in junger Mann erzählt, wie er kürzlich auf den Hund gekommen ist und wie er dadurch um ein Haar geküsst worden wäre. Ein Paar berichtet, warum es seine sicheren, aber zeitaufwendigen Jobs aufgegeben hat, um fortan einen eigenen Reiseblog zu betreiben. Ein ehemaliger Kunst- und Pädagogikstudent erklärt, warum ihn Kryptowährungen mehr begeistern als seine abgebrochenen Studien. Solche und noch weitere Erzählungen inklusive Fotos sammeln Nikolina Žunec und Bertram Schrettl und stellen sie online. Der Arbeit an „Humans of Innsbruck“ widmen sie täglich bis zu fünf Stunden.
Platz für Individuen.
Ob skurril, traurig, inspirierend oder abenteuerlich – jeder hat eine interessante Geschichte auf Lager. Das gilt für New York, Innsbruck und wahrscheinlich alle Städte der Welt. „Unser Konzept ist in Anlehnung an ‚Humans of New York‘ entstanden. Uns sprach das offene Konzept an, denn die ‚Humans‘ werden nicht zu bestimmten Themen befragt, sondern entscheiden selbst, was sie uns und auch den Lesern aus ihrem Leben preisgeben möchten“, erklärt Nikolina.
„Uns war auch immer wieder aufgefallen, dass man Personen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Kleidung, Szene oder auch Alter bestimmte stereotype Eigenschaften zuschreibt, ohne sie überhaupt zu kennen“, ergänzt Bertram.
//Deshalb soll der Foto-Blog Personen aus allen gesellschaftlichen Gruppen eine Plattform bieten, um sich als Individuum zu präsentieren. So manches Vorurteil und Klischee könne so abgeschwächt oder gar ausgeräumt werden. „Wir stellen das Gemeinsame über das Trennende und wollen Diskussionen auf Augenhöhe ermöglichen“, sagt das Künstlerpaar. Die Facebook-Seite „Humans of Innsbruck“ ging Anfang Feber online. Damit haben die beiden augenscheinlich den Geschmack der Netzcommunity getroffen: Aktuell hat die Seite rund 4.000 Fans, Tendenz steigend.
Beeindruckendes Feedback.
„Eine kurze Geschichte mit Foto reicht, um einander zumindest ein bisschen weniger fremd zu sein“, ist Bertram überzeugt. Die Texte sind rasch gelesen und regen auch konstruktive Diskussionen an, „und dort, wo diskutiert wird, entwickelt sich ja was“.
Wie konstruktiv diese Form des Austauschs sein kann, beweist eine der ersten veröffentlichten Storys über eine obdachlose Frau, die nach einer Krebserkrankung auf der Straße landete. Das Schicksal der ehemaligen Tierpflegerin erreichte binnen kürzester Zeit über 400.000 Personen. „Nach zwei Tagen erhielten wir hunderte Meldungen mit konkreten Hilfsangeboten, die wir ihr weitergegeben haben. Das war so überwältigend, dass wir die Geschichte auf Wunsch der Dame entfernt haben. Sie ist sehr dankbar, sah sich aber nicht mehr imstande, sich zwischen noch mehr Angeboten zu entscheiden“, erzählt Nikolina und lächelt.
//Aber auch auf andere Geschichten, insbesondere jener von wohnungslosen Menschen, wurde mit sehr viel Hilfsbereitschaft reagiert. „Manche wollen Essenspakete oder Jacken vorbeibringen, andere bieten sogar eine fixe Bleibe oder einen Job. Der Zuspruch ist enorm und beeindruckt uns sehr“, sagt Bertram. Warum helfen die Menschen in diesen Fällen so schnell und so unkompliziert? Vermutlich, weil die Schicksale mit einem Gesicht verknüpft sind, mit Gefühlen, Humor und Lebenserfahrungen, mit denen man sich leicht identifizieren kann.
„Wir fordern die Leute auf, sich die Zeit zu nehmen, um über ihre aktuelle Situation nachzudenken.“
Nikolina und Bertram
Die Stadt als gemeinsamer Nenner.
„Anfangs mussten wir unseren inneren Schweinehund überwinden, um ein Gespräch mit Wildfremden zu beginnen, mit denen wir sonst nie ins Gespräch gekommen wären“, gesteht das Künstlerpaar. „Aber es lohnt sich“, sind sie überzeugt. Gemeinsam suchen sie täglich nach potenziellen Kandidaten, wobei sie nicht nur auf eine Vielfalt der Charaktere achten, sondern auch auf eine rücksichtsvolle Auswahl. Sie wollen auf keinen Fall Menschen beim Essen stören, und auch eilige Passanten kommen nicht in Frage. Ob Touristen, Pendler oder gebürtige Innsbrucker ist irrelevant – Hauptsache, sie halten sich in der Stadt auf. In ihrer Gesamtheit prägen sie alle denselben Lebensraum.
//Nachdem Nikolina und Bertram kurz ihr Projekt erklären, stellen sie den Personen allen dieselbe Frage: „Was beschäftigt dich zurzeit?“ Eine Frage, auf die viele spontan keine Antwort parat haben. Doch gerade in der anfänglichen Ratlosigkeit sehen die Initiatoren den Mehrwert ihres Projekts: „Wir fordern die Leute auf, sich die Zeit zu nehmen, um über ihre aktuelle Situation nachzudenken.“ Mit Fragen zu einem kürzlich gelesenen Buch oder wie es im Job oder in der Liebe läuft, schlagen Themenbereiche vor, um die Situation aufzulockern. „Dann fällt den Gesprächspartnern bald ein Thema ein, worüber sie gerne sprechen. Wir glauben, dass es vielen guttut, von sich zu erzählen, während jemand zuhört.“
//Es gibt mehr Menschen, die mitmachen, als welche, die absagen. „Wir hätten erwartet, dass es eher andersrum ist. Alleine wegen dieser Erfahrung hat sich das Projekt schon rentiert“, sagt das Künstlerpaar. Die Erzählungen fassen sie zu einem kurzen Text zusammen, der dem Charakter und den Begrifflichkeiten der porträtierten Personen entspricht. Die Namen lassen sie bewusst weg, Kommentare mit Verlinkungen werden gelöscht. Manche Postings müssen auch moderiert werden, etwa, um Geschichten zu vertiefen, oder für den Fall, dass Details missverstanden werden. Reibungspunkte dürfen aber bleiben, stellen Nikolina und Bertram klar: „Wir wollen nicht gefällig sein, sondern Realitäten abbilden.“
Alle Geschichten findet man auf:
Ob Touristen, Pendler oder gebürtige Innsbrucker ist irrelevant.