er Himmel hängt tief und grau über Innsbruck. Grindiges Herbstwetter. Ich bin ein wenig gespannt darauf, wer die Person hinter der exaltierten Inszenierungsstrategie „Kamil Szlachta“ ist. Doch das eine „Dahinter“ gibt es ja nicht, wenn dann schon mehrere „Dahinter“. Es wäre doch ein Irrtum anzunehmen, ich bekäme jetzt so etwas wie ein wahres Gesicht präsentiert. In einer Textpassage von Kamil Szlachta wird explizit diese Thematik verhandelt: „Wer ich auch bin, es macht keinen Sinn, hab schon jede Verkleidung probiert. Und jedes Mal krieg ich eine aufs Kinn, wie der Clown der alle amüsiert.“
//15.45 Uhr. Auf die Minute pünktlich kommt ein langhaariger und bärtiger, irgendwie grungig auftretender Berufsjugendlicher mit sicherem Schritt auf mich zu. Ich lobe ihn gleich der Pünktlichkeit wegen, um damit vielleicht schon ein bisschen am Eis zu kratzen. Er meint, sie sei ja sonst nicht seine Stärke, die Pünktlichkeit. Ich denke mir, dass er dann auch der erste Musiker mit dieser Tugend wäre, behalte es aber für mich.
//Das Central ist erstaunlich leer und erstaunlich wenig verraucht, wir entscheiden uns nach kurzer Absprache für einen Rauchertisch ziemlich in der Mitte. Nachdem wir uns kommunikativ ein bisschen beschnüffeln – während er sein Gulasch verzehrt – kann das Interview starten.
Wie ist es eigentlich zu dem Künstlernamen „Kamil Szlachta“ gekommen? Kamil Szlachta: Vor dem Internet. (lacht) „Kamil“ ist auch ein Skispringername und „Szlachta“ ist interessant, weil es sowohl ein polnisches Wort ist – die Bezeichnung für den niedrigen Landadel – und gleichzeitig auch ein Nachname. Es klingt ein bisschen martialisch. Obwohl die Schreibweise nicht so eingängig ist, ist es die Aussprache im Deutschen schon.
Kamil Szlachta ist ja zu einer richtigen Kunstfigur geworden … Ausgangspunkt dieser Entwicklung war eigentlich, dass ich den Texten gleich viel Gewicht geben wollte wie der Musik – und dann auch die richtige Ausdrucksform auf der Bühne finden wollte. Wir haben im Trio damit angefangen, das war damals noch im Bierstindl. Wir waren da in dem kleinen dunklen Raum, wenn man reingeht, gleich links. Ich habe eine richtige Show entwickelt mit Visuals. Wir sind dort immer freitags und samstags aufgetreten. Das war mehr als nur Musik, es war ein Konzept, in dem eine Geschichte erzählt werden sollte.
Man kann sagen: Es war ein Gesamtkunstwerk? Ja, im Grunde schon. Die Idee war: Wie kann man über Musik sprechen? Das ist sehr schwierig eigentlich, weil es eine persönliche Erfahrung ist. Wenn man aber dem ganzen Abend eine Geschichte gibt, die mehr ist als die Musik – so schön die Musik sein kann –, dann können Leute die Erfahrung besser transportieren. Das war der Ausgangspunkt. Wir haben uns auch passend angezogen, was das Publikum dann teilweise übernommen hat. Ich habe bei dieser Sache im Bierstindl dann auch Blinis gemacht und Vodka wurde ausgeschenkt, es war einfach als Fest angelegt. Es hat zum Teil funktioniert – natürlich nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das liegt vielleicht irgendwie an Innsbruck.
Welche Rolle spielt die Ost-Folklore in deiner Musik? Im Grunde kommt da wieder der Anspruch ins Spiel, dass ich den Texten dieselbe Gewichtung geben möchte wie der Musik. Ich möchte Geschichten erzählen, ich möchte über Charaktere reden. Es ist immer einfacher, wenn man sich künstlerisch einschränkt, deswegen habe ich danach gesucht, in welchem Milieu man gute Geschichten erzählen kann. Ich bin dann so in den Osten gerutscht zum Gauner- und Gangstermilieu. Ich bin dadurch thematisch eingeschränkt, aber gleichzeitig wieder offen, weil diese Charaktere genauso lieben und leiden können wie alle.
Wie war deine musikalische Sozialisation? Warst du zum Beispiel in einer Musikschule? Begonnen habe ich mit Blockflöte, so wie jeder. (lacht) Ich war in der Musikschule, habe da klassische Gitarre gelernt. Dort spielten wir zum Beispiel Bach und Heitor Villa-Lobos, die schönen Dinge also. Irgendwann habe ich dann eine E-Gitarre in die Hand genommen und bin dann auch dabei geblieben. Habe mich dann im Grunde zum Blues zurückgearbeitet. Das ist eigentlich über Eric Clapton passiert, er war mein Anhaltspunkt, wo ich dann begonnen habe zu forschen. Blues hat mich einfach extrem interessiert. Es gibt im Blues verschiedene Routen die man gehen kann, musikalisch prägend waren sicher Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan, Eric Clapton. Tom Waits ist auch eine große Inspirationsquelle.
Wann bist du dann das erste Mal auf der Bühne gestanden? So richtig mit Band, da war ich 17. Das war ein Trio mit dem Namen Blues Cargo. Das ist ein paar Jahre gelaufen – mit meinem Bruder am Schlagzeug und einem sehr guten Freund am Bass, mit dem ich immer noch teilweise spiele.
Wie sind die Pläne für die Zukunft? Anfang nächsten Jahres werde ich wieder was im Early Bird machen.
Vielen Dank für das Gespräch.
2 Alben: „undergroundowe piosenki“ (vergriffen), „kosten und wahrheit“
Kamils Musik in Worten:
Kamil Szlachta macht düsteren, stampfenden Blues – machmal wird noch ein bisschen Ost-Folklore in Form von Polka-Rhythmen dazugepackt –, mit deutschen intelligent-abgründigen Texten. Erster Referenzmusiker ist wohl Tom Waits.
Wo tritt Kamil auf?
Kamil Szlachta spielt in den unterschiedlichsten Lokalitäten in Innsbruck, sei es im Early Bird oder in der p.m.k. Er war aber auch schon in Graz, Wien, Linz und auf einem Liedermacherfestival in Erfurt zu Gast. Außerdem hat er Wohnzimmerkonzerte gegeben und auf Hochzeiten gespielt.
Bekanntheitsgrad:
7 von 10