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JULI 2018

Schachgeschichten und Alltagssachen

Jeden Sommertag kommt eine Gruppe illustrer Herren in den Rapoldipark, um Schach zu spielen. Bei einem Besuch inklusive Melonenjause haben wir erfahren, dass man dabei nicht nur die perfekte Eröffnung, sondern auch einiges über die kommunistische Grüne Partei und die Tiroler Verbindung zur zweiten Erde lernen kann.

Fotos: Axel Springer

 

A

m Rande des Rapoldiparks, den man als Nicht-Pradler und Boulevardblatt-Leser als den Central Park von Innsbrooklyn kennt, ist es am frühen Nachmittag noch ruhig. Hinter dem 1970er-Flair verströmenden Kiosk, da stehen sie – zwei Schachtische und eine gepflasterte Schachfläche, schwarz-weiß kariert unter einem ungewöhnlich grauen Junihimmel. Zwei betagte Männer, die von ihrer Parkbank aus staunend („Das wäre ein Futter für die Zeitung, im Rapoldipark wird geturnt!“) einer jungen Dame beim Workout zusehen, scheinen auf jemanden zu warten. Auf die Frage, wo denn die Schachspieler vom Rapoldipark zu finden seien, entgegnet einer der beiden mit verschwörerischer Stimme: „Ich bin einer von ihnen.“

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Während wir noch miteinander plaudern, kommt ein weiterer Spieler dazu. Wie jeden Tag in den Sommermonaten nehmen die Herren pünktlich um 14 Uhr an den Schachtischen Platz und beginnen zu spielen. Viktor und Isidor stellen die Figuren auf. Ersterer kommt bereits seit rund 40 Jahren, als man dort ein Schachfeld auf dem Boden errichtete, hierher. Isidor ist seit seiner Pensionierung ein Dauergast unter den Spielern im Rapoldipark. Bei Schönwetter spielen sie im Park, bei Regen und sonstigem Unwetter übersiedelt man in das Seniorenstüberl in der Langstraße. 

Hat dich der Willi geschickt? 

Mit verschränkten Armen und Zigarette im Mundwinkel sitzen sie sich gegenüber, schenken sich nichts, können aber sagen, warum Schach nach all den Jahren immer noch seinen Reiz hat. 

 

Isidor: Man tut sich ein bisschen betätigen ... 

Viktor: ... damit wir nicht dement werden. 

 

Kurze Zeit später hört man hinter den Spielern die Stimme von Franz, der sich nach Viktors in eine taktisch günstige Position bugsierte Dame erkundigt. Dann kommt Herbert mit einem großen Stück Melone im Gepäck an den Tisch. Gemeinsam eröffnen sie auf dem Nachbartisch eine neue Partie. Bevor ich mich zu ihnen setze, muss ich den Grund meines Besuches noch einmal erklären. 

 

Herbert: Was, von den Grünen aus? 

Redakteur: Nein, vom 6020 Stadtmagazin. 

Franz: Hat dich der Willi geschickt? 

Redakteur: Wie bitte? 

Franz: Hat dich der Willi geschickt? 

Redakteur: Nein, das 6020 Stadtmagazin. 

 

Der neue Bürgermeister ist ein immer wiederkehrendes Gesprächsthema an den Tischen der Herren.

Gespielt wird vier Stunden täglich, bis circa 18 Uhr.

Die Großen sind leider verstorben.

Am anderen Tisch hat bereits die zweite Partie begonnen. Wer hat die erste gewonnen? „Ja, der Chef natürlich“, verlautbart Isidor in gespielt gereiztem Ton und meint dabei – nomen est omen – Viktor. Tatsächlich zählt unter den Schachspielern nicht, wer am öftesten gewinnt. „Das geht einmal hin, einmal her. Es ist nicht wichtig. Man spielt und freut sich, dass man spielt“, weiß Viktor, der trotz der Ablenkung immer die Partie im Auge und offensichtlich unter Kontrolle hat. Schon als Schulbub hat er angefangen, Schach zu spielen. Heute spielt Viktor, genau wie die anderen, vier Stunden täglich, bis circa 18 Uhr, denn „der eine muss in den Garten gehen, der andere muss Kaffee kochen, der Nächste muss die Frau verwöhnen.“

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Nachwuchsspieler gibt es unter den Herren im Rapoldipark kaum. Ein paar Jüngere kämen manchmal vorbei, sie selbst würden aber immer weniger. Vor allem früher hätten ein paar ausgezeichnete Schachspieler unter ihnen Platz gefunden. Professoren und Direktoren, erzählt Viktor, hätten auf den Bänken gesessen, aber „die ganz großen Meister sind leider verstorben“.

 

Früher sei es generell ganz anders gewesen. Bis in den Winter hinein hätte man, nachdem man das Bodenfeld (die Tische kamen erst später dazu) freigeschaufelt hatte, Partien ausgetragen. 

Das Geheimnis der zweiten Erde. 

Von der Gründerzeit der Schachbruderschaft hat Herbert vom anderen Tisch nur aus Erzählungen erfahren. Der Pensionist kam erst vor zwei Jahren, nach einem schweren Autounfall, zur Rapoldipark-Runde, um sich zusätzlich zur Reha durch das Schachspiel wieder auf Vordermann zu bringen. Während Franz und Pepi über die Vorzüge eines E-Bikes diskutieren, erklärt Herbert seine Weltsicht. Die Geschichten der Bibel, so Herbert, hätten sich nicht nur tatsächlich, sondern gleich zweimal abgespielt. Für die Bürger dieser Erde hätte dies weitreichende Konsequenzen: „Das beweist, dass es eine zweite Erde gibt, eine Ur-Erde, auf der dann das zweite Leben stattfindet.“ Damit lasse sich nicht nur die gesamte Geschichte der Menschheit, sondern auch ein gewisses, nicht näher erläutertes Zeitproblem deuten. 

Schachgeschichten und Alltagssachen

TREFFPUNKT. Während gespielt wird, werden auch das Tagesgeschehen und so manche krude Theorie besprochen.

Schachgeschichten und Alltagssachen

„Das geht einmal hin, einmal her. Es ist nicht wichtig. Man spielt und freut sich, dass man spielt.“

Viktor