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„Krafttraining auf Wettbewerbsniveau ist ein egoistischer Sport.“
Melanie Bittner
Kurz & knackig: Melanie Bittner (26) wohnt in Innsbruck und ist Köchin im Hotel ihrer Eltern. Sie ist seit neun Jahren Mitglied im Fitnessstudio „Speedfit“, aber erst seit zweieinhalb Jahren betreibt sie regelmäßig Krafttraining. Melanie hat bereits nach wenigen Monaten Krafttraining an ihrem ersten Wettkampf teilgenommen. Der Auslöser für ihre Fitness-Leidenschaft: Sie wollte zunehmen.
6020:Du hast bereits nach einem halben Jahr Krafttraining an einem Bewerb teilgenommen, wie war das? Melanie Bittner: Eine sehr fitnessbegeisterte Freundin wollte nicht alleine teilnehmen und hat mich dazu überredet mitzumachen. Ich bin zweimal in der Bikini-Klasse gestartet, vor zwei Jahren bei einem Bewerb der IFBB in Oberösterreich und vor einem Jahr bei der NABBA in Wien.
Wie war die Vorbereitungszeit für die Wettkämpfe? Ich habe sechs Wochen Diät gehalten, keine Kohlenhydrate, nur Gemüse, Pute, Fisch, Eiweiß und Whey-Proteine zu mir genommen. So eine Diät ist definitiv nicht gesund und kann sehr leicht zu einer Essstörung führen. Dazu habe ich zwei Mal täglich Sport getrieben: eine Stunde Krafttraining und eine Stunde Lauftraining. Ein Bodybuilder hat mich in der Vorbereitungszeit gecoacht. Es war faszinierend, jeden Tag eine kleine Veränderung an meinem Körper festzustellen. Ich war in dieser Zeit sehr sensibel, habe mich viel mit mir selber auseinandergesetzt. Ich habe viel über mich erfahren und gelernt, wozu ich fähig bin.
Was war negativ an der Vorbereitungszeit? Vieles. Ich war nicht mehr gesellschaftsfähig, Krafttraining auf Wettbewerbsniveau ist ein egoistischer Sport. Man bekommt einen Tunnelblick, wird immer fanatischer, allerdings passiert das so schleichend, dass man es selbst nicht merkt. Aufgrund der einseitigen Diät konnte ich mich nicht mehr konzentrieren, ich habe einen Satz angefangen und wusste nicht mehr, wie ich ihn beenden wollte. Bei meiner Arbeit als Köchin habe ich viele Böcke geschossen. Das Abschmecken von nur einer Messerspitze hat mich schon nervös gemacht. Ich habe die Speisen außerdem viel zu fade abgeschmeckt, aufgrund meiner Diät war für mich ja alles sehr geschmacksintensiv. Ich war einfach nicht mehr ich selbst und mein Umfeld hat sich Sorgen gemacht.
Wie war deine Platzierung? Ich bin eher weiter hinten gelandet. Ganz vorne waren vor allem osteuropäische Teilnehmerinnen. Sie haben sehr männlich gewirkt, man hat ihnen angesehen, dass sie verbotene Substanzen konsumieren. Das würde für mich nie in Frage kommen.
Wie lautet dein Fazit von diesen Wettkämpfen? Man investiert viel mehr, als man bekommt. Es sind ja auch finanzielle Investitionen mit einem Wettkampf verbunden, Anreise, Übernachtung, Coaching, Startgeld, Bikini, Bräunungsfarbe etc.
Der Körper kann danach nicht in Wettkampfform bleiben, man muss wieder zunehmen, dazu braucht es mentale Stärke. Wenn die nicht vorhanden ist, kann es schnell gefährlich werden und in eine Essstörung ausarten.
Wirst du wieder an Wettkämpfen teilnehmen? Die nächsten Jahre sicher nicht. Ich wollte das mal ausprobieren und die Erfahrung machen. Das habe ich gemacht, jetzt reicht’s. Wer ganz fanatisch Sport betreibt, verpasst einfach viel zu viel. Das Leben bietet doch so viel mehr als nur Sport. Ich habe berufliche Ziele im Leben, für die ich mein ganzes Potenzial ausschöpfen muss. Im Herbst möchte ich beispielsweise mein eigenes Restaurant mit leichter, gesunder Küche eröffnen. Ich habe eine Bauchspeicheldrüseninsuffizienz und daher viel Erfahrung mit kreativen Rezepten, diese Erfahrung möchte ich in meine Küche einfließen lassen. Wenn ich später mal auf mein Leben zurückblicke, wird es sicher nicht darum gehen, wie perfekt oder auch unperfekt mein Hintern war. Ich geh schon immer noch regelmäßig trainieren, aber das Ganze ist jetzt viel ungezwungener.
Was hältst du vom Fitness-Hype in den sozialen Medien? Das ist doch alles mehr Schein als Sein. Die Fotos sind nicht echt. Niemand sieht rund um die Uhr gut aus und fühlt sich super. Für mich ist der Fitness-Hype bei vielen einfach nur die Verlagerung einer Essstörung. Außerdem sollte man sich grundsätzlich nie mit anderen vergleichen.
Vielen Dank für das Gespräch.