enn der Innsbrucker Gemeinderat regulär ein Mal im Monat zusammenkommt, kann das – je nach Tagesordnung – schon einmal länger dauern. Im Juni-Gemeinderat war es nach Mitternacht, als der öffentliche Teil der Sitzung beendet war. Schuld daran war nur einer – der Patscherkofel. Unter anderem die beiden Geschäftsführer der Patscherkofelbahn Betriebs GmbH, Martin Baltes und Thomas Scheiber, waren geladen, um die Fragen der Mandatare zu beantworten – und die hatten viele Fragen.
//Anschließend standen die Abstimmung über den Nachtragskredit über elf Millionen Euro und die dazugehörige politische Debatte auf dem Programm. Am Ende dauerten Fragerunde, Debatte und Abstimmung gute sieben Stunden, und die Mehrkosten wurden mit 27:13 Stimmen – gegen die Stimmen der Opposition (FPÖ, NEOS, ALI, Gerechtes Innsbruck) – abgesegnet.
„Der enge Zeitrahmen bei diesem Bauvolumen verursacht Probleme.“
Martin Baltes, Geschäftsführer Patscherkofelbahn Betriebs GmbH
Patscherkofel: Wissen wir jetzt mehr?
Ja und nein. Klar ist: Dass das Budget am Patscherkofel nicht halten würde, war laut Geschäftsführung seit Mitte März 2018 klar. Darüber wurde auch die Eigentümervertreterin – in diesem Fall die damalige Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer – zu diesem Zeitpunkt informiert. Allerdings konnte die Höhe der Mehrkosten Mitte März noch nicht beziffert werden (können sie übrigens immer noch nicht, aber dazu später).
//Und weil es sich eben um keine „validen Zahlen“ handelte, habe Oppitz-Plörer auch den Gemeinderat und die sogenannte Update-Gruppe, bestehend aus Mitgliedern des Gemeinderats, die regelmäßig über den Stand am Patscherkofel unterrichtet wurde, vor den Wahlen im April nicht mehr informiert. So die Rechtfertigung der damaligen Stadtchefin und jetzigen Vize-Bürgermeisterin, die im Gemeinderat zu Protokoll gab: „Ich kann mit bestem Wissen und Gewissen sagen, dass ich dem Gemeinderat und dem Stadtsenat keine validen Informationen vorenthalten habe.“ Auch dem Wunsch des Geschäftsführers Martin Baltes nach einer Generalversammlung wurde nicht entsprochen.
„Ich habe dem Gemeinderat und dem Stadtsenat keine validen Informationen vorenthalten.“
Christine Oppitz-Plörer, Vize-Bürgermeisterin
Wie sind die Mehrkosten entstanden?
Seitens der Verantwortlichen wurden mehrere Gründe genannt: Felsen wo kein Felsen sein sollte, Sand wo kein Sand sein sollte – trotz Bodenproben im Vorfeld, hielt der Boden am Kofel Überraschungen bereit. Weitere Probleme waren die Witterung, die Instandhaltung des Bauwegs, der Fund der Mülldeponie nahe der Bergstation, diverse Sabotageakte, die Auseinandersetzung mit dem Alpenverein, die für die Bauunternehmen günstige Entwicklung der Baukonjunktur, die Entscheidung für einen Architektenwettbewerb, die daraus resultierenden Hochbauten (Anmerkung Baltes: „Zweckbauten hätten es auch getan.“) und vor allem der Zeitdruck in Hinblick auf die geplante Eröffnung am 22. Dezember 2018, wodurch nur acht Monate für die Umsetzung blieben, gebaut werden konnte unterm Strich nur rund sechs Monate. „Der enge Zeitrahmen bei diesem Bauvolumen verursacht Probleme“, erklärte Baltes im Gemeinderat.
//Auch dieser Zeitdruck war großes Thema im Gemeinderat. Wer hat den Druck ausgeübt? Wäre es besser gewesen, eine Saison am Kofel zu pausieren? Martin Baltes dazu: „Einen Druck wegen der Eröffnung hat es nicht gebraucht, der war schon durch den im Gemeinderat abgesegneten Zeitplan da.“Oppitz-Plörer meinte dazu, ihr wäre es lieber gewesen, man hätte sich für den Bau mehr Zeit gelassen. Dafür sei aber „keine Mehrheit im Gemeinderat zu finden gewesen“.
Hat denn da keiner aufgepasst?
Eine weitere Frage, die den Gemeinderat beschäftigte – auch Bürgermeister Georg Willi: Wer hatte die Entwicklung der Kosten im Auge? Seitens der Politik wurde zwar ein Aufsichtsrat installiert, dieser sollte aber die Betriebs GmbH und nicht das Bauprojekt bzw. dezidiert die Kosten kontrollieren.
Kommt da noch mehr?
Die elf Millionen Euro seien ein „Worst-Case-Szenario“ versicherte der zweite Geschäftsführer Thomas Scheiber. Mitte Juni lagen erst 5 Prozent der Schlussrechnungen vor, bis Ende Juni konnten die Firmen ihre Forderungen stellen, anschließend hat die Patscherkofelbahn Betriebsgesellschaft zwei Monate Zeit, die Rechnungen zu beanstanden. Wie hoch die Mehrkosten also tatsächlich sind, kann noch niemand sagen. Laut Bürgermeister Willi war der Nachtragskredit zu diesem Zeitpunkt dennoch alternativlos: „Ansonsten würde die Betriebsgesellschaft Konkurs gehen.“ Thomas Scheiber bestätigte: „Noch sind wir liquide, mit Ende Juni ändert sich das.“
Und das war’s?
Nein. Bürgermeister Georg Willi hat die Kontrollabteilung der Stadt Innsbruck – die einzige weisungsfreie Abteilung der Stadt – mit der Aufklärung der Causa Kofel beauftragt. Bis der dazugehörige Bericht auf dem Tisch liegt. Das wird einige Monate dauern. Bleibt noch die Frage der politischen Verantwortung und nach anderen Konsequenzen. Muss Oppitz-Plörer zurücktreten, werden die beiden Geschäftsführer Baltes und Scheiber abgesetzt? Zu ersterem hatte Georg Willi zuletzt gesagt: „Es wird den Tag geben, wo man die Verantwortlichkeiten benennt.“
Kostenentwicklung am Patscherkofel
Ausgangsprojekt: 41 Millionen
Februar 2017: 58 Millionen
(Gemeinderat beschloss die Mehrkosten mit 28:9 bei 2 Enthaltungen – Innpirat Stemeseder versäumte die damalige Sitzung, musste wegen Fußfessel zum Zeitpunkt der Abstimmung nach Hause)
Juni 2018: 66 Millionen
(die 2,6 Millionen Euro für die Aufstockung des Stammkapitals der Betriebsgesellschaft nicht eingerechnet)
Wofür die 11 Millionen?
5 für Nachforderungen von Firmen
3,4 Fertigstellungskosten +Erweiterung Parkplatz
2,6 um das Stammkapital der Betriebsgesellschaft aufzustocken
Geht Innsbruck jetzt das Geld aus?
Ein Blick ins Budget:
Im Dezember 2016 wurde ein Doppelbudget für 2017/2018 beschlossen. Für 2018 ist darin für den ordentlichen Haushalt ein Gesamtvolumen von 382 Millionen Euro vorgesehen. Im ordentlichen Haushalt sind alle Einnahmen und Ausgaben der Stadt, alle laufenden Kosten wie zum Beispiel Personal, beziffert. Für den außerordentlichen Haushalt wurden 79,5 Millionen beschlossen. Dieser Topf ist dazu da, um Projekte zu finanzieren. Diese beiden Millionenbeträge sind verplant und werden auch ausgegeben.
Rechnungsabschluss 2017:
Im Doppelbudget 2017/2018 wurde für 2017 ein Abgang von 13,7 Millionen einkalkuliert und am Ende sind 9.308,47 Euro übriggeblieben. Dass Innsbruck anstelle eines budgetierten Minus ein leichtes Plus oder eine schwarze Null schafft, ist in den letzten Jahren öfter passiert. Meist sind es mehr Steuern, die man eingenommen hat, als erwartet, Kredite, die man früher zahlen konnte als geplant oder Verschiebungen vom ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt, die für diese angenehme Überraschung verantwortlich sind.
Wie viele Schulden hat Innsbruck 2017 gemacht?
78,4 Millionen. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist damit auf 603 Euro pro Einwohner gestiegen, 2016 waren es noch 316.
Für 2018 wird ein Schuldenstand von über 100 Millionen Euro erwartet, wie zuletzt – damals noch Bürgermeisterin – Christine Oppitz-Plörer in einem Interview mit 6020 im Dezember 2017 bestätigte.
Geld fehlt woanders
Abgesehen davon, dass elf Millionen Euro Mehrkosten per se weh tun – dem Steuerzahler wie der Politik – fehlt dieses Geld der Stadt schlussendlich in anderen Bereichen und engt ihren Spielraum ein. Konkret fehlt das Geld bei der sogenannten freien Finanzspitze – einem Investitionsspielraum, der für 2018 mit 45 Millionen beziffert wurde –, ein großer Teil davon ging nun aber für den Patscherkofel drauf. Für 2019 ist sie mit 25 Millionen angesetzt und die allgemeine Prognose seitens der Stadt lautet, dass diese Finanzspitze ab 2022 weniger wird, wenn nicht dagegengesteuert wird.
Hoffen auf EIB?
2017 hat die Stadt einen Kredit für die Tram/Regionalbahn bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) in der Höhe von 150 Millionen Euro auf 25 Jahre aufgenommen. Aktuell liegt man bei den Kosten für die Tram/Regionalbahn 40 Millionen unter dem Budget. Bürgermeister Georg Willi hofft nun, dass jenes Geld aus dem Kredit, das für die Tram nicht benötigt wird, in den Patscherkofel gesteckt werden kann. Ob diese Idee aufgeht, ist eine andere Frage. Ein Kredit bei der EIB ist mit strengen Regeln und Auflagen verbunden – gefördert werden nur Projekte mit Nachhaltigkeit.
Stadt Innsbruck
Saldo 2017
9.308,47 Euro
Zurückgezahlt werden müssen die jährlichen Raten für den EIB-Kredit übrigens ab 2021/2022.
Fazit
Die Stadt Innsbruck hat in den letzten Jahren viel investiert. 2017 waren es rund 100 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren hatte Innsbruck stets die geringste Verschuldung im Vergleich der Landeshauptstädte, diese hat sich nun verdoppelt. Mehrkosten, wie sie nun im Fall des Patscherkofels daher-kommen, fehlen im Investitionsspielraum.
Die freie Finanzspitze ist auch Gradmesser dafür, wie flexibel und handlungsfähig eine Stadt ist bzw. in der laufenden Budget-Periode sein kann, wenn sie muss. Der Handlungs- und vor allem der Gestaltungsspielraum für die neue Stadtregierung unter Bürgermeister Georg Willi sind aktuell nicht besonders groß – und mit Sicherheit um einiges kleiner, als es sich Willi vorgestellt hat.