getränk dazu bestellen, ist es wiederum gratis.

FAZIT

Ob es sich ausgeht, gratis Leitungs­wasser überhaupt anzubieten, ist letztlich auch eine reine Kosten-Nutzen Überlegung. Auch wenn die dazugehörige Debatte emotional ist.