ans-Peter Doskozil kommt, Pamela Rendi-Wagner schwänzt. Der Landesparteitag der Tiroler Sozialdemokraten muss ohne die Bundesvorsitzende über die Bühne gehen. Die am 4. März 100 Tage in dieser Funktion agierende SPÖ-Chefin hat am Wochenende vor Ablauf dieser traditionellen politischen Schonfrist angeblich ein Terminproblem. Dem Landeshauptmann des Burgenlands ist der Besuch hingegen so wichtig, dass er ihn schon am zweiten Tage in seinem neuen Amt unternimmt.
//Georg Dornauer, der Anlass dieser Ab- und Zusage, darf sich bei seiner Kür zum Tiroler Parteichef gleichermaßen geschmäht wie geschmeichelt fühlen. Seine widersprüchliche Behandlung durch die Gesamtpartei wirkt – ungeachtet der Anwesenheit ihres Geschäftsführers Thomas Drozda – als Ausweis für Unentschlossenheit, Richtungsgegensätze und Orientierungslosigkeit der Bundes-SPÖ.
//Tirol ist ein Nebenschauplatz jener inneren Zerrissenheit, infolge der die Sozialdemokraten auch 15 Monate nach ihrer Verbannung aus der Regierung noch nicht wirklich als Opposition Fuß gefasst haben. Sie agieren frei nach Gerhard Bronners legendärem Text „Der Halbwilde“ für Helmut Qualtinger: „I hob zwoar ka Ohnung, wo i hinfoahr, aber dafür bin i gschwinder duat.“ Der entsprechende Tempofähigkeitsbeleg wurde schon erbracht, indem die rote Minderheit mit dem Bundesrat ein im Nationalrat schon beschlossenes Gesetz verhinderte – eine historische Premiere für die immer wieder als überflüssig dargestellte Länderkammer.
//Doch dem Machtbeweis fehlt das Unterfutter der Strategie. Es rumort zwar nicht mehr allzu öffentlich, doch die personifizierten Machtfaktoren der österreichischen Sozialdemokratie wirken eher nach Ziehen an unübersichtlich verschiedenen Tau-Enden als an einem Strang. Im Fall Dornauer, am Beispiel Tirol verdichtet sich dieses unkoordinierte Auseinanderstieben statt des vielbeschworenen Zusammenrottens.
Rendi-Wagners Fehlentscheidung.
Das beginnt mit dem Anlass oder gar der Ursache für Rendi-Wagners Fernbleiben. Dass Georg Dornauers Horizontalen-Sager erst mit einer Woche Verspätung vom ÖVP-Pressesprecher Sebastian Kolland zur nationalen Empörung hochgeschaukelt werden konnte, ist kein Geniestreich der türkis-schwarzen Kommunikationsmaschine, sondern ein Totalversagen ihres roten Widerparts.
Die SPÖ Tirol braucht Pamela Rendi-Wagner nicht. Doch die SPÖ braucht Tirol.
Wenn SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek prompt den Rücktritt des Tirolers fordert und Rendi-Wagner ihn postwendend aus den Bundesgremien verbannt, bedeutet das auch die indirekte Ansage, der Landtag sei nicht fähig, auf die Wortwahl seiner Mandatare entsprechend zu reagieren. Das Bedienen der Twitteria war beiden Frauen offenbar wichtiger als der Respekt vor einem Regionalparlament.
//Die Beweggründe dafür können nur vermutet werden, die Folgen sind allerdings selbstbeschädigend. Dornauer ist eine persönliche Antithese zu Rendi-Wagner wie auch Drozda. Alles andere als ein Bobo, vermag er sich aber durchaus auch im urbanen Raum zu behaupten. Seine Bodenständigkeit kommt allerdings deutlich smarter daher als etwa beim Steirer Michael Schickhofer oder beim Burgenländer Hans-Peter Doskozil. Dass er schon als „roter Kurz“ gehandelt wurde, ist zwar eine maßlose Übertreibung, doch der pragmatische inhaltliche Ansatz zur Machbarkeit von Politik wirkt ebenso vergleichbar wie das Gespür für Kommunikation über die Vermarktung der Person.
Dornauers Links-Rechts-Wirkung.
Ungeachtet seiner familiären Prägung als Sozialdemokrat sowie der nicht allzu linken Tiroler Ausprägung davon, ist Dornauer in vielen Parteien vorstellbar – und entsprechend gesprächsfähig auch nach rechts über die ÖVP hinaus. Diese Kombination macht ihn in Verbindung mit publikumsgerechter Wandlungsfähigkeit und dennoch Authentizität grundsätzlich suspekt bei einer Parteiführung, die ihre Entscheidungen weit weg von jenen Gegebenheiten trifft, die der 35-jährige Bürgermeister von Sellrain vorfindet.
//Das alles würde schon ausreichen, ihn als Emporkömmling aus dem Westen möglichst klein zu halten. Doch der ist dank einer Dissertation über „Ursachen und Hintergründe für die Hegemonie der ÖVP in Tirol“ auch promovierter Politikwissenschaftler und hat neben rhetorischer Fähigkeit durchaus die intellektuelle Kapazität, seinen Kurs zu untermauern.
Wenn er keine weiteren Fehler wie den jüngst als Sexismus gescholtenen Sager begeht, könnte hier ein Rivale heranwachsen – nicht nur der Tiroler ÖVP, sondern auch innerhalb der SPÖ. Wer glaubt, Dornauer könne kaum in grünen Gefilden punkten, ignoriert, dass dort mit Gebi Mair ein gar nicht so unähnlicher Studienkollege den Klubobmann gibt. Für schwarze und auch blaue Klientel ist er ohnehin eine starke Ansage. Wenn Wiener Journalistenkreise analysieren, er sei jetzt schon Geschichte, gehen sie der Flüsterpropaganda von ÖVP und auch Teilen der SPÖ auf den Leim. Wenn er sie bei der Landtagswahl 2023 über 20 Prozent bringen sollte, ist er für vieles mit im Spiel.
//Denn dann kann Georg Dornauer seinen Weg auch als Konzept verkaufen, wie die Sozialdemokraten eine extrem schwächelnde Westachse – nicht von ungefähr verwendet die ÖVP diesen Begriff als Sinnbild ihrer Machtfülle – wieder stärken kann. Das geht heuer in Vorarlberg los, wo mit 8,8 % von der Wahl 2014 der rote Tiefpunkt liegt. Tirol ist zwar die aktuell zweitschlechteste SPÖ-Filiale, rangiert aber mit 17,3 % nicht weit hinter Oberösterreich (18,4 %), Salzburg (20,0 %) und Niederösterreich (23,9 %).
Doskozils Kampfzone Landesliga.
Wenn Pamela Rendi-Wagner 2022 bei der Nationalratswahl punkten will, werden ihr Wien und die südlichen Bundesländer nicht reichen. Auch die Konzentration auf die vier einwohnerreichsten Regionen Wien, Nieder- und Oberösterreich sowie Steiermark wird nicht genügen. Das weiß Geschäftsführer Thomas Drozda: Die SPÖ Tirol braucht Pamela Rendi-Wagner nicht. Doch die SPÖ braucht Tirol. Das weiß noch mehr Hans-Peter Doskozil.
//„Kampfzone Landesliga“, hat „News“ soeben ein Porträt des einstigen Innenministers überschrieben, den viele Sozialdemokraten gern als Nachfolger von Christian Kern gehabt hätten. Auf dem Cover bezeichnet das Magazin den burgenländischen Landeshauptmann aber als „SP-Chef der Herzen“. Er weiß, warum er Tirol besucht.