as Bild eines jungen, gitarrenspielenden Mannes und eines Bären in Ketten mit Trompete könnte ob seiner stilisierten Ästhetik glatt ein Plattencover einer 68er-Rockband zieren. Beim Coverboy handelt es sich allerdings um den Innsbrucker Anton Brugger, der regelmäßig in der Marianischen Kongregation, kurz MK, zugegen war. Und das Bild zierte kein Plattencover, sondern erschien in einer Publikation namens „Kasiwai“, einem dicken Bild- und Textband, der 1970 sämtliche Aktivitäten des Jugendvereins zu dieser Zeit dokumentierte.
//Hier gab es je nach Interessengruppen unterschiedliche Sektionen, wo sich Jugendliche mit Basketball, Leichtathletik, Theater, Rhetorik, Film oder Fotografie beschäftigten. Egal, ob im „Kasiwai“ von einer Gruppenfahrt nach Istanbul, den Erfahrungen als Entwicklungshelfer im damaligen Rhodesien oder der Abschaffung des Wehrdienstes die Rede ist – die Inhalte zeugen von einer progressiven Haltung, die dem 68er-Zeitgeist entsprach und die Konservativen ordentlich wachrüttelte. Maßgeblich daran beteiligt war der Jesuitenpater Sigmund Kripp.
Bernhard Holzhammer und Marc Brugger von der Filmproduktionsfirma Wildruf wollen nun dieses besondere Stück Stadtgeschichte mit Zeitzeugen und jeder Menge Originalmaterial filmisch nacherzählen.
Jugendzentrum als Talenteschmiede?
Gegründet wurde die Marianische Kongregation bereits im 16. Jahrhundert, „mit dem Ziel, die Jugendarbeit der Jesuiten zu leisten und junge, talentierte Menschen für den Orden zu finden und fördern“. Ein Vorhaben, das sich im Laufe der Jahrhunderte freilich änderte und moderner wurde. „Als die MK sogar die Messeteilnahmepflicht aufhob, schrieb mein Großvater Beschwerdebriefe“, erzählt Regisseur Marc Brugger. Das Filmprojekt will er unter anderem auch aus familiären Gründen umsetzen. Die MK hat nicht nur sein Leben geprägt, sondern auch jenes seiner Eltern, Großeltern und befreundeten Familien: „Wann immer ein Arzt oder Anwalt gebraucht wurde, wurde stets auf einen Alt-MK-ler verwiesen“, so Brugger.
Da die Organisation vor allem Oberstufenschülerinnen und -schüler ansprach, sei es kein Zufall, dass die MK die heutigen „Eliten“ Innsbrucks in ihrer Jugend geprägt habe. Zu den ehemaligen MKlern gehören zum Beispiel Karikaturist Much Unterleitner, Regisseur und Schauspieler Klaus Rohrmoser oder der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter Herbert Prock. Diese Mechanismen wollen die Filmemacher genauer beleuchten: „Im Gegensatz zu Studentenverbindungen agierte der Jugendverein bewusst unpolitisch. Dass sich daraus eine linke Szene entwickelte, war nicht vorgegeben“, sagt Produzent Bernhard Holzhammer, der sich als Jugendlicher ebenso gern in der MK aufhielt. Die Revoluzzer-Phase war da aber schon vorbei. Die MK ist noch heute aktiv und nach wie vor in der Sillgasse zu finden. Das alte Kennedy-Haus, wo eine ganze Generation ihr Wohnzimmer fand, musste dem Bau des heutigen Wohnhauses weichen.
Pater Kripps Credo in Sachen Jugendarbeit war damals revolutionär.
Kirche vs. Revoluzzer.
Als Pater Kripp 1959 die Leitung übernahm, wurde der Jugendverein bald zu einem der größten Europas. Sein Credo in Sachen Jugendarbeit war damals revolutionär: Er führte Mädchen- und Bubengruppen zusammen, sparte Themen wie Sex und Drogen nicht aus. Die MKler sollten die Konsequenzen ihres Handelns erfahren, wobei man ihnen stets zur Seite stand. Dem damaligen Bischof Paul Rusch wurde es aber bald zu viel. Er warnte sogar in Predigten vor Sodom und Gomorrha in der Sillgasse. „Dann ging Kripp in die Offensive, schrieb ein Buch über seine tägliche Arbeit mit Jugendlichen, die eben nicht den klerikalen Vorstellungen von Förderung und Disziplin entsprach – und das war eine Katastrophe“, schildern die Filmemacher. Die Angelegenheit entwickelte sich zu einem der größten Kirchenskandale Tirols und war medial omnipräsent.
//Die Causa gelangte bis nach Rom, und 1973 musste Kripp die Leitung abgeben. Protestkundgebungen und Unterstützungserklärungen von über 6.000 Personen konnten die Kirche nicht umstimmen. Der Pater verließ den Orden, unterrichtete an Unis und arbeitet noch heute in Nicaragua als Entwicklungshelfer: „Trotz seiner 90 Jahre hat Sigmund Kripp kaum etwas von seinem Tatendrang verloren“, erzählen Holzhammer und Brugger, die ihn für das Filmprojekt vor Ort besucht haben. In den kommenden Wochen folgen die Interviews mit den Alt-MKlern, wobei man bewusst die „Nichtprominenten“ befragen will. Der Film wird dann im Herbst fertiggestellt werden. Für die Realisierung ihres Herzensprojekts hat Wildruf auch erstmals eine Crowdfunding-Kampagne initiiert, die bis Mitte Juni läuft.
„Im Gegensatz zu Studentenverbindungen agierte der Jugendverein bewusst unpolitisch.“
Bernhard Holzhammer, Wildruf
Wildruf Film
Die Tiroler Firma wurde 2008 von Lucas Riccabona, Bernhard Holzhammer und Victor Kössl in Volders gegründet, seit vier Jahren ist die Firma auch in Wien vertreten. Ihr Kerngeschäft ist die Werbung und Produktion von Industriefilmen, TV-, Kino- und Web-Spots sowie die Realisierung verschiedener „Herzensprojekte“. Dazu zählen Kurzspielfilme und Dokus wie „D.U.D.A. Werner Pirchner“ über den Tiroler Anarchomusiker, die erfolgreich in österreichischen Kinos lief, sowie Musikvideos, wie etwa jenes zu „Rollin“ von Lea Santee, das auf der Shortlist der UK Music Video Awards zu finden war. Hierfür zeichneten Regisseur Tobias Pichler und Kameramann Matthias Helldoppler verantwortlich, die ebenso zu Wildruf gehören. Das Video zu „Heroes“ von Conchita Wurst, das 2015 den Amadeus Award holte, ist ebenfalls eine Wildruf-Produktion. Und apropos Musik und Eurovision: Cesár Sampsons ESC-Bronzetitel „Nobody But You“ stammt aus der Feder des Komponisten Sebastian Arman, der die Sparte „Wildruf Audio“ repräsentiert.
Alle Infos dazu gibt’s unter
www.startnext.com/mk-wohnzimmer