pen-Mic-Sessions sind eine ausgezeichnete Plattform, um musizierende Gleichgesinnte zu treffen – vor allem, wenn man sie selbst organisiert. Das weiß Baiba Dēķena wohl am allerbesten: Die gebürtige Lettin kam im Rahmen des europäischen Förderprogramms EVS nach Innsbruck und lebt seit September 2014 hier. Sie arbeitet in der Bäckerei und schreibt und spielt als Musikerin ihre eigenen Songs.
//Innsbruck kannte Baiba vorher nicht – aber durch die Jobmöglichkeit entschloss sie sich, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen. „Es war eine gute Entscheidung“, befindet Baiba heute, „seit meiner Ankunft betreue ich spannende Projekte und lerne interessante Leute kennen.“ Durch ihre Arbeit hat sie einen guten Überblick über das Potenzial jener Musiker, die sich zum ersten Mal auf die Open-Mic-Bühne trauen. „Viele bemühen sich, eigene Songs zu performen“, erzählt sie. Ein klarer Beweis, dass man sowohl das Format als auch die Musiker ernst nehmen muss. Das Publikum liebt beide und wird immer größer.
Die Open-Mic-Sessions funktionieren, weil es die Zuschauer mögen, sich bei jedem Act überraschen zu lassen: „Es ist spannend und das Niveau wird immer besser“, stellt Baiba fest. Eine erfreuliche Entwicklung, denn anfänglich wurde das Projekt eher skeptisch beäugt. Und vielleicht würde es nur halb so gut funktionieren, wenn jemand anderes die Musiker zum Mitmachen überzeugen müsste: Mit ihrer sympathischen, motivierenden und trotzdem nicht aufdringlichen Art hat die 26-Jährige das richtige Händchen dafür.
Latvian Folk meets Indie.
Baibas persönlicher Weg zur Musik führte sie zunächst in die Musikschule zum Klavier- und Akkordeonunterricht, dann autodidaktisch zur Gitarre. Mit Anfang 20 begann sie, ihre eigenen Lieder auf Lettisch und Englisch zu schreiben, die sie dann auf Kleinkunstbühnen in ihrer Heimat präsentierte. Ihre folklastigen Songs performt sie vorerst in klassischer Singer-Songwriter-Manier, durch ihre kreative Arbeit hat sie aber stets ein offenes Ohr für die Musik, die ihr am besten gefällt: „Ich habe nicht die Absicht, etwas Neues zu erfinden, sondern meine eigene Identität als Musikerin zu definieren.“
Und je mehr Musik man kennenlernt, umso leichter findet man zu einem eigenen Stil, einem speziellen Vibe oder einer einzigartigen Kombination. So ist Baiba nun auf der Suche nach einem Sound, der breiter gefächert ist, mal in Richtung Indie geht, mal grungig oder auch poppiger klingt. Input gibt’s aus ihrem breiten Innsbrucker Netzwerk genug. Sie tritt unter anderem gemeinsam mit dem Pianisten Gregor Blösl und dem Beats-Tüftler Christoph Holzknecht als Baby’n‘Roll auf – ein spaßiges Elektro-Trio, das sich spontan auf einer Motel-Party formiert hat, und eine wunderbare Elektro-Coverversion von Angus & Julia Stone’s „Big Jet Plane“ raushaut, einfach so – siehe hier:
https://www.youtube.com/watch?v=nu_KE2EjoSA
Lebendige Songs.
Aber Baiba will mehr: Aktuell wird an den Arrangements ihrer eigenen Songs gearbeitet, Ende des Jahres soll ihr erstes Solo-Album kommen, das bei Super Plus Records erscheinen wird. Unterstützt wird sie dabei abermals von den Sounddesignern Christoph Holzknecht und Benjamin Leingartner.
Musikalische Inputs gibt es in Baibas breitem Innsbrucker Netzwerk genug.
Die Musik von Baiba in Worten:
Balance zwischen lettischen Folk-Elementen und Indiepop-Klängen mit charakterstarker und wandelbarer Stimme
Wo tritt Baiba auf?
In Tirol und Lettland, wo sie auch in der bekanntesten Frühstückssendung zu Gast war.
Bekanntheitsgrad:
7 von 10
(in der Open-Mic-Szene 10 von 10)
Mehr Infos:
www.facebook.com/baibyeofficial
Eine weiße E-Gitarre sorgt für kantigere Grunge-Klänge.
Christoph ist mit der klassischen Studioarbeit bestens vertraut und kennt die Regeln des Zusammenspiels von Ton und Atmosphäre. „Die gewünschte Emotion kann man mit recht simplen Tricks pushen“, erzählt Christoph, der in der Albumproduktion für die Adaptierung von Beats, Synthie und anderen Noise-Elementen zuständig ist und die Sängerin auch live unterstützt. „Er haucht meinem Sound Leben ein“, freut sich Baiba über die Kooperation. Die Songs der Lettin klingen aber auch in einfacher Gitarre-plus-Gesang-Besetzung sehr lebendig: Sie punkten vor allem durch ihre charakterstarke Stimme, die sie mal kraftvoll und rau, mal melancholisch und zärtlich einsetzt.
//Christoph hat nun die Aufgabe, für Baibas Stimme eine größere Kulisse zu bauen. Währenddessen hat die Sängerin ihre blumige Akustikgitarre gegen eine edle, weiße E-Gitarre eingetauscht. „Für kantigere Grunge-Klänge“, erklärt sie, „denn Schönheit besteht auch aus Makeln."
Prägende Ostsee.
Die Inspiration für ihre Songs findet Baiba im Gefühlsalltag und in der Natur. Sie ist nämlich in einem kleinen Dorf namens Pūre aufgewachsen, ihre Eltern betreiben dort eine Landwirtschaft. Ihnen hat sie den Song „Māte mani auklējusi“ gewidmet. Übersetzt heißt der Titel „Meine Mutter hat mich gewogen“, was auf Lettisch auch „großgezogen“ bedeutet. „Das Lied ist ein typisch lettischer Folksong, die Strophen sind Vierzeiler mit immer wiederkehrenden Elementen“, erklärt die Sängerin. „Manche Zuhörer glauben sogar, das Lied sei eine Neuinterpretation eines alten lettischen Volksliedes“, fügt sie noch hinzu.
//Der Text erzählt, wie Baibas Mutter sie auf dem Arm hält und wie ihr Vater Beeren für seine Kleine pflücken geht. Ein weiterer Ear-Catcher ist „Putni Prom“, eine wunderschöne Nummer über eine Trennung: Hier spielt Baiba textlich wieder mit Metaphern aus der Natur und lässt Vögel plötzlich wegflattern.
„Im Grunde geht es darum, Dinge loszulassen“, fasst sie zusammen. Dann gibt es noch das Lied „Jūra“, in dem die Ostsee besungen wird: Sie ist stürmisch und wild, aber die Wellen tragen alle Sorgen davon. Immerhin. Diesen Song gibt es auch auf Englisch und Christoph hat schon ein passendes Windrauschen als Soundbett vorbereitet. „Ich habe sechs Jahre lang in Liepāja gelebt, einer bildschönen Hafenstadt“, sagt Baiba. Letztes Jahr war sie zusammen mit befreundeten Musikern aus Innsbruck in Lettland auf Mini-Tournee und wollte die Gelegenheit nutzen, um den Gitarristen Mario Parizek und Oscar Murray sowie dem Schlagzeuger Guillermo Antunez ihre Heimat zu zeigen. Und seit sie die raue Ostsee erlebt haben, verstehen sie besser, warum Baibas Lieder klingen, wie sie eben klingen.