s ist schwierig zu sagen, ob Martin Fritz aus psychohygienischen Gründen schreibt – oder ganz einfach, weil er’s kann. Die Vermutung liegt nahe, dass beide Beweggründe als treibende Kraft dienen. Der 33-Jährige hat Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaften studiert und hat beruflich so gut wie immer mit Texten zu tun. Für seine Dissertation forscht der Uni-Assistent zum Thema Systemtheorie, Popkultur und Web 2.0. An der Komparatistik fasziniert ihn die Herangehensweise, sämtliche Texte im Vergleich mit anderen Künsten oder dem jeweiligen soziopolitischen Kontext zu behandeln.
//Bereits 2001 stieß er zur Innsbrucker Poetry-Slam-Gilde mit Markus Köhle, Stefan Abermann und Markus Koschuh, die die ersten Slams im alten Bierstindl veranstalteten und somit lange vor der Julia-Engelmann-Ära österreichweit eine Vorreiterrolle einnahmen.
„Ein Text ist nicht in stein gemeißelt.“
Martin Fritz
Die momentan ruhend gestellte Lesebühne „Text ohne Reiter“ zählt ebenfalls zu Fritz’ Spielwiesen. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist lang, Literaturpreise hat er auch schon gewonnen, zum Beispiel den FM4-Wettbewerb „Wortlaut“.
Autor und Performer.
Für den umtriebigen Literaten ist das Schreiben ein einsamer, aber schöner Vorgang, an den Textperformances schätzt er die unmittelbare Rezeption: „Die Bühnentexte sind nicht fürs stille Lesen gedacht, und es hat durchaus Vorteile, Autor und gleichzeitig Vortragender zu sein“, sagt Fritz. Anhand einer Performance kann er nämlich gleich testen, ob und wie seine Texte wirken. Einer Zusammenarbeit mit anderen Autoren kann der 33-Jährige auch Positives abgewinnen, denn es stört ihn nicht, wenn Publikum oder Kollegen unterschiedliche Deutungsweisen erdenken. Ganz im Gegenteil: „Es ist nicht meine Aufgabe, Leser- und Zuhörerschaft mit erhobenem Zeigefinger zu belehren, es geht doch um Literatur. Wenn dieser mehrere Bedeutungen zugesprochen werden, ist es doch eine Bereicherung.“
Tschippln und tscherfln.
Auf der Bühne hält Martin Fritz sein Publikum mit zackigem Sprechtempo auf Trab: Mal zelebriert er rappend und augenzwinkernd seine Wiltener Hood, mal betrachtet er die sperrige Alltagsexotik der Gerätschaften eines Installateurs und dessen Fachvokabular.
Oder der gebürtige Rumer beschreibt auf Südtirolerisch die tragikomische Fremdheitserfahrung eines Bären, der von Kindern abgewimmelt und sogar ein bisschen gequält wird. Im Text ist von „Hoor tschippln“ die Rede, dann „tscherflt es Bärele“* davon.
//Die dialektale Wortkombination erzielt trotz schmerzhafter Dramatik eine witzige Wirkung. „Ich sammle immer interessante Wörter wie Bausteine, aus denen ich dann die Texte erstelle“, beschreibt Martin Fritz seine Inspirationsstrategie. Dabei wird er nicht nur bei den südlichen Nachbarn fündig, sondern auch bei interessanten Bargesprächen, in der Hochkultur sowie im Trash-TV, selbst wenn diese Welten vorerst nicht kombinierbar erscheinen. „Wer entscheidet denn überhaupt, was Trash ist?“, fragt sich der Autor. Schließlich komme es doch immer auf die Weiterverarbeitung des Materials an. So ist es auch legitim, mit großer Freude Reality-TV und Internetphänomene zu verfolgen. Für die Erkundung all dieser inspirierenden Paralleluniversen sind selbst in der Provinz weder bewusstseinserweiternde Maßnahmen noch Weltreisen notwendig – Scharfsinn, Beobachtungsgabe und ein paar Notizblöcke reichen.
*tschippln: an den Haaren/Fell ziehen, tscherfln: schlurfen
EMMA
mma“ ist Martin Fritz‘ erstes Solo-Stück. Martin Zistler unterstützt ihn in Sachen Regie, Bühne und Dramaturgie, die Darstellerinnen sind Michaela Senn, Michaela Adrigan und Elena Ledochowsky. „Ein Text ist nicht in Stein gemeißelt, darum bin ich froh, dass sie alle mit an Bord sind“, freut sich Fritz. Besonders spannend: Die prominent besetzte Ausgangsstory rund um Emma Watson, die als Sonderbotschafterin eine feministische Rede hält. Plötzlich taucht die Internetseite emmayouarenext.com auf, die damit droht, Nacktfotos der engagierten Schauspielerin zu veröffentlichen – was sich später als Hoax erweist. Die Moral von der Geschicht‘ würde mit einem knappen „glaub dem Zeug im Internet nicht“ zu kurz greifen, denn bei „Emma“ geht es auch um die Frage, wie man als besonnene Nutzer den Meinungsaustausch im Internet überlebt.
//„Niemand will Trolle füttern, aber in manchen Situationen muss man sich einfach äußern“, beschreibt Martin Fritz das Internet-Paradoxon. Andere Dilemmas kreisen laut Programminfo um die fließenden Grenzen zwischen Fakten und Fiktion, Hatern und Lovern. Es geht um Feminismus, Magie und eigentlich und vor allem um die Frage: Which Emma-Watson-Character are you?
//„Emma“ dient dabei als Textfläche für die obengenannten Verwirrungen und ist ein post-dramatisches Stück mit drei Sprechpositionen. Es gibt keine klassische Bühne, dafür PC-Monitore mit Projektionen. Wem dies zu abstrakt und postmodern zumutet, sei hiermit die Furcht genommen: Martin Fritz‘ Texte sind von einer beneidenswert amüsanten Patchwork-Qualität. Und wer Emma Watson als Köder benutzt, verdient ungeteilte Aufmerksamkeit.
Premiere
Dienstag, 5. Juli 2016, 20 Uhr Weitere Vorstellungen am 7. Juli um 19 Uhr sowie am 8. und 9. Juli jeweils um 20 Uhr.
Kleiner Tipp: Da die Sitzplätze begrenzt sind, am besten gleich reservieren unter: www.freiestheater.at/produktion/emma oder 0664/1129285