Was war die Absicht eures gemeinsamen Albums „Unser Österreich“? Ernst Molden: Reduktion! Im Original sind die Lieder fast barock arrangiert, da gibt’s ganze Orchester und später viel Keyboard. Aber diese alten Stücke sind so schön und wollen auch gespielt werden, als wären sie uralte Folksongs. Wir wollten sie im Lagerfeuer-Stil.
Nino aus Wien: Und die Lieder auf Haut und Knochen reduzieren, skelettieren.
Molden: Da war der Nino der ideale Partner in Crime, dem gefällt das auch so gut.
Wie habt ihr die Lieder ausgewählt? Nino: Es sind Lieblingslieder, die wir einfach instinktiv ausgewählt haben, ohne nächtelang zu überlegen. Sie mussten funktionieren, so wie wir sie spielen, aber eine Herzensbeziehung zu ihnen war auf jeden Fall ein Auswahlkriterium.
Wie habt ihr zueinander gefunden? Molden: Als der Nino für Aufsehen beim Protestsong-Contest gesorgt hat, hab ich ihn auch bemerkt. Irgendwann komm ich heim, und meine Frau hört auf YouTube Ninos „Es geht immer ums Vollenden“. Und wenn jemand so die Aufmerksamkeit meiner Frau gewinnt, wie er mit dem Lied, dann hat der Typ sofort auch meine Aufmerksamkeit. Wien ist ja nicht so groß, irgendwann haben wir uns getroffen und beschlossen, wir machen was zusammen.
Nino: Ich kenn deine Musik länger als du meine, du machst ja schon länger Musik. So etwa 2005 hab ich sie kennengelernt.
Molden: Aber wie der Nino aufgetaucht ist, hab ich mir gedacht: Das passiert nicht sehr oft, dass der Sound von Wien eine neue Stimme findet, und das war damals er.
Nino (schmunzelt): Ich hab halt auch einen guten Namen ausgewählt.
Molden: Und es hat als Trademark sofort funktioniert.
„Man kann sie sich nicht wirklich erklären, aber es ist seit knapp einem Jahr alles ein bisschen mehr und größer. Und die Deutschen stehen auf die Wiener.“
Nino aus Wien
6020 (und Molden): Du heißt auch wirklich Nino? Nino: Ja, Nino ist kein Spitzname, es gibt keinen zweiten Namen und ich komme auch wirklich aus Wien.
Auf dem Cover von „Unser Österreich“ seid ihr mit einer zerrissenen, österreichischen Fahne zu sehen, woher kommt die Idee? Molden: Die Fahne hing eine ganze Saison lang am Wurstelprater. Da gibt es einen Rutschturm, und ich bin mit dem Besitzer befreundet. Er hängt jedes Jahr bei Saisonbeginn eine nagelneue Fahne auf, nach Saisonende nimmt er sie wieder ab und sie ist komplett zerfetzt. Er hat uns ein paar angeboten, und wir haben die vom Jahr 2009 ausgewählt.
Nino: Der Rutschturm, das ist der Turbogun! Die größte, gefährlichste Rutsche Wiens, oder mindestens der Welt.
Wie waren eure Auftritte ganz im Westen? Ihr habt ja auch Zürs und St. Anton bespielt. Molden: In Zürs war‘s schon strange. Wir haben in einer Hotelbar gespielt, einer superreichen Welt, da haben wir nicht gewusst, was wir da machen (lacht).
Nino: Und Hotelbars sind der letzte Ort, an dem ich gedacht habe, irgendwann mit meiner Musik aufzutreten. Ich hab eher an Stadions gedacht, aber es war auch sehr spannend, eine lustige Erfahrung.
Molden: St. Anton war super, es gab auch Innsbrucker, die extra raufgefahren sind. Wenn man früher als Wiener Musiker nach Tirol gekommen ist, ist einem nicht automatisch das Wohlwollen entgegengekommen. Aber das ist jetzt anders, Tirol ist super, auch Innsbruck hat sich sehr verändert. Und der Max Mühlbacher, mein Plattenhersteller, ist hier. Da kommt man aus Wien, um nach Innsbruck zu gehen, weil da die Platten so gut gemacht werden!
Nino: Es gibt auch Einige, die uns nachreisen. Das ehrt auch ein bisschen, die fahren so viele Kilometer, nur um unser Konzert zu sehen. Das ist schon schön.
Das ist Liebe …
Nino: Amore!
Apropos: Der neue Austropop? Gibt’s ihn wirklich? Molden: Der Begriff Austropop dient nur als Schublade. Aktuell fällt eine neue Sehnsucht danach auf, die Szene ist toll, wir kennen ja einige Akteure. Aber sie ist schon viel zu heterogen, um in nur eine Schublade zu passen. Diese Szene hat sich auch schon eine Zeit lang vorbereitet in Wien. Als ich 1995 angefangen habe, da gab es nur Elektronik. Niemand hätte auf Wienerisch mit der Gitarre ein Lied gesungen, und ich war einsam (lacht). Dann kamen Garish, Ja Panik, Nino …
Nino: Und jetzt Bilderbuch, Wanda, die sind ja auch nicht aus dem Nichts gekommen. Vielleicht sind zurzeit gute Vibrationen am Werk, immerhin hat Österreich auch den Songcontest gewonnen, man spürt schon eine Aufbruchsstimmung. Man kann sie sich nicht wirklich erklären, aber es ist seit knapp einem Jahr alles ein bisschen mehr und größer. Und die Deutschen stehen auf die Wiener.
Molden: Dort ist vielleicht die Musiklandschaft etwas fad, Österreich gilt ein bisschen als Heilsbringer.
Trotz der „mangelnden Industrie“ hierzulande, wie man mancherorts beklagt? Molden: Die Großindustrie ist überbewertet, all diese neuen Bands sind nicht einmal bei Major Labels. Meine erste Platte hab ich bei Sony gemacht, und es blieb meine einzige Erfahrung mit den Großen. Sie haben mich so produziert, wie ich nicht klingen wollte, um dann als Marketingstrategie zu Ö3 zu gehen. Aber genau dann hat Ö3 aufgehört, österreichische deutschsprachige Musik zu spielen, darum ist der Plan nicht aufgegangen. Ich bin jetzt bei Monkey Records, einem Indie Label.
Nino: Diese Indie Labels wie Problembär Records und Co. sind Ein-Personen-Unternehmen. Aber ich würde jetzt trotzdem nicht zu Sony gehen. Sie haben mich zwar mal kontaktiert, als „Du Oasch“ rauskam, und gefragt: „Mach doch auf ‚neuen Ambros‘, wir haben ein paar super Songwriter mit Dialektliedern.“ Dabei war dieser Titel bis dahin mein einziges Dialektlied, ich hatte aber vorher schon 150 Lieder auf Hochdeutsch geschrieben. Ich hab mit ihrer Idee nicht viel anfangen können, außerdem bin ich ja selber ein Liederschreiber.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Album „Unser Österreich“ von Ernst Molden & Der Nino aus Wien ist auf Monkey Records erschienen.