ls die Pferde noch in den Boxen scharrten, sprich kurz vor Saisonstart der Skigebiete, appellierte der Österreichische Alpenverein (OeAV) an die Pistentourengeher: Sie mögen die Empfehlungen zur konflikt- und unfallfreien Nutzung der Pisten berücksichtigen (siehe Seite 20) und sich an die Regeln halten. Der Hintergrund: Pistentourengehen boomt, vor allem Menschen, die in der Stadt wohnen, schätzen den Wintersport immer mehr als Abwechslung zum Fitnessstudio. Und mit der steigenden Anzahl an Pistentourengehern wächst auch die Anzahl derer, die sich nicht an die Spielregeln halten – indem sie zum Beispiel beliebig die Pisten queren, ohne auf die Skifahrer zu schauen, oder Sperren missachten. Die Folge: Es kommt zu Konflikten zwischen Liftbetreibern, Skifahrern und Tourengehern.
//Das Konzept „Pistentouren sicher und fair“ wurde vor einigen Jahren als Lösungsversuch für dieses Problem erstellt. Es sieht unter anderem gezielte Angebote für Pistentourengeher vor (siehe Seite 20), wie Christoph Höbenreich von der Abteilung Sport des Landes Tirol erklärt.
„Vor 20 Jahren waren Pistentourengeher noch Exoten“
Können Sie das Pistentouren-Konzept kurz erklären? Christoph Höbenreich: Das Modell wurde bereits vor über zehn Jahren vom Land Tirol gemeinsam mit Seilbahnbetreibern und den wichtigsten Vertretern des Bergsports entwickelt. Ziel ist es, ein konfliktfreies und gefahrloses Miteinander auf den Pisten zu ermöglichen. Es beinhaltet Verhaltensregeln für Pistentourengeher, Angebote in Skigebieten sowie seit 2016 ein spezielles Beschilderungssystem, das die Ströme der Tourengeher lenken soll.
Wie ist das Modell entstanden und warum war eine spezielle Regelung notwendig? Während vor 20 Jahren Pistentourengeher noch Exoten waren, sind sie heute aus den Skigebieten nicht mehr wegzudenken und sind zudem gerngesehene Gäste der Gastronomie. Besonders in Innsbruck ist das Bedürfnis in der Bevölkerung groß, sich nach der Arbeit im Freien zu bewegen. Da bieten sich im Winter Pistentouren an. Dem Boom folgten emotional geführte Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Interessenvertretern – auf der einen Seite die Seilbahnwirtschaft, auf der anderen Seite die alpinen Vereine. Argumentiert wurde einerseits beispielsweise damit, dass Skigebiete nicht ausschließlich Skifahrern zur Verfügung stehen sollten. Auf der anderen Seite waren etwa die Wirtschaftlichkeit – die Tourengeher erhöhten den Aufwand, aber brachten auf den ersten Blick kein Geld – und die Sicherheit wichtige Themen. Schließlich konnten wir eine Einigung finden, ohne eine gesetzliche Regelung erlassen zu müssen. Das Resultat ist „Pistentouren sicher und fair“.
Wo sind die Gefahren, wenn man abends auf gesperrten Pisten unterwegs ist? Nach Betriebsschluss beginnen die Präparierungen für den nächsten Tag. Pistenraupen sind in den Skigebieten im Einsatz und dabei sehr oft an Seilwinden befestigt. Letztere laufen oft quer über die Piste und werden schnell zur Lebensgefahr: Die dicken Stahlseile sind leicht zu übersehen und können ganz plötzlich nach oben schnellen. Wer das einmal erlebt hat, ahnt, wie gefährlich es ist, wenn man sich genau in diesem Moment in der Nähe befindet.
Können Tourengeher bestraft werden, wenn sie in gesperrten Skigebieten unterwegs sind? Weil sich der Großteil der Tourengeher an die Regeln hält, waren bisher keine ortspolizeilichen Maßnahmen notwendig.
Es handelt sich im Prinzip um ein „Gentlemen’s Agreement“, ein Abkommen, das auf gegenseitigem Verständnis und Vertrauen beruht. Bis jetzt hat es – mit Ausnahmen – funktioniert und wir hoffen, dass das so bleibt.
Wie schaut es untertags aus? Man hört immer wieder von Problemen mit Tourengehern, die sich auch da nicht an die Regeln halten. Vor kurzem kam es in einem Skigebiet nahe Innsbruck leider zu Konflikten zwischen Skifahrern und Pistentourengehern während des Seilbahnbetriebes. Es ist sehr bedauerlich, dass wegen einiger uneinsichtiger und unverbesserlicher Egoisten nicht nur die Diskussionen wieder aufflammen und der Großteil der sich ordnungsgemäß und friedlich bewegenden Pistentourengeher pauschal in Verruf gerät, sondern auch der Ruf nach restriktiven Maßnahmen wieder laut wird. Sich nicht an die mittlerweile allgemein bekannten Pistentourenregeln zu halten, ist daher kein geringfügiges Kavaliersdelikt mehr, sondern völlig inakzeptabel und unsportlich. Wir appellieren daher an jeden, die Regeln dringend einzuhalten, also beispielsweise nur am Pistenrand und hintereinander aufzusteigen, Pistensperrzeiten einzuhalten, keine Hunde auf die Pisten mitzunehmen, Warnhinweise zu beachten und beschilderten Aufstiegsrouten zu folgen.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Es ist sehr bedauerlich, dass wegen einiger Egoisten die Diskussionen wieder aufflammen.“
Christoph Höbenreich
„Wir können die Pistennutzung zwar erlauben, aber nicht verbieten“
Ein Skigebiet, das den Pistentouren-Trend in Innsbruck besonders spürt, ist die Muttereralm. Werner Millinger, Geschäftsführer der Muttereralm Bergbahnen, über schwarze Schafe und gebundene Hände.
Welche Erfahrung hat die Muttereralm mit Pistentourengehern gemacht? Gibt es viele „schwarze Schafe“? Werner Millinger: Die Muttereralm hat sehr früh ein Angebot für Tourengeher erstellt, das sehr gut ankommt. Es gibt aber auch Tourengeher, die die Regeln verletzen. Sie machen mehr als zehn Prozent aus, was bei 300 bis 600 Tourengehern pro Tag sehr viel ist. Was die Situation verschärft, ist, dass wir ein Familien-Skigebiet sind. Wir haben einen hohen Anteil an Anfängern und Kindern, die mehr Pistenfläche benötigen. Zugleich ist bei uns auch der weniger sportliche Tourengeher unterwegs, der ebenfalls eine größere Fläche benötigt als der sportliche, der in der Direttissima aufsteigen kann. Das kann zu Kollisionen führen.
Werden Pistensperren eingehalten? Leider nicht von allen – im Schnitt sind 100 Tourengeher auf gesperrten Pisten unterwegs, die gerade mit Pistenraupen präpariert werden. Das kleinere Problem ist, dass frisch präparierte Pisten befahren werden. Viel schlimmer ist es, dass die bis zu 1.000 Meter langen Stahlseile, an denen die Pistenraupen hängen, zur Lebensgefahr für die Tourengeher werden können. Der Fahrer hat ein relativ eingeschränktes Sichtfeld und kaum Eingriffsmöglichkeiten. Wenn er hinter sich Stirnlampen aufblitzen sieht, kann er die Maschine zwar stoppen, doch das Stahlseil bleibt trotzdem gespannt und kann leicht übersehen werden.
Haben Sie bereits darüber nachgedacht, entsprechende Konsequenzen zu ziehen? Im Moment befinden wir uns rechtlich in einer Grauzone.
Wir können es als Seilbahner zwar erlauben, die Pisten zu benutzen, haben aber keine Handhabe, es zu verbieten. Und darauf verweisen wir seit zehn Jahren. Die rechtliche Frage ist noch nicht ausjudiziert. Wäre das wie in anderen Bundesländern der Fall, glaube ich, dass das Angebot für Pistentourengeher in Tirol wachsen würde.
Bisher versucht das Land gemeinsam mit dem Alpenverein, eine Lösung durch Empfehlungen an die Tourengeher zu erreichen. Kritisch wird es aber, wenn die Anzahl der Tourengeher und damit auch der schwarzen Schafe weiter steigt.
Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial? Was würden Sie gerne ändern? Uns Seilbahnern wäre es recht, wenn es eine rechtliche Grundlage gäbe, damit wir die Pisten zu bestimmten Zeiten für die Präparierung sperren könnten und diese Sperre auch halten würde. Momentan sind wir darauf angewiesen, dass jeder seinen Hausverstand einsetzt, sich an Empfehlungen hält und dem Seilbahner glaubt, dass Präparierungen tödliche Gefahr bedeuten.
Haben Sie das Gefühl, dass Appelle des Landes, des OeAV und der Skigebiete etwas bringen? Ja, sie bringen sehr viel. Und mittlerweile gibt es auch unter den Tourengehern eine große Gruppe, die nicht einsieht, dass wegen ein paar uneinsichtiger Tourengeher Verbote eingeführt werden sollten. Und natürlich wäre das ungerecht und ein Schaden, denn das Verbot würde alle treffen.
Rentiert sich das Tourengeher-Angebot für die Muttereralm aus wirtschaftlicher Sicht? Tourengeher an sich bringen keine Gewinne. Aber ganz viele Tourengeher nutzen das komplette Angebot der Muttereralm: Sie gehen auch Skifahren oder vormittags eine Tour und nachmittags auf die Piste oder sie kommen im Sommer in den Bikepark.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Die Muttereralm hat sehr früh ein Angebot für Tourengeher erstellt, das sehr gut ankommt.“ Werner Millinger
10 Empfehlungen für Pistentourengeher
- Warnhinweise sowie lokale Regelungen beachten.
- Der Sperre einer Piste oder eines Pistenteils Folge leisten. Beim Einsatz von Pistengeräten – insbesondere mit Seilwinden – oder bei Lawinensprengungen etc. kann es zu lebensgefährlichen Situationen kommen. Pisten können daher aus Sicherheitsgründen für die Dauer der Arbeiten gesperrt sein.
- Nur am Pistenrand und hintereinander aufsteigen.
- Queren der Piste nur an übersichtlichen Stellen und mit genügend Abstand zueinander
- Frisch präparierte Pisten nur im Randbereich befahren. Über Nacht festgefrorene Spuren können die Pistenqualität stark beeinträchtigen.
- Bis 22.30 Uhr oder einer anderen vom Seilbahnunternehmen festgelegten Uhrzeit die Pisten verlassen.
- Sichtbar machen. Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht Stirnlampe, reflektierende Kleidung etc. verwenden.
- Bei besonders für Pistengeher gewidmeten Pisten nur diese benützen.
- Hunde nicht auf Skipisten mitnehmen.
- Ausgewiesene Parkplätze benützen und allfällige Parkgebühren entrichten.