as Gefühl zu scheitern, ist gar nicht angenehm. Dementsprechend wird alles, was nicht ganz nach Plan gelaufen ist, traditionell gerne unter den Teppich gekehrt. Doch dabei verpasst man eine Menge Chancen. Denn Scheitern kann nicht nur lehrreich, sondern auch spannend und den einen oder anderen Lacher wert sein. Deswegen bricht ein neues Veranstaltungsformat in der Bäckerei in Innsbruck jetzt mit dem Tabu, ganz offen zum eigenen Versagen zu stehen. Die FuckUp-Nights bieten all jenen eine Bühne, die sich trauen, mit Witz und Charme und ein wenig selbsttherapeutischem Bedarf zu erzählen, wann, wie und wo sie so richtig danebengehauen haben.
Scheitern als Sprungbrett.
Andy war hochrangiger Mitarbeiter bei einer Bank, bis er beschloss, lieber „etwas Eigenes“ zu machen. So wurde er zum bekennenden Serial-Entrepreneur. „Ich habe sechs Unternehmen gegründet“, erzählt der Schweizer auf der Bühne in der Bäckerei. „Fünf Internet-Start-ups und ein Betonwerk.“ Letzteres leitet er bis heute, ebenso wie eines seiner Web-Projekte. Doch er hat das Mikrofon in die Hand genommen, um von einer der anderen Ideen zu berichten: von der, die so gar nicht funktioniert hat.
Werden sollte es eine Online-Wohnungsvermittlung, bei der sich Vermieter ihre Mieter aussuchen können. Sein Konzept war gut – im Gegensatz zu seiner Wahl eines Geschäftspartners und ihrer gemeinsamen Umsetzung. Alle Versuche, der Plattform zum Abheben zu verhelfen, scheiterten. Aus einer Vielzahl von Gründen. Mehrfach. So lange, bis Andys Geschäftspartner das sinkende Schiff verließ und der Jungunternehmer das Handtuch werfen musste. Ein Grund, aufzugeben und in sein altes Leben zurückzukehren, war das für ihn aber noch lange nicht – im Gegenteil. Andy hat dazugelernt und in seinen nächsten Projekten genau die Fehler vermieden, die seiner Wohnungsbörse den Todesstoß versetzt haben.
Weltweiter Trend.
Das etwas bizarre Veranstaltungsformat, in dessen Rahmen sich Andy und bislang noch fünf andere Speaker auf die Bühne gewagt haben, stammt aus der mexikanischen Start-up-Szene und nennt sich – passend unverblümt – FuckUp-Night. Geboren aus der Erkenntnis einer Gruppe Jungunternehmer, dass Scheitern mehr ist als nur ein peinliches Intermezzo, finden mittlerweile weltweit FuckUp-Nights statt – und seit vergangenem Herbst im groben Zwei-Monats-Takt auch in Innsbruck.
Die Regeln sind denkbar einfach: Jeder Teilnehmer erhält sieben Minuten Sprechzeit mit ein wenig Überziehungs-Option. Dazu muss eine Präsentation aus zehn Fotos mitgebracht werden, die den ganz individuellen Weg des Scheiterns real oder metaphorisch dokumentieren. Zwischen den einzelnen Vorträgen hat das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Auf den Hund gekommen.
Als Bettina noch in Deutschland lebte, war sie selbständige Unternehmensberaterin – und eine erfolgreiche noch dazu. Die plötzliche Erkrankung ihres Geschäfts- und Lebens(abschnitts)partners machte ihr allerdings einen Strich durch die Rechnung. Ohne entsprechende Versicherung folgte schnell der wirtschaftliche Abstieg, der nicht nur die Pleite, sondern auch die Trennung nach sich zog. Angesichts ihres existentiellen Scherbenhaufens ergriff sie die Flucht nach Tirol, um, weit weg vom flachen Norden, einen Weg zu finden, den angehäuften Schuldenberg abzutragen. Inzwischen wohnt die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin seit einigen Jahren hier. Und Unternehmern etwas beizubringen, hat sie schon lange aufgegeben.
Doch dank einer Verknüpfung glücklicher Zufälle hat sie neues, diesmal vierbeiniges Klientel gefunden: Bettina ist jetzt Hundetrainerin in der eigenen Hundeschule. Eine Versicherung gegen krankheits- und verletzungsbedingte Ausfälle hat sie auch diesmal nicht. „Dafür ist den Versicherungen das Risiko in meinem Beruf zu groß“, meint sie. „Ich bin sozusagen unversicherbar. Aber das ist mir der Traumjob allemal wert.“
Lachen erlaubt.
Die Geschichten, die die Teilnehmer bei den FuckUp-Nights zum Besten geben – mit nichts als einem Mikrofon zwischen sich und einem Publikum von rund 150 Zusehern –, haben ebenso viel Tragik wie Komik zu bieten. Dementsprechend darf nicht nur mitgelitten und aus den Fehlern anderer gelernt werden. Auch gemeinsam Lachen ist erlaubt und sogar erwünscht. Denn eines haben die Vortragenden bei den bisherigen Veranstaltungen in Innsbruck gemeinsam: Sie nehmen ihr Scheitern durchaus mit Humor und legen ordentlich Selbstironie an den Tag.
Heldenhaft versagt.
Das beweist nicht zuletzt Elke. Auch sie hat den Schritt in die Selbständigkeit gewagt – als Innovationsmanagerin. Dazu gründete sie ein Ein-Frau-Unternehmen, mit dem sie anderen Betrieben bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Konzepte unter die Arme greifen wollte. Das Rüstzeug dazu hatte sie: eine fundierte FH-Ausbildung. Einen Businessplan. Erfahrung in der Anwendung des TRIZ-Ansatzes ebenso wie in den Bereichen Bionik und Memetik. Und noch viele andere Dinge, von denen ihre potenziellen Klienten noch nie etwas gehört hatten. Um ihren durchwegs gut strukturierten und geplanten Weg ins sichere Verderben zu veranschaulichen, greift sie bei der FuckUp-Night auf Bilder von Hollywood-Heldinnen zurück.
Die FuckUp-Nights bieten all jenen eine Bühne, die sich trauen, mit Witz und Charme und ein wenig selbsttherapeutischem Bedarf zu erzählen.
So wird Milla Jovovich/Alice in Resident Evil zum Symbol für das Einzelkämpfertum, als sie erkennen musste, dass andere Unternehmensberatungen sie nicht als wertvolle Mitbewerberin, sondern als Konkurrentin sahen. Ein Alien, der Sigourney Weaver/Ripley ins Gesicht faucht, versinnbildlicht die nach drei Jahren Unternehmerdasein erwartet und doch überraschend ins Haus flatternde Rechnung der Sozialversicherungsanstalt. Und Carrie Ann-Moss/Trinity aus Matrix steht für die Fight-or-Flight-Entscheidung, die Elke treffen musste, als sie keine Wahl mehr hatte und sich ihr Scheitern eingestehen musste. Doch, ganz dem Hollywood-Motiv entsprechend, schließt auch ihr Vortrag mit einem Happy End: Während auf der finalen Folie der Präsentation hinter der ehemaligen einsamen Heldin die X-Men Stellung beziehen, berichtet sie von ihrem neuen Job in einem neuen, innovativen Unternehmen – diesmal im Team und gemeinsam gegen alles gefeit.
Versager gesucht.
Die nächste FuckUp-Night ist bereits für den 30. März in der Bäckerei anberaumt. Der Eintritt ist frei – allerdings sollte man sich rechtzeitig anmelden. Viel wichtiger ist aber, dass die nächsten Gescheiterten, die mit Mut und Witz ihre Katastrophen präsentieren, noch nicht gefunden sind. Voranmeldungen für alle, die gerne im Publikum sitzen würden, aber auch Bewerbungen für jene, die sich auf die Bühne trauen, werden unter [email protected] entgegengenommen.