Wir empfehlen
JÄNNER 2018

Skitouren

Abends auf der Piste

Ein eigenes Konzept ermöglicht es, im Großraum von Innsbruck jeden Abend in einem anderen Skigebiet eine Pistentour zu unternehmen. Über die Entstehung des Modells und die Erfahrung mit Tourengehern in Innsbrucks „Haus“-Skigebiet.

Fotos: Axel Springer (3), Land Tirol/Höbenreich, Innsbruck Tourismus
A

ls die Pferde noch in den Boxen scharrten, sprich kurz vor Saisonstart der Skigebiete, appellierte der Österreichische Alpenverein (OeAV) an die Pistentourengeher: Sie mögen die Empfehlungen zur konflikt- und unfallfreien Nutzung der Pisten berücksichtigen (siehe Seite 20) und sich an die Regeln halten. Der Hintergrund: Pistentourengehen boomt, vor allem Menschen, die in der Stadt wohnen, schätzen den Wintersport immer mehr als Abwechslung zum Fitnessstudio. Und mit der steigenden Anzahl an Pistentourengehern wächst auch die Anzahl derer, die sich nicht an die Spielregeln halten – indem sie zum Beispiel beliebig die Pisten queren, ohne auf die Skifahrer zu schauen, oder Sperren missachten. Die Folge: Es kommt zu Konflikten zwischen Liftbetreibern, Skifahrern und Tourengehern.

// 

Das Konzept „Pistentouren sicher und fair“ wurde vor einigen Jahren als Lösungsversuch für dieses Problem erstellt. Es sieht unter anderem gezielte Angebote für Pistentourengeher vor (siehe Seite 20), wie Christoph Höbenreich von der Abteilung Sport des Landes Tirol erklärt.

„Vor 20 Jahren waren Pistentouren­geher noch Exoten“

6020:

Können Sie das Pistentouren-Konzept kurz erklären? Christoph Höbenreich: Das Modell wurde bereits vor über zehn Jahren vom Land Tirol gemeinsam mit Seilbahnbetreibern und den wichtigsten Vertretern des Bergsports entwickelt. Ziel ist es, ein konfliktfreies und gefahrloses Miteinander auf den Pisten zu ermöglichen. Es beinhaltet Verhaltensregeln für Pistentourengeher, Angebote in Skigebieten sowie seit 2016 ein spezielles Beschilderungssystem, das die Ströme der Tourengeher lenken soll.


Wie ist das Modell entstanden und warum war eine spezielle Regelung notwendig? Während vor 20 Jahren Pistentourengeher noch Exoten waren, sind sie heute aus den Skigebieten nicht mehr wegzudenken und sind zudem gerngesehene Gäste der Gastronomie. Besonders in Innsbruck ist das Bedürfnis in der Bevölkerung groß, sich nach der Arbeit im Freien zu bewegen. Da bieten sich im Winter Pistentouren an. Dem Boom folgten emotional geführte Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Interessenvertretern – auf der einen Seite die Seilbahnwirtschaft, auf der anderen Seite die alpinen Vereine. Argumentiert wurde einerseits beispielsweise damit, dass Skigebiete nicht ausschließlich Skifahrern zur Verfügung stehen sollten. Auf der anderen Seite waren etwa die Wirtschaftlichkeit – die Tourengeher erhöhten den Aufwand, aber brachten auf den ersten Blick kein Geld – und die Sicherheit wichtige Themen. Schließlich konnten wir eine Einigung finden, ohne eine gesetzliche Regelung erlassen zu müssen. Das Resultat ist „Pistentouren sicher und fair“.

Christoph Höbenreich, Abteilung Sport Land Tirol


Wo sind die Gefahren, wenn man abends auf gesperrten Pisten unterwegs ist? Nach Betriebsschluss beginnen die Präparierungen für den nächsten Tag. Pistenraupen sind in den Skigebieten im Einsatz und dabei sehr oft an Seilwinden befestigt. Letztere laufen oft quer über die Piste und werden schnell zur Lebensgefahr: Die dicken Stahlseile sind leicht zu übersehen und können ganz plötzlich nach oben schnellen. Wer das einmal erlebt hat, ahnt, wie gefährlich es ist, wenn man sich genau in diesem Moment in der Nähe befindet.


Können Tourengeher bestraft werden, wenn sie in gesperrten Skigebieten unterwegs sind? Weil sich der Großteil der Tourengeher an die Regeln hält, waren bisher keine ortspolizeilichen Maßnahmen notwendig.

„Es ist sehr bedauerlich, dass wegen einiger Egoisten die Diskussionen wieder aufflammen.“

Christoph Höbenreich

„Wir können die Pistennutzung zwar erlauben, aber nicht verbieten“

Ein Skigebiet, das den Pistentouren-Trend in Innsbruck besonders spürt, ist die Muttereralm. Werner Millinger, Geschäftsführer der Muttereralm Bergbahnen, über schwarze Schafe und gebundene Hände.

6020:

Welche Erfahrung hat die Muttereralm mit Pistentourengehern gemacht? Gibt es viele „schwarze Schafe“? Werner Millinger: Die Muttereralm hat sehr früh ein Angebot für Tourengeher erstellt, das sehr gut ankommt. Es gibt aber auch Tourengeher, die die Regeln verletzen. Sie machen mehr als zehn Prozent aus, was bei 300 bis 600 Tourengehern pro Tag sehr viel ist. Was die Situation verschärft, ist, dass wir ein Familien-Skigebiet sind. Wir haben einen hohen Anteil an Anfängern und Kindern, die mehr Pistenfläche benötigen. Zugleich ist bei uns auch der weniger sportliche Tourengeher unterwegs, der ebenfalls eine größere Fläche benötigt als der sportliche, der in der Direttissima aufsteigen kann. Das kann zu Kollisionen führen.

Werden Pistensperren eingehalten? Leider nicht von allen – im Schnitt sind 100 Tourengeher auf gesperrten Pisten unterwegs, die gerade mit Pistenraupen präpariert werden. Das kleinere Problem ist, dass frisch präparierte Pisten befahren werden. Viel schlimmer ist es, dass die bis zu 1.000 Meter langen Stahlseile, an denen die Pistenraupen hängen, zur Lebensgefahr für die Tourengeher werden können. Der Fahrer hat ein relativ eingeschränktes Sichtfeld und kaum Eingriffsmöglichkeiten. Wenn er hinter sich Stirnlampen aufblitzen sieht, kann er die Maschine zwar stoppen, doch das Stahlseil bleibt trotzdem gespannt und kann leicht übersehen werden.

 

Haben Sie bereits darüber nachgedacht, entsprechende Konsequenzen zu ziehen? Im Moment befinden wir uns rechtlich in einer Grauzone.

Werner Millinger, Geschäftsführer Muttereralm Bergbahnen

 

Wir können es als Seilbahner zwar erlauben, die Pisten zu benutzen, haben aber keine Handhabe, es zu verbieten. Und darauf verweisen wir seit zehn Jahren. Die rechtliche Frage ist noch nicht ausjudiziert. Wäre das wie in anderen Bundesländern der Fall, glaube ich, dass das Angebot für Pistentourengeher in Tirol wachsen würde.

„Die Muttereralm hat sehr früh ein Angebot für Tourengeher erstellt, das sehr gut ankommt.“ Werner Millinger

10 Empfehlungen für Pistentourengeher

  1. Warnhinweise sowie lokale Regelungen beachten.
  2. Der Sperre einer Piste oder eines Pistenteils Folge leisten. Beim Einsatz von Pistengeräten – insbesondere mit Seilwinden – oder bei Lawinensprengungen etc. kann es zu lebensgefährlichen Situationen kommen. Pisten können daher aus Sicherheitsgründen für die Dauer der Arbeiten gesperrt sein.
  3. Nur am Pistenrand und hintereinander aufsteigen.
  4. Queren der Piste nur an übersichtlichen Stellen und mit genügend Abstand zueinander
  5. Frisch präparierte Pisten nur im Randbereich befahren. Über Nacht festgefrorene Spuren können die Pistenqualität stark beeinträchtigen.
  6. Bis 22.30 Uhr oder einer anderen vom Seilbahnunternehmen festgelegten Uhrzeit die Pisten verlassen.
  7. Sichtbar machen. Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht Stirnlampe, reflektierende Kleidung etc. verwenden.
  8. Bei besonders für Pistengeher gewidmeten Pisten nur diese benützen.
  9. Hunde nicht auf Skipisten mitnehmen.
  10. Ausgewiesene Parkplätze benützen und allfällige Parkgebühren entrichten.