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MÄRZ 2019

Interview

Plakate, Kunst & Demokratie

Der Schweizer Grafiker Erich Brechbühl kommt am 12. März für einen Vortrag in das WEI SRAUM Designforum. Im Gepäck hat er nicht nur seine preisgekrönten Plakat-Entwürfe, sondern auch die Geschichten dahinter.

Foto: Regina Xiang
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Wie sind Sie zum Grafik-Design gekommen? Erich Brechbühl: Ich war eigentlich immer schon gestalterisch interessiert. Als Teenager habe ich Filme gemacht und wollte Regisseur werden, habe dann aber gemerkt, dass mir doch eher etwas liegt, wo ich schneller zum Resultat komme. Das Grafik-Design ist dann sehr bald dazugekommen, weil ich damals schon ab und zu Logos für Freunde entworfen habe. Ich habe dann eine Lehre als Typograf gemacht bei einer Druckerei, schon mit dem Gedanken, später Grafiker zu werden. Glücklicherweise konnte ich auch gleich anschließend noch eine Grafiker-Ausbildung bei Niklaus Troxler machen. Der ist ein weltbekannter Plakat-Gestalter, und so bin ich dann auch zum Plakat gekommen.

Wie stark beeinflusst Ihre Typografen-Lehre Ihre Arbeit als Grafiker? Ich habe dadurch gelernt, wie Druck überhaupt funktioniert, und das fließt immer noch stark in meine Arbeit ein, auch wie ich etwas angehe. Es geht mir nicht nur um Oberfläche, sondern auch darum, wie etwas gedruckt wird, auf welchem Papier, welche Veredelung möglich ist. Und bestimmt kommt auch meine Affinität zur Typografie an sich dort her. Ich beschäftige mich immer noch stark mit Schrift, baue zum Beispiel meine eigenen Schriften.

Wie sieht Ihr kreativer Prozess aus? Ich versuche, mich als Erstes immer sehr stark in das jeweilige Thema einzudenken und möglichst viel darüber zu erfahren. Für mich ist es keine Option, nur das zu machen, was einem selbst gefällt oder was man bisher gemacht hat. Mein Anspruch ist, mich immer wieder selbst zu überraschen, deshalb versuche ich, möglichst offen zu sein und so viel Input wie möglich zu sammeln. Im besten Fall habe ich dann schon eine Idee und kann versuchen, mich durch Experimentieren anzunähern und das Thema visuell auf den Punkt zu bringen. Und dann geht es eigentlich nur noch um die Ausführung.

„Für mich ist es keine Option, einfach nur zu machen, was einem selbst gefällt oder was man bisher gemacht hat.“

Erich Brechbühl

 

Was reizt Sie gerade am Plakat-Design? Das Tolle daran ist, dass es beim Plakat darum geht, eine Fläche zu bespielen. Man hat hier die Reduktion auf nur dieses eine Bild, das natürlich trotzdem alles kommunizieren muss. Das ist eine spannende Herausforderung.

Sie verwenden auch Animation und Augmented Reality in Ihrer Arbeit. Warum machen Sie das, und wie lässt sich das mit klassischem Plakat-Design verbinden? Meine Neugier hat mich immer schon dazu gebracht, ein wenig weiter zu schauen und neue Dinge auszuprobieren, und da gehört eben auch die Animation dazu. Dazu gebracht hat mich außerdem aber auch, dass ein bewegtes Plakat auf Social Media viel mehr Aufmerksamkeit erzeugen kann als ein stilles Plakat. Diese Kombination von bewegtem Plakat für Social Media und gedrucktem Plakat auf der Straße gibt natürlich eine schöne Spielerei. Und Augmented Reality ist überhaupt reine Spielerei – wenn man mit dem Smartphone bei einer Ausstellung die gedruckten Plakate zum Leben erwecken kann, bringt das witzige Möglichkeiten. Das ist dann immer noch Grafik, es ist immer noch ein Plakat, aber es bewegt sich halt und bekommt eine ganz neue Ebene.


Ist das die Zukunft des Plakat-Designs? Ich denke nicht, dass man vom gedruckten Plakat so schnell wegkommt, weil das natürlich sehr viel demokratischer ist als ein bewegtes, das kann man sich einfach irgendwo hinhängen. Aber als Ergänzung wird das sicher eine Rolle spielen in Zukunft, es wird viele Projekte geben, wo man in mehreren Ebenen denken muss. Mit neuen Medien kommen natürlich neue Herausforderungen, da muss man als Grafiker flexibel bleiben.

Plakate, Kunst & Demokratie

Brechbühl ist gelernter Typograf – was man seinen Plakaten auch ansieht.

Plakate, Kunst & Demokratie

 

Wofür – oder für wen – würden Sie gerne mal ein Plakat designen? Wenn ich draußen bin und mir die Plakate anschaue, die dort hängen, sind das großteils kommerzielle Plakate, die meistens schlecht gestaltet sind. Früher hat man von der Galerie der Straße gesprochen, aber wenn man das heute anschaut, ist das ein schlechter Vergleich. Die Leute, die diese Plakate entwerfen, sollten wirklich überlegen, dass sie damit ja gleichzeitig auch den Stadtraum gestalten. Ich habe viele Kunden aus der Kultur, aber es hätte, glaube ich, ein riesen Potenzial, wenn ich auch mal für kommerzielle Kunden Plakate gestalten könnte. Die würden dann wahrscheinlich auch ein bisschen anders ausschauen, weil das Zielpublikum natürlich ein anderes ist, aber gerade das wäre spannend.

Sie organisieren auch Festivals und halten Vorträge auf der ganzen Welt. Was reizt Sie daran? Grundsätzlich sind diese Einladungen aus aller Welt eine tolle Gelegenheit, andere Leute kennen zu lernen. Ich war nie so der Typ, der unbedingt reisen und die Welt entdecken musste, aber so finde ich das extrem spannend, weil man immer automatisch auf Gleichgesinnte trifft und direkt in eine Kultur eintaucht – man ist nicht einfach ein Beobachter, der außen vor bleibt. Das sind tolle Erlebnisse, die mich und auch meine Arbeit prägen. Und es geht um Offenheit, es ist mir wichtig, dass man offen durch die Welt läuft, dass man andere Kulturen akzeptiert und daraus natürlich auch seine Schlüsse zieht und nicht sagt, ich bin ein Schweizer Grafiker und die Schweizer Grafik ist eh die beste. Da gab es immer wieder Leute, die so gedacht haben, und das finde ich ziemlich schwierig. Andere Kulturen haben andere Hintergründe und auch einen anderen Sinn für Ästhetik, das ist immer wieder extrem interessant.

„Das Tolle daran ist, dass es beim Plakat darum geht, eine Fläche zu bespielen.“

Erich Brechbühl

 

Was kann man von Ihrem Besuch im WEI SRAUM erwarten? Das Spannende ist, glaube ich, dass ich nicht nur meine finalen Projekte präsentiere, sondern dass ich versuche, auch aufzuzeigen, wie die Plakate entstanden sind, also so ein bisschen den Prozess behind the scenes zu veranschaulichen. Damit will ich auch immer aufzeigen, dass kein Genie vom Himmel gefallen ist: Wenn man gute Arbeit machen will, muss man daran feilen und darf nicht zu früh zufrieden sein. Das ist, denke ich, die Essenz meines Vortrages.