ast komme ich zu spät zu meiner Thai-Massage. Mit dem Fahrrad, nicht mit dem im Bilderbuch-Song „I <3 Stress“ besungenen Porsche, stehe ich im Zentrum Innsbrucks und suche verzweifelt nach einem Geldautomaten. In bar müsse man zahlen, meinte die Frau gestern am Telefon. Das und die Tatsache, dass ich statt 30 Minuten eine Dreiviertelstunde buchen musste, da eine halbe Stunde nur am Vormittag möglich sei, macht mich leicht stutzig.
//„Mit oder ohne Happy End?“, hatten mich meine lustigen Freunde in den Tagen davor gefragt, wann immer ich von meinem neuen Entspannungsprojekt erzählte. In diesem Fall ist das natürlich Blödsinn.
Die Thai-Massage ist eine Jahrtausende alte Heilpraktik, durch die man sogenannte Energielinien aktivieren will, um dem menschlichen Körper einige Alltagsleiden zu ersparen. Für den, der es nicht glaubt, ist es eine normale Massage mit Fokus auf die Kopf-, Nacken- und Rückenmuskulatur. Vor einem Geschäft mit schrillen grünen Schildern und der handschriftlichen Notiz, dass hier nur Barzahlung möglich sei, bleibe ich schließlich stehen. Gefunden. Ich habe Angst. Die Vorstellung, von fremden Menschen berührt zu werden, ist für mich so angenehm wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung oder eine exklusive Akustiksession von AnnenMayKantereit.
Ausziehen!
In einem kleinen Vorraum erwartet mich Li. Die Thailänderin mittleren Alters begrüßt mich, fragt nach meinem Namen und findet ihn irgendwie komisch. „Benomin ...“, murmelt sie, „langer Name.“ Li führt mich in den Massageraum. Am Boden liegen Matratzen mit ornamentverzierten Bettbezügen, die von schweren Vorhängen voneinander getrennt sind. Sie drückt mir zwei Kleidungsstücke in die Hand. Ich schaue sie verwundert an. „Ausziehen!“, sagt sie, lacht und geht aus der Kabine. Zwei Minuten später stehe ich in einer riesigen blauen Hose und einem ausgewaschenen Hippie-Hemd in der Massagehöhle.
So muss sich ein Schnitzel fühlen, wenn es geklopft wird.
Li kommt wieder rein, und ich lege mich mit dem Gesicht voraus auf ein Massage-Gesichtskipferl. Ich fühle mich ausgeliefert. Die Szene aus dem zweiten Teil von „Der Pate“, in der Moe Greene während der Massage eine Kugel ins Auge bekommt, spielt sich in meinem Kopf immer wieder ab. „Mit oder ohne Öl?“, fragt Li. „Ohne“, entgegne ich. Li beginnt, an meinen Muskeln herumzudrücken. Sofort bin ich mir sicher, dass sie mich mit einem Handgriff töten könnte.
Lieber mit Öl.
Nach wenigen Minuten halte ich es nicht mehr aus. Schmerzerfüllt schaue ich zu Li, die mir rät, es mit Öl zu probieren, das tue dann doch weniger weh. Mein Rücken ist ein nach Eukalyptus duftendes Stück Fleisch. So muss sich ein Schnitzel fühlen, wenn es geklopft wird. Li zerquetscht mir systematisch die Muskeln. Mal steht sie, mal kniet sie auf meinem Rücken. Als sie meinen Arm nimmt und meine Finger krachen lässt, entkommt mir ein Lachen bitterer Agonie.
„Du bist ein lustiger Mann“, sagt sie und fragt mich, warum ich überhaupt hergekommen bin. „Ich habe den Auftrag, mich zu entspannen“, antworte ich. „Entspannen“, wiederholt sie kichernd und zwickt weiter meinen Arm. Durch den Vorhang plaudert Li mit ihrer Kollegin, die jemanden nebenan massiert.
//Zur Thai-Massage zu gehen hat für mich eine Aura von Jahrtausendwende-Lifestyle. Möglicherweise liegen ja Sarah Jessica Parker, Jennifer Aniston oder gar Hugh Grant in der Kabine neben mir und entspannen sich von einem anstrengenden Jet-Set-Leben in der Filmbranche.
Gummi-Mensch.
Als sich ein großer Teil meines Körpers tot anfühlt, muss ich mich aufsetzen. Mein Kopf und mein Genick werden massiert – wir sind fast am Ende. Bei der letzten Übung wird mein Rückgrat in beide Richtungen gewunden wie ein knochiger Waschlappen. Es knackt und mir ist kurz schwindelig.
„Fertig“, sagt Li und bietet mir noch etwas zu trinken an. „Wasser, bitte“, antworte ich benommen. Schultern und Muskeln fühlen sich wie Gummi an. Jede Bewegung fließt ohne Widerstand. Entspannend war die Prozedur leider nicht, jedoch bin ich nicht mehr verspannt.
//Im Vorraum plaudern wir noch kurz, während im Hintergrund Musik läuft, die nach Thai-John-Lennon klingt. Ich nippe an meinem Glas und hoffe, dass sich das komische Rauschen in meinem Ohr bald wieder legt. Li kassiert das Massagegeld. Ob ich denn wiederkäme, fragt sie mich. Mein Blick spricht Bände. Li lacht und demonstriert mein Zucken und Herumwinden unter ihrem eisernen Griff. „Ich weiß, ich bin empfindlich“, gebe ich zu. Niedergeschlagen, müde und geprügelt verlasse ich das Studio. Ich frage mich, ob ich seelisch entspannt bin. Zumindest bin ich gut gedehnt, denke ich mir, und schmunzle über meinen eigenen Witz. Wie erbärmlich.
Ob ich denn wiederkäme, fragt sie mich. Mein Blick spricht Bände.