Wir empfehlen
NOVEMBER 2014

Coverstory

Erst die Taxe, dann das Vergnügen

Die Kriegsopferabgabe wird ab Anfang Jänner 2015 Geschichte sein. Mit dieser Maßnahme will die Tiroler Landesregierung für bessere Stimmung unter den Veranstaltern sorgen – Schampusflaschen werden wohl trotzdem nicht geköpft werden. 6020 weiß, wo weiterhin die Spaßbremsen lauern.

D

arum geht’s: Die Kriegsopferabgabe, auch bekannt als Behindertenabgabe, wird noch bis Ende Dezember bei „Veranstaltungen ohne kulturellen oder künstlerischen Charakter“ fällig sein, und beträgt 10 Prozent des Eintrittspreises. Das Gesetz, das diese Abgabe reguliert, ist ein Landesgesetz – allerdings kann jede einzelne Gemeinde selbst darüber entscheiden, ob sie die Abgabe einhebt oder nicht. Mit der Abschaffung sollen nun Veranstalter und Verwaltung entlastet werden, da sich der Aufwand angeblich kaum mehr lohnt.

// 

Bisher flossen jährlich rund 450.000 Euro in den Kriegsopfer- und Behindertenfonds, der Zuschüsse zu Wohnbedarf, Kuraufenthalten oder zur Förderung von Rehabilitationsmaßnahmen finanziert. Dieser Fonds verfügt laut Landesregierung über genügend Mittel, um solche Förderungen nach wie vor gewährleisten zu können – dank anderer Steuergelder, zum Beispiel aus dem Lotterienfonds. Betroffene Institutionen kritisieren jedoch diese Einschnitte, weil sie befürchten, dass dringend benötigte Erhöhungen der Förderungen für Menschen mit Behinderungen nicht mehr möglich sind.

„Höchste zeit! die kriegerwitwen sind auch nicht mehr die jüngsten.“

Norbert Pleifer
Norbert Pfleifer

 

Kampf der Pazifisten.

„Höchste Zeit! 100 Jahre nach dem Ersten und 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Kriegerwitwen ja auch nicht mehr die jüngsten“, kommentiert Norbert Pleifer, notorisch schlagfertiger Innsbrucker Veranstalter, die Abschaffung der Kriegsopferabgabe. Der Treibhaus-Chef ist einer der wenigen, die sich über das Ende der Abgabe ehrlich freuen, schließlich musste er sich paradoxerweise ziemlich viel mit ihr befassen: „Wir hatten vor Jahren einen Riesenkonflikt mit dem Kriegsopferverband. Ich hatte eine große Veranstaltung im Congress. Auf die Rückseite der Eintrittskarte hatten wir geschrieben: ‚7 Prozent dieser Eintrittskarte kassiert der Kriegsopferverband zur Finanzierung des letzten beziehungsweise nächsten Krieges.‘ Darauf gab es eine Welle der Empörung in allen Medien, von wegen: Wir hätten kein Herz für Witwen und Waisen.“

Darum geht’s wirklich.

Die meisten heimischen Veranstalter finden die Abschaffung der Kriegsopfer- und Behindertenabgabe zwar schön, betonen aber, dass das eigentliche Problem ihre große Schwester, die Vergnügungssteuer, sei. Je nach Veranstaltungsart beträgt diese zwischen 4 und 25 Prozent des Eintrittspreises. Auch hier gilt: Die Regulierung erledigt das Land, die Einhebung die Gemeinden  – wenn sie dies möchten.

// 

Die Stadt Innsbruck mag die Vergnügungssteuer und kassiert jährlich bis zu zwei Millionen Euro. Die Kriegsopferabgabe ging bisher Hand in Hand mit der Vergnügungssteuer, also war die Einhebung dieses Steuerpaares kein wirklich großer Aufwand – die Abschaffung ist dementsprechend auch keine riesige Erleichterung für die Verwaltung. Ist das Ende der Kriegsopferabgabe somit nur ein Pseudo-Zuckerl?

Die Spaßbremse.

Bei Veranstaltungen, die Besucher „unterhalten und ergötzen“, ist das Ungetüm „Lustbarkeitsabgabe“ alias Vergnügungssteuer fällig – so will es das Tiroler Vergnügungssteuergesetz von 1982. Abschreckender kann eine in Bürokratensprech verpackte Moralkeule wohl nicht sein. Nicht nur Veranstalter stellen sich schon lange die Frage, ob es die Weltstadt Innsbruck im 21. Jahrhundert wirklich noch nötig hat, Einheimischen und Besuchern indirekt ein schlechtes Gewissen einzureden.

// 

Auch Event-Profis haben Einwände: „Eine Vergnügungssteuer ist einfach nicht mehr zeitgemäß, die Kriegsopferabgabe erst recht nicht“, sagt Bernhard Wanner von der Tiroler Wirtschaftskammer. Als Fachgruppenobmann der Freizeit- und Sportbetriebe kritisiert er die Politik, die eine Stadt touristisch attraktiv machen will, dies aber gleichzeitig steuerlich sabotiert.

„eine vergnügungssteuer ist einfach nicht mehr zeitgemäss.“

bernhard wanner

Blüten der bösen Bürokratie.

Die Besteuerung von Veranstaltungen hängt im Übrigen von der Art derselben ab. Für eine genaue Klassifizierung der Veranstaltungen hat die Landesregierung auch verschiedene Kriterien definiert: Ein Konzert wird mit 4 Prozent, Tanz- oder Showevents mit 15 Prozent und Clubbings mit 25 Prozent besteuert. So weit die Theorie. In der Praxis sind Veranstalter nicht selten mit bürokratischen Definitionsproblemen konfrontiert. Ist der hypothetisch beste Elektro-DJ der Welt wirklich „nur“ ein DJ (Jackpot für die Gemeindekassa, denn das macht 25 Prozent Steuern), ein Show-Act, der „mechanisch musikalische Stücke mit Musikautomaten wiedergibt“ (behördisch für DJ, dies bringt 15 Prozent Steuern) oder doch ein Livemusiker (Jackpot für den Veranstalter mit nur 4 Prozent Taxen)? Für Veranstalter-Urgestein Peter Lindner ist diese Klassifizierung in jeder Hinsicht veraltet: „Kriegsopferabgabe und Vergnügungssteuer basieren auf nicht mehr zeitgemäßen Grundlagen und machen die Durchführung vieler Veranstaltungen wirtschaftlich unmöglich. Die aktuellen Trends wurden seit Jahren nicht begriffen und nicht richtig bemessen, denn der internationale Musikmarkt wird großteils von den Star-DJs bestimmt, die auch Musiker mit eigener Musik sind und somit den Künstlerstatus besitzen.“

// 

Alois Glatzl vom Innsbrucker Stadtmagistrat sieht die Lage so: „Die Kategorien und Definitionen für Veranstaltungsarten sind eigentlich sehr klar und nachvollziehbar, und ebenso klar ist, dass niemand am höchsten besteuert werden will.“ Sind diese Einstufungskriterien veraltet? „Das ist eine Sache der Landespolitik, die das Gesetz beschlossen hat. Ausschlaggebend ist aber, wie sich eine Veranstaltung generell darstellt.“

// 

Ein positives Beispiel für die Kompromissbereitschaft der Verwaltung kommt von Patrizia Hueber vom Metropol Kino. „Bei der Filmvorführung von Opern wäre für uns als Multiplex auch eine Vergnügungssteuerabgabe fällig gewesen. Unser Opernprogramm ermöglicht jedoch Zugang zu Kultur in ihrer Reinform – in diesem Zusammenhang wäre die Einhebung einer Vergnügungssteuer ja fast absurd. Glücklicherweise wurde ein Antrag auf Erlass genehmigt.“ Schön, wenn es manchmal auch Lösungen gibt.    

 

Prädikat „wertvoll“ und die Steuer

Die Prädikate „wertvoll“ oder „sehenswert“ sind jedem Kinofan bekannt. Die Vergabe dieser Qualitätssiegel erteilt die Filmbewertungskommission, eine offizielle Einrichtung aller Bundesländer. Die Vorführung prädikatisierter Filme in einem Kino-Multiplex wird nicht besteuert. Ein Filmverleih, der also seine Produkte möglichst steuergünstig auf den Markt bringen möchte, kann ein Prädikat beantragen – so machen es etwa große US-Firmen. „Leider haben nur wenige österreichische und europäische Filmverleihe das nötige Kleingeld für die Antragstellung, darum gehen viele tolle Filme unter“, erklärt Patrizia Hueber vom Metropol Kino. Aber es kann auch anders gehen: Der Film „12 Years a Slave“ hat heuer drei Oscars abgesahnt, war ein Publikumsmagnet, aber nicht prädikatisiert. „Das war ein sehr erfolgreicher Film, aber den Antrag konnte man im Nachhinein nicht mehr stellen“, sagt Hueber. Also blieb er für die Tiroler Kinos sehr teuer, weil ohne Prädikat die Vergnügungssteuer fällig wurde.

 

„aktuelle trends werden nicht begriffen und nicht richtig bemessen.“

peter lindner