Die Studenten wohnen kostenlos in der WG, dafür gibt es verpflichtende Elemente wie das wöchentliche Abendgebet.
arbaras schwarzes T-Shirt macht Werbung für ein Poledance Studio in Innsbruck. „Poledance war einige Zeit ein Hobby von mir“, erklärt die Geschichte- und Lateinstudentin. Ein weiteres Hobby von Barbara ist das Singen im Gospelchor der Unipfarre Innsbruck. Geprägt durch ihre Eltern hatte sie immer schon ein Interesse für die Kirche. „Zeitweise habe ich mich auch für den Satanismus interessiert, aber da ist man immer gegen alles. Das ist so verneinend. Ich kleide mich oft schwarz, höre gern Metal-Musik, manche würde mich vielleicht der Gothic-Szene zuordnen, dennoch habe ich mir sogar überlegt, Theologie zu studieren“, erklärt die 31-Jährige mit den langen Rastazöpfen. Daheim in Brixen stoßen ihre vielfältigen, oft widersprüchlich wirkenden Interessen nicht immer auf Verständnis, in Innsbruck fühlt sie sich deutlich wohler.
//Barbara wohnt gemeinsam mit Theologiestudent Simon, Englisch- und Französischstudentin Clara und drei weiteren Studenten seit Semesterbeginn in der „spirituellen WG“ der Jesuiten. Diese Wohnmöglichkeit bieten die Jesuiten jedes Jahr, die Sechser-WG befindet sich im sechsten Stock des ÖH-Gebäudes, direkt neben der Gemeinschaft der Jesuiten. Der zeitliche Rahmen der WG ist immer ein Studienjahr. „Auch wenn nicht Massen nachfragen, so haben wir doch immer mehr Bewerber als freie Zimmer. Die WG soll Gelegenheit bieten, in der Gemeinschaft zu wachsen und den Glauben zu vertiefen“, erklärt Unipfarrer Gernot Wisser.
Theologiestudent Simon ist Erasmusstudent aus Regensburg und möchte später als Pastoralassistent arbeiten. „Pfarrer möchte ich nicht werden, wegen des Zölibats“, erklärt der 22-Jährige lachend. Wenn Simon von seinem Studium erzählt, reagieren viele erstaunt, viele finden’s auch cool. Auf Simons T-Shirt steht „Leave a mark“. Es ist ein T-Shirt der Don Bosco Jugend.
Big WG-Life.
Als Pater Gernot Wisser im September 2015 Universitätspfarrer wurde, entstand die Idee, eine spirituelle Wohngemeinschaft zu gründen. Tür an Tür befindet sich die Pfarrerswohnung, die Wisser zu einer dreiköpfigen Jesuiten-WG umfunktioniert hat. Neben Wisser als Pfarrer wohnt dort auch Hernán Rojas, ein Jesuit aus Chile, der an seiner Doktorarbeit über Karl Rahner schreibt, und Allan Ggita, ein Jesuit aus Uganda, der früher Internationale Beziehungen studiert hat und jetzt in Innsbruck Theologie studiert.
//Die sechs Studenten wohnen kostenlos in der WG, dafür gibt es verpflichtende Elemente, eines davon ist das wöchentliche Abendgebet mit den Jesuiten und einer anschließenden Gesprächsrunde. „Da reden wir zum Beispiel darüber, wer der Gründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, war“, erklärt Clara. Während der Fastenzeit werden die Exerzitien im Alltag ausgeübt, die Studenten beten einmal am Tag mit dazugehöriger Hilfestellung und Begleitgesprächen. Außerdem soll jeder Student zwei bis drei Stunden pro Woche Sozialdienst leisten, egal ob in der Kirche, im Altenheim oder bei der Hausaufgabenbetreuung.
Die Wohnung ist weitläufig, zusätzlich zu den jeweils eigenen Zimmern haben die Studenten eine Küche, ein Wohnzimmer und zwei Bäder, eines für die drei Burschen und eines für die drei Mädchen. „Spätestens beim Putzen des langen Ganges merkt man, wie groß die Wohnung wirklich ist“, lacht Clara. Barbara hat schon in vielen WGs gewohnt, in fünf oder sechs. „Die spirituelle WG ist mehr als eine Zweckgemeinschaft, hier läuft alles viel gemeinschaftlicher ab. Dennoch haben wir ein ganz normales WG-Leben mit Putzplänen, Partys in der Cafeteria im Erdgeschoß – und wir können auch Besuch bei uns haben“, erklärt Barbara.
Keine Exoten.
Clara kommt aus Angerberg, genauso wie ihre WG-Kollegen geht sie schon seit Jahren jeden Sonntag in die Kirche. Sie bezeichnet sich als gläubig, anders als ihre nicht-gläubigen Mitstudenten fühlt sie sich aber nicht. „Ich fühle mich auf der Uni nicht als Exotin. Der Glaube macht nur einen Teil meiner Persönlichkeit aus, ich bin noch vieles mehr“, erklärt Clara. In ihrer Freizeit geht sie gern ins Kletterzentrum, außerdem backt sie mit Leidenschaft. „Ab und zu hatten wir schon die Freude, etwas abzustauben“, lacht Simon. Nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch möchte Klara eine Konditorlehre anfangen. „Ganz schön ungewöhnlich, aber ich spüre, dass es das Richtige ist.“
„Die Theologiestudenten können schon feiern.“
Simon
Die Unipfarre
Die Unipfarre heißt eigentlich „Universitätspfarre zum heiligen Clemens Maria Hofbauer“ und hat auch eine Facebook-Seite (Universitätspfarre St. Clemens Innsbruck). Die Pfarrkirche ist die Neue Universitätskirche St. Johannes am Innrain. Zur Unipfarre gehören formell alle katholischen Studierenden und Beschäftigten der drei Universitäten Innsbrucks (LFU, Med-UNI und MCI), deren Ehepartner und -partnerinnen sowie deren Kinder bis zum 18. Lebensjahr.
Die spirituellen Angebote der Unipfarre (in der Vorlesungszeit):
• 7–7.30 Uhr: Eucharistiefeier (jeden Dienstag mit anschließendem Frühstück)
• 19–19.20 Uhr: Vesper (Montag und Mittwoch)
• 19–20 Uhr: Taizé-Gebet mit ignatianischen Elementen, jeden dritten Donnerstag im Monat in der Kapelle
• 19–20 Uhr: Sonntagsmesse (wenn nicht anders angegeben, in St. Johannes am Innrain)
Außerdem veranstaltet die Unipfarre den beliebten Kleidertausch, Karaokesingen, Jesuiten-Workshops, Christkindlmarktbesuche und einiges mehr.
„Die spirituelle WG ist mehr als eine Zweckgemeinschaft.“
Barbara
Der Regensburger Simon genießt das Studentenleben in Innsbruck. „Die Theologiestudenten können schon feiern“, lacht Simon. „Die Festln der Theologie sind fast schon legendär“, bekräftigt Barbara. In der Freizeit spielt Simon im Verein Ultimate Frisbee und einmal pro Woche Theologenfußball. Nächstes Jahr findet in Innsbruck der TheoCup statt, ein internationales Fußballturnier, an dem Studierende verschiedener theologischer Fakultäten teilnehmen. Simon ist bei den Organisationsarbeiten mit Feuereifer dabei.
//Wenn Simon, Barbara und Clara Mitstudenten von ihrer WG erzählen, reagieren die oft verblüfft. Von der WG der Jesuiten haben die wenigsten Studenten gehört. In der Kirche sind sie oft die jüngsten, das ist ihnen aber egal. „Der sonntägliche Kirchenbesuch gibt der Woche Struktur und bietet Zeit zum Innehalten. Auch wenn nicht jeder Pfarrer gut predigt, weil er vielleicht nicht so nah bei den Menschen ist, gibt der regelmäßige Kirchenbesuch doch viel Hilfestellung und Orientierung für den Alltag“, sagt Simon. Über Pfarrer Gernot sind die drei WG-Bewohner voll des Lobes, am liebsten würden sie sogar über das Jahr hinaus in der WG bleiben. Und auch wenn das nicht möglich ist – ein Studieren mit Gott wird es für die drei in jedem Fall bleiben.
Der Unipfarrer
Pfarrer Gernot Wisser wird 1956 in Mondsee geboren und wächst in Wien auf. Wisser studiert in Wien Architektur und arbeitet sechs Jahre als Architekt. Obwohl zuvor ohne besondere Nähe zur Kirche, hat er kurz vor seinem 30. Geburtstag im Urlaub in Frankreich ein Berufungserlebnis und beginnt, Theologie zu studieren, unter anderem in Rom. Seit 2015 ist Wisser Universitätspfarrer und Studierendenseelsorger in Innsbruck.