Der Innsbrucker Gemeinderat ...
... besteht aktuell aus 40 Mitgliedern, aktuell sind dort acht Fraktionen vertreten – ÖVP (8), FI (8), Grüne (7), SPÖ (6), FPÖ (3), Liste Rudi Federspiel (3), Tiroler Seniorenbund (1) und INN Piraten (1). Mesut Onay (früher Grüne), Elfriede Moser (früher ÖVP) und Herlinde Keuschnigg (früher FI) sind freie Mandatare. Der Gemeinderat ist das höchste und beschließende Organ der Stadt, den Vorsitz hat die Bürgermeisterin und er wird alle sechs Jahre gewählt.
angsam finden sich die städtischen Volksvertreter im Plenarsaal im 6. Stock im Rathaus zusammen. Zuhörer und Kollegen werden begrüßt, Hände geschüttelt, es wird noch schnell telefoniert, ein Schluck Kaffee, noch eine Zigarette auf der Terrasse des 360°.
//Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer eröffnet die Sitzung, noch während die Letzten zu ihren Plätzen finden. Ein vorletztes Mal kommt der Innsbrucker Gemeinderat in dieser Besetzung zusammen, bevor im April gewählt wird. Bereits kurz nach Beginn sorgt unser Fotograf für Aufregung in der SPÖ-Fraktion. Helmut Buchacher ist es, der bei den anwesenden Medienvertretern nachfragt, ob der Herr mit der Kamera auch zu einem Medium gehöre? Es ginge nämlich das Gerücht um, dass er für die FPÖ fotografiere. Erstaunlich, wie schnell hier Gerüchte entstehen.
//Dabei hatte die Bürgermeisterin extra zu Beginn der Sitzung angekündigt, dass Bildaufnahmen gemacht werden, und um Zustimmung bzw. Ablehnung per Handzeichen gebeten – keiner der Gemeinderäte hatte etwas dagegen. Wir können aber schnell beruhigen. Der tut nix.
Hoffnungen der letzten Reihe.
Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, die Zuschauerränge mal mehr, mal weniger gefüllt. Ganz hinten sitzt dieses Mal jemand, der hofft, bald selbst in den vorderen Reihen Platz nehmen zu dürfen. Gerald Deapoli wird am 22. April als Spitzenkandidat seiner Bürgerbewegung Gerechtes Innsbruck antreten.
Bei aller Rivalität ist auch offensichtlich, dass man sich hier lange und gut kennt.
Der erste Schlagabtausch lässt derweil nicht lange auf sich warten. Gemeinderätin Andrea Dengg von der Liste Rudi Federspiel wünscht sich Auskunft über die Gestaltung des Vorplatzes vom Haus der Musik. Vor allem die Kosten interessieren sie: „Ich habe den Eindruck, die Bürgermeisterin folgt hier dem Motto – zuerst die Wahl, dann die Zahl.“ Die Präsentation stehe heute auf der Tagesordnung, gibt Oppitz-Plörer zurück. Dieser Punkt wurde ergänzt, die Fraktionen darüber informiert – und: „Dazu wäre ich in einer halben Minute ohnehin gekommen.“
//Bei aller Rivalität und unterschiedlichen Parteilinien ist an diesem Nachmittag aber auch offensichtlich, dass man sich hier lange und gut kennt. So kann es schon einmal passieren, dass Rudi Federspiel (FPÖ) Franz Gruber (ÖVP) zum Lachen bringt, man sich fraktionsübergreifend Süßigkeiten anbietet oder Christian Kogler (ÖVP) versucht, einen sich echauffierenden Inn-Piraten zu beruhigen. Auch wenn diese freundliche Geste am Ende nicht belohnt werden wird.
Verbaler Schiffsbruch.
In der aktuellen Stunde geht es heute um „Senioren sind Teil der Familie“. Das Thema wurde vom Tiroler Seniorenbund ausgewählt. Im Rotationsprinzip wählen die Parteien für diesen Teil der Sitzung ein Thema, die übrigen Parteien können Wortmeldungen ankündigen. Die jeweilige Redezeit hängt von der Fraktionsstärke ab, wird auf einer digitalen Tafel angezeigt und von einer Ampel über den Köpfen der Stadtregierung geregelt.
Bei Grün darf geredet werden, Gelb zeigt an, dass man langsam zum Ende kommen sollte, und bei Rot ist Schluss.
//Aufritt Inn-Pirat: Heinrich Stemeseder hat nicht wirklich vor, zum Thema zu sprechen. Ein Artikel in der „Tiroler Tageszeitung“ hat sein Freibeuterblut in Wallung gebracht. Berichtet wurde, dass er Passanten 25 Euro für eine Unterstützungserklärung (100 davon braucht er, um bei der Wahl im April antreten zu können) geboten habe. Diesen Umstand hat Stemeseder auch gar nicht bestritten, er nannte es nur anders – Aufwandsentschädigung. Besonders regt ihn auf, dass es auch in der Rubrik „Frage des Tages“ um ihn ging: „Eine Unterstützungserklärung für die Innsbrucker Gemeinderatswahl ‚belohnt‘ Inn-Pirat Stemeseder mit 25 Euro. Was halten Sie davon?“ Stemeseder: „Man hat mich zum Abschuss freigegeben, diese Methoden kennen wir – werde ich demnächst in den Zug oder in ein Taxi gesetzt.“ Dieser Vergleich sorgt für Aufregung im gesamten Gemeinderat. Eine derartige Entgleisung sei dem Gremium nicht würdig und auch nicht die Regel, lässt Bürgermeisterin Oppitz-Plörer die Zuhörer wissen. Franz Gruber sagt: „Oft ist der Kollege Stemeseder ja erheiternd, heute war er erschütternd.“
Auszeit für Inn-Piraten.
Nach der aktuellen Stunde steht eine Präsentation zum Thema „Verwaltungsgeschichte der Stadt Innsbruck“ auf dem Programm, später wird auch der erste Entwurf für die Neugestaltung des Vorplatzes vom Haus der Musik vorgestellt. „Beschließen wird den aber der nächste Gemeinderat“, erwähnt Oppitz-Plörer mehrmals. Die Wortmeldungen zur Gestaltung sind größtenteils positiv. Gemeinderat Stemeseder hat aber auch hier eine andere Sicht der Dinge.
Das Projekt sei eh schön, aber er fühle sich getäuscht. Er will gelesen haben, dass das Haus der Musik 900 Millionen Euro kosten wird. Hat die Summe doch etwas mit dem Schuldenstand der Stadt zu tun oder geht es um Wohnbauförderung – seine Wortspende wird immer verworrener, dafür umso lauter. Er will auch wissen, dass jene, die ihn hier täuschen wollen, „davon selbst einen Vermögensvorteil hätten“. Belegen kann er diese Vorwürfe nicht. „Die Wahrheit wird siegen“, brüllt er dennoch. Der Stadtchefin reicht es nun endgültig: „Sie verstehen die Dinge nicht“, wirft sie ihm vor, entzieht im schlussendlich das Wort und schickt ihn erst einmal vor die Türe.
Wird hier nur gestritten?
Angesichts solcher Szenen könnte man schnell den Eindruck gewinnen, hier würde nichts getan, außer gestritten. So einfach ist es natürlich nicht. Die Mandatare und die Mitglieder des Stadtsenats arbeiten nicht nur einmal im Monat – in verschiedenen Ausschüssen und Steuerungsgruppen werden die zahlreichen Projekte, die in der Stadt umgesetzt werden, vorab auf Schiene gebracht. Anträge müssen verfasst, Anfragen beantwortet werden. Auch in dieser Sitzung wird einiges beschlossen. Es werden beträchtliche Summen an Subventionen für Bildung, Wohnen oder Kultur genehmigt – 5.000 Euro hier, 15.700 Euro dort, 25.000 Euro für ein anderes Projekt.
//Das Niveau der Debatten – schwankt. Man könnte es vielleicht so zusammenfassen: Grenzwertige Äußerungen können von jeder Fraktion kommen, auch wenn die üblichen Verdächtigen am verlässlichsten liefern.
"Niemand hat etwas gegen Bienen!"
Bei den Anträgen des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnbau stehen unter anderem die Pläne für den dritten Pema-Turm, in dem (6020 berichtete im Feber) auch ein Motel One untergebracht sein wird. Die ÖVP (abgesehen von Christian Kogler und Franz Hitzl) wollte diesem Antrag eigentlich nicht zustimmen. Die Fraktion versäumt es aber, im entscheidenden Moment die Hände zu heben. Ob es an der bereits über vier Stunden dauernden Sitzung oder dem Sprechtempo von Lucas Krackl liegt (an dem eindeutig ein Auktionator verloren gegangen ist):
Am Ausgang – der Antrag wurde mehrheitlich angenommen – ändert das Malheur nichts, außerdem passiert so etwas nicht zum ersten Mal. Im Dezember-Gemeinderat war es die FPÖ, die versehentlich gegen eine höhere Besteuerung von Glücksspielautomaten stimmte – weil die Mandatare dachten, ein anderer Punkt wäre an der Reihe. In einem weiteren Antrag geht es um Maßnahmen gegen das Bienensterben, dieser wird einstimmig zur weiteren Behandlung an den Stadtsenat weitergegeben. „Gut, niemand hat etwas gegen Bienen“, fasst die Stadtchefin zusammen.
Gegen einen Ideenwettbewerb zu Douglas Adams, dem die Idee zu seinem weltberühmten Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ in Innsbruck kam, aber schon. Die FPÖ und Rudi Federspiel sind dagegen (weil, warum nicht?) und Vizebürgermeister Christoph Kaufmann (FI) auch – allerdings aus formalem Protest. Er habe weder etwas gegen das Buch, den Autor, noch den Ideenwettbewerb. Aber, so stellt er klar, die Stadt habe andere Gremien, die sich mit solchen Projekten befassen könnten: „Damit muss man nicht das höchste Gremium befassen!“ Genau. Der ehrwürdige Gemeinderat – das höchste Gremium der Stadt.