chtung: Dieser Film ist zwar kurz, aber nicht schmerzlos. Und gleich noch eine Warnung: Wer Programmkinos gerne für den Konsum leichter französischer Komödien missbraucht, wird mit dem neuen Film von Roy Andersson sicher nicht glücklich werden, auch wenn „Über die Unendlichkeit“ hie und da als Komödie bezeichnet wurde.
Der Film, der in kleinen Episoden dem Alltag gewöhnlicher Menschen nachgeht, verliert – dem Thema entsprechend – seine Lustigkeit nach wenigen Minuten. Ein Priester sucht seinen verlorenen Glauben, Eltern besuchen das Grab ihres in einem Krieg verstorbenen Sohnes, ein Liebespaar schwebt geistergleich über den Ruinen einer einst blühenden Stadt, eine besiegte Armee marschiert ins Gefangenenlager und ein Vater wird bis auf die Haut nass, während er im strömenden Regen seiner Tochter dringend die Schuhe binden muss.
Schmerzhaft, doch respektvoll.
Das Hauptthema von „Über die Unendlichkeit“ ist die Verletzlichkeit des Menschen, mit der Andersson entlarvend deutlich, jedoch nie respektlos und abwertend umgeht.
Om det oändliga/Über die Unendlichkeit
Schweden 2019, 73 min
Regie: Roy Andersson
Mit: Lesley Leichtweis Bernardi, Ania Nova, Gloria Ormandlaky,
Tatiana Delaunay, Martin Serner
Kinostart: 11. 9. 2020
„Ich möchte die Schönheit des Lebens betonen“, meint der Regisseur selbst zu seinem Film und weiter: „Um das zu zeigen, muss man natürlich einen Gegensatz schaffen. Man muss die schlechten und grausamen Seiten des Lebens zeigen. Betrachtet man zum Beispiel die Kunstgeschichte, sind viele Bilder von einer gewissen Tragik gezeichnet. Aber selbst wenn sie grausame und traurige Szenen des Lebens zeigen, haben die Künstler in gewisser Weise eine Energie übertragen und damit auch Hoffnung erzeugt.“
In seinen traumhaft-bildergleichen Filmeinstellungen lässt sich Andersson von den Künstlern der Neuen Sachlichkeit inspirieren. Der Regisseur zu dieser für ihn so wichtigen Kunstrichtung: „Alles ist im Fokus, sogar die grotesken Momente im Leben. Ich bin oft sehr eifersüchtig auf die Bilder in der Kunst, weil ich das Gefühl habe, dass Filme nicht dieselbe Qualität erreichen können wie die Kunst. Ich möchte wirklich Filme machen, die so ergiebig sein können wie Bilder.“
Mit „Über die Unendlichkeit“ ist Andersson am besten Weg dorthin, was auch die Jury des Filmfestivals in Venedig so empfand: Sie verlieh ihm den Silbernen Löwen für die „Beste Regie“.