ie Stimmung im Hof der alten Seifenfabrik Walde in der Innstraße ist ruhig und vertraut. Neben anderen kreativen Büros ist hier auch das Studio von Nina Mair angesiedelt – die Basis des kreativen Schaffens der Designerin. In diesem Hof spielt sich der ganze Prozess ab: Ideen werden vertieft und anschließend in Skizzen formuliert, Materialien getestet und an ihre Grenzen gebracht, Prototypen gebaut und optimiert, 3D-Visualisierungen angefertigt – und nicht zuletzt die fertigen Produkte genutzt und gelebt.
//„Ich arbeite sehr strukturiert“, bekennt Nina Mair, deren Ideen zwar den unterschiedlichsten Inspirationsquellen entspringen können – Natur, Menschen oder beiläufige Beobachtungen aus dem Alltag –, am Ende jedoch eine Methode benötigen. Diese fängt stets mit einer Analyse an und fragt: „Was gibt es schon? Was braucht es? Was müssen das Produkt oder der Raum können?“ Sich wiederholen, möchte sie keinesfalls. Funktion mit Ästhetik in Verbindung bringen, schon. Und auch die speziellen Wünsche und täglichen Rituale der Kunden berücksichtigen.
//„Ich schreibe mir immer mein eigenes Briefing“, sagt die 36-Jährige, deren gestalterischer Weg mit der Mitgründung des Designtrios Pudelskern anfing. Schon damals hat sie Erfahrung auf internationalem Parkett gesammelt und dieses nicht mehr verlassen. Als Solistin ist sie jedes Jahr auf der Mailänder Möbelmesse vertreten, seit 2015 auf der IMM in Köln und der ICFF in New York. Sie wurde mit internationalen Designpreisen ausgezeichnet und entwirft für Kunden in England, Australien und den USA.
Alles aus einem Guss.
Die studierte Architektin sieht die Grenzen zwischen Architektur, Produkt- oder Möbeldesign nicht sehr eng und hat von Beginn an in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet. Es geht schließlich um den gestalterischen Prozess an sich, und die Übergänge sind fließend: „Ich kann nicht sagen, ich bin Architektin oder Designerin. Ich bin in beiden Bereichen unterwegs und hätte auch keine Scheu davor, ein Kleidungsstück zu entwerfen“, sagt Nina Mair.
//Wichtig ist ihr, „verkaufbare Objekte zu schaffen“. Zum einen, weil sie von ihrer Arbeit leben möchte, zum anderen, weil ihr der Gedanke gefällt, dass jemand eine Idee, die aus ihrem Kopf und ihrer Hand stammt, konsumiert und bei sich zu Hause stehen oder hängen hat. Eine Traumvorstellung wäre, ein Gesamtpaket zu entwerfen – vom Hochbau über die einzelnen Möbelstücke bis hin zu den kleinsten Accessoires, alles aus einem Guss. „Wenn ich Architektur entwerfe, entwerfe ich einen Raum und richte ihn automatisch im Kopf ein. Im Normalfall hat der Raum eine Funktion und diese hat mit Prozessen zu tun, die im Raum stattfinden. Daraus erfolgt für mich die logische Möblierung“, erklärt sie.
An die Grenze gehen.
Auf das Know-how als Architektin greift sie öfters zurück. Speziell, wenn es darum geht, Materialien bis an ihre Grenzen zu bringen. Dies verlangt ein Wissen über Materialeigenschaften, die ein Designer nicht unbedingt aus erster Hand kennt. Und Nina lotet gern Grenzen aus und versucht stets, das Material „so dünn wie möglich, so präzise wie möglich“ zu verarbeiten.
So zum Beispiel beim Entwurf des Betontisches mit einer 220 x 95 cm großen Tischplatte: „Dünner als diese kann man eine Betonplatte nicht gießen und dafür haben wir uns bestimmte Bewährungstechniken überlegt“, erklärt sie. Bei all den Grenzgängen wird das Material authentisch verarbeitet, befreit von dekorativen Elementen oder Übermalungen, stets echt und pur. Manchmal in einen ganz anderen Kontext gesetzt, wie zum Beispiel für die freistehende Badewanne aus Nussholz. In unseren Kulturkreisen ist so eine Wanne nicht sehr verbreitet – anders in Japan, wo die Inspiration herkommt. In zeitgenössischer und schlichter Form wurde sie für den westlichen Markt adaptiert und bekommt viel Aufmerksamkeit.
//Und weil das Produkt so komplex in seiner Herstellung ist und ein unglaubliches Know-how im Bereich der Holzverarbeitung verlangt, hat Nina Mair auf ihren langjährigen Kooperationspartner vertraut, die Tischlerei Forcher aus Osttirol. Für die Ausarbeitung der optimalen Ergonomie wiederum haben Freunde und Nachbarn Probeliegen müssen. Damals noch im 1:1-Prototypen aus Styropor. Nicht zu steil, nicht zu flach, bequem für eine und zwei Personen. Am besten freistehend, in einem großen Raum, wo sie viel Platz hat. Ob es das Bad oder der Schlafraum ist, bleibt dem Endbenutzer überlassen.
Kein „Game over“.
Ihre Motivation ist der Tatendrang. „Ich habe das Gefühl, ich bin nur zufrieden, wenn ich etwas mache. Produktivität pusht mich“, bekennt sie. Dass die Branche hart ist, weiß sie genau.
„Was gibt es schon? Was braucht es? Was müssen das Produkt oder der Raum können?“
Nina Mair
Aufgeben käme aber nicht in Frage. Sie ist eine Kämpferin. Schon immer gewesen. Früher als Tennisspielerin im Spitzensport, heute als Gestalterin. Ihr Credo: „So lange der letzte Ball nicht gespielt ist, ist noch nichts entschieden.“ Die Fähigkeit, strategisch und vor allem auch wirtschaftlich zu denken, sowie das feste Vertrauen in das eigene Schaffen sind unverzichtbar. Der größte Antriebsmotor ist jedoch die Leidenschaft, neue Ideen in die Welt zu bringen.
Objekte, die Geschichten erzählen.
Ihre Arbeitsweise nennt Nina Mair „narratives Design“ und drückt damit aus, dass jedes Produkt von einer Geschichte begleitet wird und dadurch unverwechselbar bleibt. Es bekommt eine eigene Identität. Diese entwickelt sich bereits in der Idee, reift im Gestaltungsprozess und nimmt weitere Charakterzüge an in der Benutzung. „Die Traumvorstellung ist natürlich, das Produkt so nachhaltig wie möglich zu bauen, dass es vererbt oder weitergegeben werden kann“, erklärt Nina. Dazu muss „die Qualität so hoch sein, dass es von der Lebensdauer her überhaupt möglich ist, und gleichzeitig muss das Produkt im Altern schöner werden.“ Zeitlos und emotional wertvoll. Auf welche Reise der Gegenstand auch geht, welche Ufer er erreicht und welche Spuren er erhält, seine Geschichte wird fortgesetzt. Momentan sind neue Designentwicklungen und damit neue Geschichten im Kommen. Für ihre Fortsetzung werden die Produkte nun auch verfügbarer – in Form eines Online-Shops.
„Die Traumvorstellung ist natürlich, das Produkt so nachhaltig wie möglich zu bauen, dass es vererbt oder weitergegeben werden kann.“
Nina Mair