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APRIL 2016

Musik aus Tirol

Männer, die auf Schuhe starren

6020 stellt Musiker aus Innsbruck vor. Diesmal: Molly.

Fotos: Franz Oss
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inter dem knappen, eingängigen Namen Molly verbirgt sich wohl ein weiblicher Shoegaze-Fan. Shoegaze, das ist jene verträumte Musikrichtung, die aus der psychedelischen New-Wave- und Post-Punk-Szene entstand und Ende der 1980er und Anfang der 1990er ihre Blüte in England erlebte. Den Sound kann man als klirrenden Indie beschreiben, der aus vielschichtigen, melodischen Verzerrungen besteht. Shoegaze beschreibt gleichzeitig auch die typische Pose der Hauptakteure. Man erinnert sich an Bands wie Slowdive und My Bloody Valentine, mit Sängern, die immerzu durch ihre Haarpracht auf die Fußarbeit mit den Pedalen blicken oder eben „gazen“ mussten, anstatt die Rampensau zu mimen. Denn damals galt in diesen Kreisen die Devise: Die Bühne sollte nicht als reine Ego-Plattform dienen, auf ihr sollten lieber normale, bescheidene Typen auftreten. Diese Pose – so wollte es das Klischee – übernahmen auch die Fans, das Genre wurde hie und da auch etwas belächelt.

Die neue Einzigartigkeit.

Knapp ein Vierteljahrhundert später sind Phillip Dornauer und Lars Andersson solche Klischees egal, und das zu Recht. Sie bilden das Duo Molly, machen Shoegaze/Dreampop und genau dieses Genre verleiht ihnen heute ein besonderes Alleinstellungsmerkmal. Darüber hinaus mögen sie Post-Rock- und Neo-Psychedelic-Bands, aus der Vorliebe schöpfen sie Inspiration für ihre eigenen Songs.

„Internet sei Dank ist die heimische Basis fast irrelevant.“

Phillip Dornauer

 

Hie und da noch ein paar Ambient-Elemente und fertig ist die Mischung. „Unsere Lieblingsbands kommen aus Perth, Australien, einer total abgeschiedenen Wüstengegend, und trotzdem ist es ein heißes Pflaster für Namen wie Tame Impala oder Pond“, erzählt Phillip.

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Könnte man da Parallelen zur Tiroler Musikszene ziehen? Philipp relativiert, aber die Antwort lautet: Ja, kann man. Man brauche nur an die prominenteren lokalen Bands zu denken, die selbst ohne Plattenlabel direkt vor der Haustür den Durchbruch schaffen. Es fallen Namen wie White Miles und Mother’s Cake ein. Phillip und Lars waren auch schon bei der Innsbrucker Band Aux Portes dabei. Als die Band beschloss, nach Wien zu gehen, kamen die beiden ins Grübeln. Ein Umzug in die Großstadt könnte großen Schaden anrichten, so ihre Überlegung, dort gehe man nämlich als Band leichter in der Masse unter. So blieben sie in Tirol und bewegen sich zwischen Innsbruck, Brixlegg und Baumkirchen. „Internet sei Dank ist die heimische Basis fast irrelevant“, findet Phillip.

Außergewöhnlicher Werdegang.

Dafür, dass sich das Duo erst Ende 2014 formierte, war es bereits äußerst produktiv. Es gibt zwar noch kein Album, dafür aber mehrere Erstveröffentlichungen auf YouTube. Das Live-Set mit fünf Liedern trägt den Titel „Live from the Cave“. Die Videos dafür haben sie selber gedreht, die Songs wurden live aufgenommen.

„Wir spielen immer alles gleichzeitig, und benutzen keine Backing Tracks“, erklärt Lars. „In unseren Cave-Videos wollen wir sichtbar machen, wie wir arbeiten, und wer was tut.“

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Die Aufgaben teilen sie sich folgendermaßen auf: Phillip spielt Drums und bedient Synthie und Basspedal, Lars ist Gitarrist und Sänger. Das gleichzeitige Hantieren mit mehreren Instrumenten sei reine Übungssache: „Unser Anspruch ist, auch zu zweit einen intensiven und fetten Sound zu schaffen – und da fehlt gar nix, um auch live einen guten Eindruck zu hinterlassen“, sagt Lars. „Dass wir so jung aussehen, wirkt zudem auch recht ‚impressive‘“, fügt Phillip hinzu. Er ist 23, Lars ist 21 Jahre alt, rein oberflächlich könnte man sie auch jünger schätzen. Das Klischee der schüchternen Soundtüftler und Schuhstarrer erfüllen sie aber ganz und gar nicht: Sie sind zielstrebig und selbstbewusst, wissen, was sie musikalisch können, und haben eine genaue Vorstellung zur Ästhetik ihrer Inszenierung. Wenn sie von ihren Plänen erzählen, wirken sie sofort älter und reifer, als sie aussehen.

Vinyl und Verwandlungen.

Im Juni wird Mollys erste 10‘‘ EP erscheinen, und zwar in limitierter Auflage von 300 Stück. Für das Mischen ihrer Single „Sun Sun Sun“ holten sie sich Hilfe von Mitch Lah, dem australischen Shoegaze-Spezialisten bei Jonestown Audio. „Sein spezielles Know-how ist enorm wichtig, weil das Mixing einen eigenen Teil des kreativen Prozesses darstellt“, erzählt Lars.

6020 Online A198 Musikserie 2

Musik von Molly in Worten:
Atmosphärischer, psychedelischer und kluger Shoegaze/Dreampop  

Bandmitglieder:
Lars Andersson, Gitarrist, Sänger    
Phillip Dornauer, Drums, Synthie

Wo tritt Molly auf?
Bei den „Upload“-Etappen in Norditalien sowie in Innsbruck, Wien, Saalbach und Budapest – die Liste ist noch kurz, aber bei dem Elan des Duos rasch ausbaufähig.

Bekanntheitsgrad:
Acht von zehn Noten


Die Single „Sun Sun Sun“ wurde schon mehr als 21.000 Mal auf YouTube abgespielt. Die Nummer läuft im heimischen Radio, findet über das Netz aber auch Zugang zu einer internationalen Fanbase in Kalifornien, den Philippinen, Brasilien und Mexiko.

Mehr Infos:
wearemolly.com

„Unser Anspruch ist, auch zu zweit einen intensiven und fetten Sound zu schaffen.“

Lars Andersson