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OKTOBER 2019

Janine Bex, Gemeinderätin bei den Grünen, hat sich dazu entschlossen, ihr Baby mit zur Arbeit zu nehmen. Eine Karenzregelung gibt es für sie als Politikerin nicht. Sie fordert, dass sich das – und mehr – ändert.

Fotos: Axel Springer, Die Grünen
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in wenig nervös sei sie schon gewesen, bevor sie ihren Sohn das erste Mal mit in den Gemeinderat nahm, erzählt Janine Bex. Auch wenn sie wusste, dass ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Partei ihr Rückhalt geben. Ihr Sohn ist mittlerweile vier Monate alt und war von Anfang an mit dabei, wenn Janine Bex ihren Beruf als Gemeinderätin ausübte. Bei internen Sitzungen der Grünen wird für Mitglieder bei Bedarf Kinderbetreuung organisiert. Aber auch in Ausschusssitzungen, im Gemeinderat und im Stadtsenat, in dem sie die offizielle Vertretung von Stadträtin Uschi Schwarzl ist, war der Kleine dabei. „Die Vertretung im Stadtsenat ist ad personam – also gebunden an meine Person – geregelt, ich muss sie also vertreten“, erklärt die Gemeinderätin.

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Viele hatten Janine Bex gewarnt, dass sie wohl mit negativen Reaktionen rechnen müsse. „Ich habe das erst gar nicht verstanden. Meine Reaktion war: Nein! Warum?“ In der öffentlichen Sitzung äußerte sich niemand negativ gegenüber Bex. Zumindest nicht mit Worten. „Man bekommt neugierige Blicke, wohlwollende Blicke, aber auch welche, die sagen wollen: ‚Eigentlich gehörst du nachhause.‘“

„Es ist doch ein Wahnsinn, dass ausgerechnet Politikerinnen selbst keine Karenz ermöglicht wird!“

Janine Bex, Grüne-Gemeinderätin

 

Keine offene Kritik.

Die Kollegen und Kolleginnen im Gemeinderat haben Janine nicht offen kritisiert. Viele sagten nichts, andere reagierten positiv auf das Baby. „Die kleinen Beinchen von meinem Sohn wurden im Gemeinderat ziemlich oft gedrückt“, erzählt Janine Bex und lächelt. In einer nicht öffentlichen Sitzung, im Stadtsenat, kam dann doch Kritik. „Aber erst, als er ein wenig gequengelt hat, hieß es plötzlich, es würde einfach nicht gehen, dass ich ihn mitnehme.“ Janine Bex entschuldigte sich – worüber sie sich schon wenig später ärgerte, wie sie erzählt – und verließ mit ihrem Baby kurz den Raum.

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Ab Oktober lässt sich Bex zwei Monate beurlauben. Nicht wegen der Episode im Stadtsenat, wie sie betont. Die Pause war schon länger geplant. Offiziell beurlauben lässt sie sich, weil dann eine Vertretung nachrücken kann, die für ihre Arbeit im Gemeinderat und in den Ausschüssen auch bezahlt wird. „Ich kann mich von Ersatzgemeinderäten vertreten lassen, die das aber ehrenamtlich tun. Für mich ist das auch eine Frage der Wertschätzung.“

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Von ihrem Weg, ihren Sohn mit zur Arbeit zu nehmen, will sie sich nicht abbringen lassen. Und eigentlich gehe es ihr auch nicht um die negative Reaktion im Stadtsenat, sondern um das große Ganze – und das fängt für Bex bei der fehlenden Karenzregelung an: „Es ist doch ein Wahnsinn, dass ausgerechnet die Politik, die eigentlich eine Vorreiterrolle in der Gesellschaft haben sollte, Politikerinnen keine Karenz ermöglicht!“ Politiker sind keine Arbeitnehmer, sie üben offiziell „nur“ eine Funktion aus, und in einer solchen haben sie keinen Anspruch auf Karenz – auf allen Ebenen. Egal ob Ministerin, Bürgermeisterin oder Gemeinderätin – für sie gelten die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes nicht.

Auch selbstständige

fallen nicht unter die Karenzregelung. Finanzielle Unterstützung können sie in Form von Betriebshilfe oder Wochengeld beantragen.

„Dringend gebotene“ Diskussion.

Zuletzt war dieser Umstand auch auf Bundesebene Thema, als Ex-Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im Juli 2018 Mutter wurde. Köstinger meinte damals, dass eine Diskussion über eine Karenzregelung für Politikerinnen und Politiker „dringend geboten“ wäre. Stattgefunden hat diese Diskussion nicht. Zumindest nicht öffentlich. Als Janine Bex mit ihrem Sohn schwanger war, schrieb sie der Ministerin und fragte nach, ob sich in dieser Sache etwas bewegen würde. „Ich habe leider keine Antwort von ihr bekommen – nur eine standardisierte Nachricht, dass sie für die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Landwirtschaft zuständig ist und das Thema nicht ihrem politischen Bereich entspricht.“

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Wie viele Gemeinderäte hat Janine Bex einen Nebenberuf. In diesem ist sie auch offiziell karenziert. Mitglieder der Stadtregierung (und auch einige Gemeinderäte) hingegen üben ihre Funktion meist in Vollzeit aus. Mit der fehlenden Karenzregelung in der Politik wird es Frauen, vor allem jüngeren Frauen, sehr schwer gemacht, ein Regierungsamt oder überhaupt ein politisches Amt anzustreben, ist Janine Bex überzeugt. „Dieses System ist ganz einfach von Männern für Männer gemacht.“

„Dieses System ist ganz einfach von Männern für Männer gemacht.“

Janine Bex, Grüne-Gemeinderätin

 

Bex war und ist es wichtig, ihren Sohn, vor allem im ersten Jahr seines Lebens, so viel wie möglich bei sich zu haben. Auch, weil sie stillt. „Ich habe das große Glück, dass das Stillen bei mir gut funktioniert – das gilt nicht für jede Mutter“, betont die Politikerin. Wenn sie ihren Sohn in der Öffentlichkeit stillt, kassiert sie ab und zu irritierte Blicke, aber auch Zuspruch: „Es ist mir schon öfter passiert, dass ältere Frauen zu mir gesagt haben: ‚Recht haben Sie! Ich habe mich mit meinen Kindern noch in die nächste Toilette gestresst, um mich zu verstecken!’“

17 Frauen

sitzen im Innsbrucker Gemeinderat, so viele wie auch in der Periode zuvor.

Bei der Arbeit: Gemeinderätin Janine Bex hat ihren Sohn auch im Gemeinderat dabei.

Im Jahr 2019.

Janine Bex, die aus Salzburg stammt, hat keine Großeltern in Innsbruck, die auf die Kinder aufpassen könnten. Ihr Partner ist selbstständig, muss dabei aber sehr flexibel sein und ist zum Teil beruflich auch viel unterwegs. So wie ihnen, ginge es vielen jungen Paaren. Umso wichtiger sei es, dass Arbeitgeber familienfreundlichere Bedingungen schaffen: zum Beispiel Sitzungsräume mit Rückzugsmöglichkeiten für Eltern, Kinderbetreuung im Unternehmen oder eigene Wickelräume – nicht nur auf Frauentoiletten – einzurichten. In diesem Zusammenhang kritisiert die Gemeinderätin auch die Stadt Innsbruck. In den Rathausgalerien gibt es zwar zwei Wickelmöglichkeiten (auf Frauentoiletten), im Rathaus selbst aber nicht. Pläne, dies zu ändern, existieren allerdings.

4 Frauen

sind mit Andrea Dengg (FPÖ), Elisabeth Mayr (SPÖ), Christine Oppitz-Plörer und Uschi Schwarzl im 7-köpfigen Stadtsenat – erstmals mehr Frauen als Männer.

 

Die Infrastruktur sei das eine, sagt Janine Bex, wünschen würde sie sich aber auch eine neue Haltung in der Gesellschaft. Es müsse einfach normal sein, dass Babys und Kinder mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. „Mütter und Väter dürfen in der Arbeitswelt nicht benachteiligt werden“, fordert Bex.

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Und wichtig ist ihr auch, dass jede Familie und jede Mutter die Möglichkeit haben sollte, mit dem Thema umzugehen, wie sie möchte. Ihr Weg sei genau das – ihr persönlicher Weg. Der Gesetzgeber sei aber gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen. Veränderung braucht Zeit, ist sich Janine Bex bewusst. Eine Karenzregelung für Politikerinnen und Politiker müsse aber so schnell wie möglich her. „Das dürfte im Jahr 2019 nicht zu viel verlangt sein.“