Wir empfehlen
JÄNNER 2019

Feminine Erosion

Auch dies Tirol ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält:
Der Aufstieg von Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Vorsitzenden und wahrscheinlich nächsten Kanzlerin in Deutschland erinnert an heimische Politikentwicklungen.

A

KK, das klingt kalt, technokratisch, unpersönlich und bedient alle Vorurteile gegenüber der neuen Galionsfigur für die Verweiblichung von Politik. Dass Annegret Kramp-Karrenbauer ein viel größeres Kaliber ist, als aus der bisherigen Berichterstattung zu erahnen war, offenbarte sie jedoch bereits bei ihrem ersten TV-Polittalk als CDU-Chefin. Wie sie bei „Anne Will“ ihre überheblichen männlichen Widersacher geradezu vorgeführt hat, das wird noch in einigen Jahren ein YouTube-Lehrstück für politische Kommunikation sein. Unterdessen ist die nächste deutsche Kanzlerin zwar einerseits ein Symbol für „the new normal“, wirkt andererseits aber als Indiz für das ideologische Paradoxon von Frauen in der Politik. In Deutschland bleiben durch die Nachfolgerin von Angela Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles beide Regierungspartner unter Frauenführung.

Doch Mehrheitsfähigkeit mit weiblichem Aushängeschild genießen ausgerechnet jene Mitte-rechts-Parteien, die auch unter Chefinnen nicht unbedingt als Bannerträgerinnen des Feminismus gelten. Schon das Kürzel „Mutti“ für „Merkel“ zeigt, dass die Wählerschaft insgesamt noch eher die Geborgenheit des Matriarchats sucht. Gruppierungen mit einer traditionellen bis pragmatischen Rollensicht sind also strategisch im Vorteil. Die CDU wirkt global als Musterfall für langsame, beharrliche Gender-Transformation.

// 

Einem derartigen Fremdbild entsprechen die britischen Konservativen trotz des feministischen Selbstbekenntnisses ihrer Chefin Theresa May kaum. So wie die Ministerpräsidentin den Eiserne-Lady-Status ihrer Vorgängerin Margaret Thatcher erbt, so erscheint sie auch als Ausnahme einer männlichen Tory-Regel. Die US-Demokraten hingegen sind die Partei der Frauen und Minderheiten. Sie überfordern damit aber die immer noch relativ größte Wählergruppe der weißen Männer.

 

Die CDU wirkt global als Musterfall für langsame, beharrliche Gender-Transformation.

 

Wer eine Antwort darauf mit weniger frauenfreundlichen Scheuklappen sucht, als es heute opportun ist, darf die Möglichkeit eines puren Machtspiels nicht außer Acht lassen: Dornauer war bis zu diesem Zeitpunkt ein roter Hoffnungsträger in der sozialdemokratischen Diaspora – als Querverbinder von Stadt und Land, Jung und Alt, Eliten und Bodenständigen; gesprächsfähig von links nach rechts. Wenn so einer wegen einer vergleichsweise lässlichen Rhetorik-Sünde zum Bauernopfer wird, gewinnen die Feministinnen zwar ein internes Match, doch sie schmälern die Wählerzielgruppen der SPÖ. Solch kurzfristige Taktik statt langfristiger Strategie behindert statt beschleunigt die Auferstehung zu einer Volkspartei. Das zeigt sich ausgerechnet an Dornauers Heimatfront besonders deutlich. Denn das grundsätzlich konservative Tirol belegt prototypisch, dass die Verweiblichung der Politik durch Frauen in Spitzenpositionen nicht zwangsläufig mit Feminismus einhergeht. Die dennoch gesellschaftsverändernde Wirkung durch solche Postenbesetzungen vollzieht sich eher nach dem Prinzip „steter Tropfen höhlt den Stein“.

Das gilt vorerst für die Wahlchancen von Parteien mit Spitzenkandidatinnen und bei Erfolg auch für ihre Politik. Offensiver Feminismus wirkt immer noch nicht mehrheitsfähig außerhalb der wirklich urbanen Räume – vielleicht nicht einmal dort.

Pragmatischer Gender-Zugang.

Tirol und Innsbruck hingegen sind schwarzgrüne Beispiele im Kleinen für das, wofür die CDU in Deutschland steht. Das begann mit der ersten grünen Landesrätin Eva Lichtenberger noch im Proporzsystem und ging weiter mit Hilde Zach als erster Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt. Das setzte sich fort mit Christine Oppitz-Plörer als ihrer Nachfolgerin und zeigt sich heute an einer aus je vier Männern und Frauen bestehenden Landesregierung sowie einem Stadtsenat mit weiblicher Mehrheit. 18 von 40 Gemeinderätinnen verdeutlichen im Vergleich zu lediglich 12 von 36 weiblichen Landtagsabgeordneten aber auch das Stadt-Land-Gefälle in der Gender-Frage.