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JULI 2018

Local Legends

Das JOLLY

Wenn etwas in Innsbruck kommt und geht, dann sind es Lokale. Die Szene ist in Bewegung wie nie – gut so. Aber: Den Reiz des Neuen würden wir nicht als solchen empfinden ohne dem, was vorher war. 6020 besucht die Local Legends.

Fotos: Franz Oss

Lage.

Das Jolly, offiziell ohne „s“ und ohne „Bar“ am Ende, liegt mitten im schönen Wilten, an der Ecke, wo sich Müllerstraße und Andreas-Hofer-Straße kreuzen. Schon die Hausfassade links neben dem Coffee Cult ist in Kaminrot gehalten, was sich im Jolly drinnen fortzieht. Gelb auf Schwarz steht auf dem Schild über dem Eingang „Café Bar Jolly“. Jetzt muss man nur noch klingeln.

Charakter.

Das Jolly hat nämlich, wohl als einziges Lokal in Innsbruck, eine Türklingel: „Wenn es nicht gerade brütend heiß ist, lassen wir die Tür zu, und die Gäste müssen läuten. Das haben wir Anfang der 1990er für eine geschlossene Veranstaltung installiert, als Signal für die Begrüßungsdrinks. Weil die Klingel schnell Kultfaktor bekam, haben wir sie gelassen“, erklärt Jolly-Chef Markus Köll. So mancher Tourist komme sogar nur ihretwegen.

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Drinnen im Lokal wird es schummrig: die Wände dunkelrot, die Möbel in dunklem Holz, das Licht gedimmt. Der Stil erinnert an ein englisches Pub – und auch die Stimmung, wie ein Stammgast, der gebürtiger Engländer ist, bemerkt hat.

 

„In England hat man seine Stammkneipe, in die man jeden Tag nach der Arbeit oder Uni geht, um noch ein Bier in netter Gesellschaft zu trinken“, erklärt Köll, „und das ist auch das Jolly für viele“. Aber nicht nur Biertrinken lässt sich im Jolly: Seit zwei Jahren gibt es im Hinterstübchen die Jolly-Bücher-Lounge, wo Gäste sich nach dem Motto „Nimm eins, bring eins“ bedienen und selbst Lesenswertes hinterlassen können. Ganz hinten gibt’s eine kleine Nische mit Tischfußballtisch.

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„Wir sind einfach eine klassische Studentenbar, und das schon immer gewesen“, beschreibt der Chef selbst sein Lokal nüchtern. Früher seien es hauptsächlich Geiwi-Studenten gewesen, die auf den runden italienischen Café-Tischen ihre Stammtische abhielten. Die Sowis wären zu weit weg gewesen und die Mediziner hätte es mehr ins Rififi, „die andere Bar in Wilten“, gezogen. Der einstige Wandschmuck von dort hängt mittlerweile teilweise im Jolly –  neben Fotos von prominenten Gästen wie Ray Wilson. Der frühere Genesis-Sänger landete mit seiner Band Stiltskin vor einem Weekender-Auftritt 2007 zufällig im Jolly und war vom gemütlichen Flair und dem Pizza-Sandwich begeistert. Daneben stechen unzählige Schnappschüsse von Gästen ins Auge, vor der Bücher-Lounge hat es sogar eine „Hall of Fame“ mit Porträt-Fotos der treuesten Besucher an der Wand gegeben.

Das JOLLY

Institution in Wilten.
„Das Jolly ist sich treugeblieben“, sagt Markus Köll.

Das JOLLY

Musik.

Über die Musik entscheidet im Jolly, wer gerade hinter der Bar steht – also der Chef selbst, sein Sohn Pascal oder Hannah, beide Studenten und Teilzeitkellner, und auch die Gäste könnten gern mitreden. Entspannt, Richtung Retro-Rock der 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahre kann man die Soundkulisse insgesamt beschreiben.

Geschichte.

Stolze 50 Jahre hat das Lokal in der Müllerstraße auf dem Buckel und ist damit bisher das älteste unserer Local Legends. 1968 eröffnete der stadtbekannte Bohemien Herr Franz dort in den Räumen des ehemaligen Lebensmittelgeschäfts Weißengruber das „Café Franz“, das in den 1970ern zum Intellektuellen-Treffpunkt wurde. Nach zehn Jahren benannte er es kurzfristig in „Bonnie und Clyde“ um, ging aber bald in Konkurs und flüchtete –Erzählungen nach – 1979 in die USA. Ein Jahr lang hieß das Lokal dann unter neuem Pächter „Mitzi Green“ wie die Hollywood-Schauspielerin, bis es eine indische Familie 1980 übernahm und nach ihrem Familiennamen „Jolly“ nannte.

 

Wahrscheinlich wegen seiner Öffnungszeiten ab 9 Uhr morgens etablierte sich das Jolly bald als Studenten-Café und war auch bekannt für seine gute schnelle Küche. 1990 übernahm Markus Köll, der als Student schon dort gekellnert hatte, das Jolly und funktionierte es wieder zum Abend- und Nachtlokal um.

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28 Jahre lang habe er gut davon leben können, zwischenzeitlich betrieb er daneben sogar das ehemalige „Rock House“ in Mariahilf und sechs Jahre lang eine Bar im Süden von Kreta, wo er die Sommermonate verbrachte: „Da ohne Terrasse im Sommer naturgemäß weniger los ist, konnte ich das Jolly gut einem Mitarbeiter allein überlassen.“ Seit dem Jahr 2000 widmet er sich wieder ausschließlich seinem „Dauerbrenner“. Gäste waren über die Jahre immer genug da, viele davon seien zu guten Freunden geworden. Anfang der 2000er-Jahre startete Köll sogar die Aktion „Jolly goes into the mountains“ und ging zusammen mit Stammgästen und seiner Familie wandern. Auch diese Ausflüge sind an der Wand im Jolly verewigt.

„Wir sind einfach eine klassische Studentenbar, und das schon immer gewesen.“

Markus Köll

Publikum.

Man kennt sich – wer zur Tür hereinkommt, wird mit Handschlag begrüßt. Zumindest am frühen Abend kommt einem das Publikum im Jolly wie ein großer Freundeskreis vor. Vom Typ her würde es Köll nach wie vor als „Geiwi-Klientel“ bezeichnen. Laufkundschaft gebe es sehr wenig, aber durchaus Leute, die auf Empfehlung mal klingeln.

Karte.

Der typische Jolly-Gast trinkt Bier – und hat die Qual der Wahl. 23 stehen auf der Karte, auch Craft Beer, der einzige Trend, den Köll in all den Jahren mitgemacht hat. Ein „normales“ großes Bier gibt’s um 3,60 Euro. Bei kleinem oder großem Hunger hilft ein halbes oder ganzes Riesen-Jolly-Pizza-Sandwich (mit oder ohne Schinken und Salami), das auch eine kleine Gruppe satt macht. Beim Essen stört neuerdings auch kein Dunst mehr – seit Ende April ist das Jolly rauchfrei.

Erfolgsgeheimnis.

Fast vier Jahrzehnte lang unter diesem Namen DER Treffpunkt für die Studenten der Gegend und der Ort, wo man alte Bekannte wiedersieht, ist das Jolly der Evergreen unter den Bars in Wilten. Den Erfolg begründet Köll damit, seit jeher diese bestimmte Art von Leuten anzusprechen. Diese wiederum finden vor, was sie kennen und lieben: „Wir sind unserem Konzept der Studenten- und After-Work-Bar einfach immer treu geblieben.“ Umso größer sei momentan die Herausforderung, das Jolly als Nichtraucher-Lokal zu etablieren: „Das ist wohl seit Jahren die größte Veränderung. Aber auch hier sagen wir: Wir haben uns dafür entschieden und ziehen das jetzt durch.“ Vielleicht gewinnt das Jolly dadurch ja auch den einen oder anderen Liebhaber dazu.

Öffnungszeiten

Täglich ab 17 Uhr, Schluss ist um 1 Uhr


Das gibt’s nur im Jolly:

  • Das Riesen-Jolly-Pizza-Sandwich (um 5,40 Euro)
  • 23 verschiedene Biere, darunter alle vier Sorten des Bierol Craft Beer aus Schwoich und das offizielle Fußball-WM-Bier American Bud
  • Das traditionelle Weihnachts­frühschoppen am 24. Dezember von 10 bis 18 Uhr – jeder Gast bekommt eine Flasche Wein geschenkt.
Das JOLLY

Schon im Lokal, als es noch „Café Franz“ hieß: ein lebensgroßer, gegossener Hintern

Das JOLLY