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SEPTEMBER 2016

Die Forderung nach Förderung

Der öffentliche Rundfunk hat einen neuen alten Generaldirektor und behält mehr alte Fachbereichs- und Filialleiter, als er neue erhält. Die Privatsender wechseln ihren Vorsitzenden, die Verleger bestätigen ihren Präsidenten. Es gibt immer mehr TV-Programme und ständig weniger Zeitungen. Die Presseförderung wird reformiert, die Rundfunkgebühr diskutiert. Und alles hat mit allem zu tun. Vor allem mit Demokratie und Nationalstaat: Insbesondere mit Digitalisierung und Globalisierung. Ein neuer öffentlich-rechtlicher Auftrag ist existentiell. Nicht nur für die Medien. Sondern für Österreich.

E

s muss erst etwas geschehen, damit etwas geschieht? Das „WirtschaftsBlatt“ wird Anfang September eingestellt. Dann gibt es nach Abzug von Staatsblatt, Parteipostille und Gratisgazetten nur noch zehn Tageszeitungen in Österreich. Zum Vergleich: Die Schweiz mit etwas weniger Bevölkerung hat 100, Schweden mit ein bisschen mehr Einwohnern 170 solche Printmedien. Also veranstaltet der Kanzleramtsminister am 19. September eine Enquete zur Presseförderung. Ihre Neugestaltung ist nicht nur deshalb überfällig, weil Eidgenossen und  Skandinavier weitaus höhere Subventionen in den Blätterwald pumpen. Es braucht die Veränderung einerseits wegen der Umgehung offizieller Unterstützung durch Inseratenschaltung öffentlicher Institutionen vorzugsweise im kleinformatigen Wiener Boulevard. Es benötigt die Reform andererseits, weil die Rundfunkgebühr mit rund 600 Millionen Euro im Vergleich zur Bundespresseförderung mit zuletzt 8,9 Millionen den inhaltlichen Wettbewerb zu Ungunsten der Tageszeitungen verzerrt. Der zusätzlich über Werbung finanzierte ORF könnte heuer überdies noch eine zehnprozentige Erhöhung dieser Abgabe beantragen.

Es braucht vor allem eine neudefinition des öffentlichen Auftrags, auf dessen basis der ORF seine Sonderstellung legitimiert.

Eine weitere Schieflage entsteht durch die Bundesförderung an die politischen Parteien, die knapp 30 Millionen direkt erhalten – neben den rund 20 Millionen für die Parlamentsklubs und 10 Millionen für die Akademien. Und das alles entspricht natürlich dem Parteienförderungs, dem Presseförderungs- und dem ORF-Gesetz. Doch auch ihre umgehende Neu-schreibung wäre nur Symptombekämpfung. Es braucht vor allem eine vollkommene Neudefinition des öffentlichen Auftrags, auf dessen Basis der ORF seine Sonderstellung legitimiert. Der Public Value, mit dem die Briten ihre BBC begründen, der Service public, wie die Schweizer die Ausnahmeposition ihres National Broadcasters auf dem Medienmarkt untermauern, benötigt eine neue inhaltliche Aufladung, bevor es zu einer Umwandlung von Rundfunkgebühr zu Haushaltsabgabe kommt – wie es bei den Eidgenossen und in Deutschland schon der Fall ist. Österreich kann dabei auch nicht einfach dem Vorbild dieser beiden Nachbarn folgen. Denn der eine hat seine Vielsprachigkeit zu bewältigen und der andere ist zehnmal so groß.

Das erloschene Lagerfeuer der Nation.

Genau in dieser Lage neben dem übermächtigen gleichsprachigen Nachbarn liegt eine der größten Herausforderungen für Österreich und den öffentlich-rechtlichen Medienauftrag. So war es bei der Neugestaltung des ORF vor 50 Jahren und zumindest daran hat sich nichts geändert. Doch nahezu alle anderen Rahmenbedingungen sind neu – und der Auftrag alt. Vom Fernsehmonopol ist trotz heftigster politischer Gegenwehr nur ein Drittel TV-Marktanteil geblieben. Die Reichweite eines Boulevardblattes übertrifft längst jene des einstigen „Lagerfeuers der Nation“ alias „Zeit im Bild“.

Statt 1953 noch 34 Zeitungen gab es schon 1993 lediglich 17 – und heute die eingangs genannten zehn plus vier. Sie liefern in Summe mindestens so viele Inhalte mit jenem Public Value, der für gesamtgesellschaftlichen Wert steht, wie der ORF. Dieser wiederum sendet internationale Unterhaltungskonfektion wie jedes Privatprogramm. Er tummelt sich ebenso im Internet wie alle Printmedien. Seine Mitarbeiter dominieren aufgrund der TV-Popularität auch die nationalen Ausprägungen der globalen Social-Media-Kanäle. Jeder zweite Österreicher nutzt Facebook zumindest einmal pro Monat. Der politische Diskurs verlagert und zersplittert sich in solchen Netzwerken und auf  Elite-Plattformen wie Twitter.

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Schon vor Erfindung von Social Media beschäftigte sich der statistische Mitteleuropäer zehn Stunden täglich mit Medien. Schon damals gehörte der durchschnittliche Informationskonsument des ORF zur Generation 60plus. Doch nicht er, sondern die Privatsender von ATV bis Puls4 starten nun zusätzliche Kanäle. Nach der „Krone“ mit ServusTV drängt „Österreich“ mit oe24.tv ins Fernsehgeschäft und das andere Gratisblatt „Heute“ angelt sich einen Schweizer Mehrheitsgesellschafter für sein Digitalangebot. Der Boulevard drängt massiv ins Bewegtbild. Dort ist von den politischen Gruppierungen bisher vor allem die FPÖ mit ihrem YouTube-Kanal präsent. Auch die Grünen können Social Media, die Neos ebenso. Unterdessen verlieren die früheren Volksparteien SPÖ und ÖVP den medialen Anschluss. Das Ausscheiden ihrer Präsidentschaftskandidaten ist auch ein Symptom mangelnder Medienpolitik. 

Ein Mittel gegen die Parallelgesellschaften.

Was die Regierungsparteien darunter

es geht darum, wo österreich sich künftig findet. es geht um kultur­träger und identitäts­stifter.