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NOVEMBER 2015

Musik aus Tirol

Vertonte Wüste

6020 stellt Musiker aus Innsbruck vor. Diesmal: Sahara Surfers

Fotos: Flavio 'Loco' Ferraz, Grito Rock (2)
T

riffst di heit mit deiner Kapelle?“, wird Michael oft von seinen Eltern gefragt. Der gebürtige Zillertaler weiß, dass seine Heimat für ein ganz anderes Musikantenbild berühmt ist. Seine Familie kann wenig bis rein gar nichts mit den groovigen, etwas melancholischen Klängen seiner Stoner-Kombo Sahara Surfers anfangen. Dass sie diese aber trotzdem als „Kapelle“ bezeichnen, sorgt in der Band für Schmunzeln. Bassist Hans-Peter geht es ähnlich. Besonders amüsant findet er, dass seine Leute allein mit der Beschwerde „Eure Musik ist so laut!“ ihr zartes Gehör schützen wollen. „Warum drehen sie sie nicht einfach leiser?“, wirft er ein. Die anderen Bandmitglieder schütteln betroffen, aber verständnisvoll den Kopf.

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Zugegeben, Stoner Rock, oder auch Desert Rock, ist kein Mainstream. Es ist ein Genre, bei dem der Gesang nicht unbedingt prominent im Vordergrund steht, sondern als progressives Zusammenspiel von Vocals mit bluesigen, auch psychedelischen Instrumentalparts funktioniert. Die Gesamtstimmung soll wie vertonte Wüste klingen – daher der Name. Verorten lässt sich die Wiege dieser Musikgattung übrigens in der Nähe des Coachella Valley im US-Staat Kalifornien. Zumindest war das Anfang der 1990er so.

6020 Online A193 Musikserie 2

Bandmitglieder

Julia Überbacher (Gesang)
Michael Steingress (Drums)
Andreas Knapp (Gitarre)
Hans-Peter Ganner (Bassgitarre)


Der Sound der Sahara Surfers in Worten

etwas düsterer, basslastiger, mal treibender, mal fast entspannender Wüstenrock mit erfrischenden weiblichen Vocals

Wo treten die Sahara Surfers auf?

Deutschland, Österreich, Brasilien und Argentinien. Aber nie in Wien, das sei aber purer Zufall.

Bekanntheitsgrad

Neun von zehn Noten

„Wir sind alle typische Neunziger-Kids, mit sehr unterschiedlichen Musikgeschmäckern und Grunge als gemeinsamem Nenner.“

Julia

 

Mehr als 20 Jahre später gibt es weltweit sicher mehr Stonerbands als damals, aber gerade weil die Sahara Surfers aus den Alpen stammen, wirkt ihr Gesamtpaket trotzdem exotisch. Die Krönung ihrer Außergewöhnlichkeit ist nämlich der Gesang von Sängerin Julia. Weibliche Vocals in einer – räusper – klassischen Männerdomäne. Aber das ist gut so, denn so fällt die Truppe auch in der internationalen Wüstenrock-Community auf.

Kein Gründungsmythos.

2007 standen Michael und Andreas vor den Trümmern ihrer aufgelösten Band. Sie verbrachten ein paar Kreativsitzungen mit Bier auf der Couch – und beschlossen weiterzumachen. Auf selbiger Couch wurde auch das neue Bandmanifest ausgerufen. In Richtung Wüstenrock sollte es gehen. Dann startete die Personalsuche. Julia und Michael kannten sich bereits, er fragte sie, ob sie Bassgitarre spiele, die Antwort lautete nein. „Aber ich singe.“ Im November 2007 waren sie komplett.

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„Wir sind alle typische Neunziger-Kids, mit sehr unterschiedlichen Musikgeschmäckern und Grunge als gemeinsamem Nenner“, erzählt Julia, „wir waren aber keine erfahrenen Stoner-Songwriter.“ So haben sie einfach losgelegt, quasi als Autodidakten. „Mit einfach strukturierten Songs nach dem Schema Strophe-Refrain-Strophe und ohne ‚Gefiedle‘, also ohne übertriebene endlose Gitarrensoli – wir hätten es wohl eher Stoner Pop nennen sollen“, sagt Drummer Michael lachend.

Man merkt den Liedern der Sahara Surfers die unterschiedlichen Geschmäcker aller Beteiligten an, hie und da erinnern manche Akkorde an Tool oder gar Placebo, aber mit ihrer individuellen Mischung haben sie einen eigenen Stil gefunden. „Eingefleischte Stoner-Fans finden unseren Sound vielleicht zu lasch, andere wiederum finden durch unsere Musik überhaupt erst den Zugang zum Genre“, sagt Julia. Ideen für Songs kann jeder einbringen, gefeilt wird daran gemeinsam. Das Texten übernimmt die Sängerin, und zwar „immer auf Englisch – Deutsch würde nicht zum Sound passen“. Dass sie für ihr Studium nach Graz gezogen ist, tut dem Band-Enthusiasmus keinen Abbruch. Gut befreundet ist man außerdem auch noch.

Unverhofft kommt mehrmals.

Wenn die Sahara Surfers von ihren Errungenschaften erzählen, sind sie die Ersten, die sich über den eigenen Werdegang wundern. Mit ihrem Freund der und „guten Seele“ Matthias Magerle haben sie mittlerweile drei Alben aufgenommen, die alle online nach dem großzügigen „Name Your Price“-Prinzip verfügbar sind. Diese Strategie bewährt sich: Die Stoner-Fancommunity ist zwar klein, aber sie vernetzt sich gern, lechzt förmlich nach Neuerscheinungen, und das weltweit.

„Das Publikum in Südamerika hat teilweise jede Textzeile mitgegröhlt.“

Julia

 

Die Sahara Surfers sagten zu und machten die Erfahrung ihres Lebens. „Das Publikum in den ersten Reihen hat teilweise jede Textzeile mitgegröhlt“, erzählt Julia, „wir wurden wie Rockstars empfangen.“ Als sie nach den Auftritten mit Fans ins Gespräch kamen, konnten es diese wiederum nicht glauben, dass die Band so entspannt und zugänglich war. „Ihr seid ja ganz normal“, wunderten sie sich. „Was sonst“, konterte die Band überrascht. Sie wundern sich heute noch. Und gerade diese Bescheidenheit macht die Sahara Surfers noch sympathischer.